1: Kaffee und Kuchen

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Ich rannte, als ginge es um mein Leben. Laufen war nie meine Stärke gewesen und vielleicht war das der Grund warum mich alle Leute ansahen, als hätte ich gerade einen ganzen Hering verschluckt. Und das quer. Ich jedoch kümmerte mich nicht wirklich um die Leute und wurde nicht einmal langsamer, als ich Seitenstiche bekam. Die Sonne schien warm auf mich herunter und meine schwarzen Haare klebten vor lauter Schweiß an meinem Schädel. Trotzdem blieb ich erst stehen, als ich das kleine Straßencafé erreicht hatte. Panisch blickte ich mich um und atmete erleichtert auf. Vollkommen unversehrt, mit wie immer leicht zerzausten blonden Haaren, stand er an einem der Tisch und blickte sich ebenfalls hektisch um. Als sich unsere Blicke begegneten, spiegelte sich meine Erleichterung in seinen sturmgrauen Augen. Er kam zu mir herüber.
"Jake hat mir erzählt, du wärst in Schwierigkeiten!"
Phil lachte. Ob darüber, wie synchron wir diesen Satz gesagt hatten oder über mein alles andere als heldenhafte Auftreten konnte ich nicht sagen.
"Äh ja"
Peinlich berührt steckte ich die Hände in die Hosentaschen meiner Jeans. Eigentlich hätte ich mir das bereits denken können.

"Wenn ich es nicht anders wüsste, würde ich sagen, er hat uns absichtlich hierher geschickt...zu einer Art Date"
"Date?", echote ich und schlagartig wurde mir klar, dass das die absolut sinnvollste Erklärung war. Jake hatte vor nicht all zu langer Zeit dafür gesorgt, dass die Beziehung zwischen Phil und mir auf einem freundschaftlichen Level blieb und mir versprochen, dass wieder in Ordnung zu bringen. Allerdings hätte ich mir von meinem Bruder mehr erhofft, als eine dermaßen billige Verkuppelungsaktion.

"Date. Das ist eine Art Treffen"
"Das ist mir auch klar!"
Phil grinste.
"Wir könnten uns einen riesigen Berg Kuchen bestellen. So groß, dass niemand den Anderen sieht. Das wäre es kein Date mehr"
"Nein. Das können wir nicht"
"Wieso nicht? Kuchen ist toll! Wenn es legal wäre, wäre ich längst mit einem Kuchen verheiratet"
"Darum geht es nicht. Ich hab nicht genug Geld für einen riesigen Berg Kuchen"
Phil legte den Kopf schief, so wie immer wenn er nachdachte.
"Dann muss es wohl reichen wenn jeder von uns ein Stück bekommt"
Phil zog seinen Geldbeutel. Die Münzen darin klimperten lustig, als er ihn öffnete und pfeifend sein Geld zählte.
"Für zwei Stücke Kuchen müsste das reichen"
Er deutete mir mich an einem kleinen Tisch, der im Schatten einer alten Erle lag, zu setzten, doch ich zögerte.
"Äh..."
Er lachte.
"Die zwei Stücke wären leider nicht beide für mich. Ich würde die einladen, Sternchen"
Sternchen war der Spitzname, den er mir gegen meinen Willen verpasst hatte. Auch wenn ich mich am Anfang dagegen gewehrt hatte, musste ich mittlerweile zugeben, dass er erschreckend gut zu mir passte. Stern. Wenn meine Freunde davon sprachen meinten sie nicht die leuchtenen Punkte am Nachhimmel oder die Gebilde aus Stroh, die man an Weihnachten an jeder Ecke bekommt, sondern mich. In irgendeiner von irgendjemanden irgendwann einmal erfundenen Fachsprache war Stern nichts anderes als der Begriff für jemanden mit besonderen Fähigkeiten. Um genau zu sein, die Fähigkeit die vier Elemente, Feuer, Erde, Wasser und Luft zu beherrschen. Zumindest in der Theorie, dass ich dieser Aufgabe in der Praxis nicht gewachsen war schien niemanden zu interessieren: Das verschlungene Ornament auf meinem rechten Handgelenk bestätigte eindeutig wer ich war.

Phil hatte sich schon an einen Tisch gesetzt und blickte mich jetzt erwartungsvoll an. Ich nahm auf den Stuhl gegenüber von ihm Platz und blickte ihn an. Bei ihm schien die Luft genau die richtige Temperatur zu haben: Warm, aber weder drückend noch zu heiß. Was wir ein Wunder oder ein Produkt meiner pubertären Fantasie wirkte hatte eine wunderbare, leider weniger einfache Erklärungen. Aiden, mein inoffizieller Nachhilfelehrer in allen Bereichen meines Lebens, würde Phils des Fähigkeiten als Aerokinese bezeichnet ich sagte einfach Kontrolle der Luft dazu.

Phils Gesicht verschwand hinter der aufgeschlagenen Kuchenkarte. Er blätterte sie einige Male durch und blickte mich dann durchdringen mit sturmgrauen Augen an.
"Weißt du schon, was du willst?"
"Ich hatte noch keine Gelegenheit zu gucken, was es überhaupt gibt!"
"Gut. Dann bestell ich jetzt zweimal Reisfladen"
Ich öffnete den Mund um zu protestieren, doch Phil hatte schon ein Kellnerin zu uns gewunken, eine hübsche Brünette mitte dreißig.
"Was darf ich Herrschaften bringen?"
Sie sprach mit einem schleppenden osteuropäischen Akzent.
Phil grinste.
"Wir hätten gerne zwei Stücke Reisfladen, einen Kaffee, ganz schwarz und..."
Er blickte mich an.
"Was willst du trinken?"
"Jetzt musst du mich auch nicht mehr nach meiner Meinung fragen!"
Ich hasste es von bevormundet zu werden, genauso wie ich es hasste wenn hinter meinem Rücken Entscheidungen über getroffen wurden, egal ob es dabei um eine Fahrt zum Mars oder ein Stück Kuchen ging.

Phil grinste die Kellnerin an.
"Noch einen Kaffee, bitte"
Sie lächelte uns an und notierte sich ihre Bestellung. Dann tippelte sie zurück ins Café, wobei ihr dunkler Pferdeschwanz auf und ab hüpfte.
"Und? Wie geht es dir so?"
Ich zog die Augenbrauen hoch.
"Du willst doch jetzt nicht anfangen mit mir einen Smalltalk zu führen?"
"Es kann ja ein sehr tiefsinniger Smalltalk werden"
"Unsere Gespräche sind nie tiefsinnig!"
Er lachte.
"Natürlich sind sie das. Ohne unsere Gespräche wüsste ich nicht, dass das Universum eine Pizza ist. Wenn das nicht tiefsinnig ist, weiß ich nicht was tiefsinnig ist"
"Das ist nicht tiefsinnig"
"Doch.Im Sinne von Tiefsinn heißt Tiefsinn weil der Sinn tief ist. So tief, wie das Niveau des tiefsinnigen Gespräches. Verstehst du?"
"Äh... Das macht Sinn“
Nein. Das verstand ich absolut nicht.
Eigentlich wollte ich es aber auch nicht verstehen. Das war mir einfach etwas zu hoch.

Die Kellernin kam zu uns zurück, dieses Mal mit einem grünen Tablett, auf dem sie drei Tassen, mit dampfenden Flüssigkeiten balancierte.
"Entschuldigung, aber wir haben nur zwei Tassen Kaffee bestellt"
Sie blickte mich mit großen braunen Augen.
“Sie sagen noch eine Tasse Kaffee“
“Damit meinte ich die zweite“, erklärte Phil
“Also nix Kaffee?“
“Nix... ich meine keine drei Tassen, vielen Dank“
Sie lächelte uns an.
“Schönes junges Paar. Können haben drei Tassen“
“Danke, aber wir sind kein...“
“Mein Cousine hat auch einen Freund. Ist ein netter Kerl, aber hat nix so schöne blonde Haare“
Phil und ich tauschte Blicke. Ich hätte schwören können, dass seine Ohren leicht rot anliefen, doch er verbarg dies wie üblich gut hinter seinem Grinsen.
“Sind schönes Paar“
Sie blickte mich, doch kaum hatte der Blick ihrer braunen Augen den meiner bernsteinfarbenen gekreuzt, verdunkelte sich ihre Miene.
“Du bist aber nicht Mia Bell?“
Als sie, mit einer erstaunlich guten englischen Aussprache meinen Namen sagte, schien die Luft um uns herum zu Eis zu erstarren. Mit einen neu erwarten Wachsamkeit musterte Phil sie.
“Warum wollen sie das wissen...?“
“Eben war ein Mädchen hier. Hat nach Mia Bell gefragt. Recht groß, braune Haare, grüne Augen- hübsch, aber beängstigend. Schien fast so, als könnte sie hochgeben die Zeitungen ohne zu berühren“
Wir seuftzten und verdrehten gleichzeitig die Augen. Ich musste nur zu gut, wer das gewesen war. Die Frau war der einzige Grund, warum ich auf Jakes Trick mich hierher zu locken hereingefallen war, sie war der Grund, warum ich es für durchaus möglich gehalten hatte, dass Phil in Gefahr war. Rose Stuart.

Das Leben als eine der Beherrscher der Elemente hätte so schön einfach sein können wären da nicht Leute wie sie gewesen- Schatten. Sie bildeten das genaue Gegenteil eines Elementes doch im Gegensatz zu uns wurde niemals als Schatten geboren. Wie genau ein Mensch zu einem Schatten wurde, hatte ich nicht ganz verstanden. “Sie sind das widernatürliche Gegenstück zu den natürlichen Elemente“, hatte Aiden mir vor einigen Tagen zu erklären versucht. Sie waren für uns das, was für andere Leute Lord Voldemort, Davy Jones oder Schlagersänger waren- Ganz und gar böse. Ich wusste von drei Schatten: Elizabeth, die das Gegenstück zum Wasser und damit zu Phils Schwester Alice bildete, Alec, der Feuerschatten der seine eigene Schwester, Nady hintergangen hatte und ihr Schatten geworden war und Rose. Rose wollte mein Schatten werden und um diesem Ziel näher zu kommen war sie bereit über Leichen zu gehen und das im wahrsten Sinne des Wortes.

“Wenn sie noch einmal kommt, sagen Sie ihr bitte nicht, dass ich hier war“
Die Kellnerin zwinkerte mir zu.
“Ich nix bin dumm. Ich kann bewahren Geheimnis von hübschen Paar“
Sie tippelte zurück, wahrscheinlich um uns den Kuchen zu holen. Phil lachte mich an.
“Geheimnis. Wenn sie wüsste...“

Danke fürs lesen :)

Hier erst einmal ein kurzes und auch etwas langweiliges Kapitel um wieder in die Geschichte herein zu finden. Ich hoffe Neueinsteiger verstehen bis jetzt alles, ansonsten fragt gerne nach. Für Verbesserungsvorschläge bin ich immer offen :)

Im Schatten der Elemente [Unbearbeitet Fassung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt