Kapitel 1 - Dixon, Kalifornien

328 4 2
                                    

Kims P.O.V. - vor elf Jahren

Ich sah mich nochmal im Spiegel an. Meine braunen Locken hingen mir locker über die Schultern. Ich hatte mich vorhin für einen Jeansrock und ein rotes T-Shirt entschieden. Hoffentlich fand Chris mein Outfit in Ordnung. Oh Gott, nein! Eigentlich sollte es mir am Arsch vorbei gehen, wie er mein Outfit fand. Aber das tat es nun mal nicht. Das tat es schon seit fast einem halben Jahr nicht mehr.

Denn so lange war ich jetzt ungefähr schon in ihn verliebt. Ich war zwar erst dreizehn und er fünfzehn, aber ich glaubte, er würde mich auch gut finden. Obwohl er der beste Freund meines großen Bruders war, und ich für ihn nur die kleine Schwester seines besten Freundes sein sollte, waren wir trotzdem auch irgendwie befreundet. Was wahrscheinlich nicht zuletzt daran lag, dass er schräg gegenüber von uns wohnte.

Ich beschloss, mein Outfit müsste so gehen, schnappte mir schnell meine Tasche und ging nach unten. Ich wollte mich mit meiner Freundin Ashley treffen und mein Bruder Kyle mit seinen Freunden, also sollte er mich mitnehmen, da er an Ashs Haus vorbeifahren würde. Was bedeutete, dass er auch Chris mitnahm und ich ihn zu sehen bekam.

Kyle stand schon vor der Tür und warf mir einen gespielt genervten Blick zu, nachdem er auf seine Armbanduhr sah.

"Jetzt entspann dich mal. Ich bin nicht zu spät, nur später als du." Ich schlug ihm leicht gegen die Schulter und lachte.

"Es war ausgemacht, wir treffen uns halb vier", sagte er und verdrehte die Augen. "Chris wird schon warten." Und wie auf's Stichwort klopfte es auch schon an der Tür. Ich zog mir die Schuhe ganz in Ruhe an, und sagte, Chris würde das kurze Warten schon überleben. Kyle wirkte nicht gerade begeistert, aber das war mir egal.

Denn ich hatte es geschafft, seinen Namen auszusprechen, ohne, wie ein hirnloses Honigkuchenpferd zu grinsen. Als ich endlich fertig mit meinen Schuhen war, öffnete er die Tür und wir sahen einen Chris mit hochgezogenen Augenbrauen. Mit sexy hochgezogen Augenbrauen. Ich glaubte, ich fühlte mein Gesicht rot wie eine Tomate werden. Gar nicht gut.

"Es war ihre Schuld! Ich war schon vor zehn Minuten fertig", sagte Kyle und zeigte mit dem Finger nach hinten, als wir zu seinem Auto gingen. Ich warf Kyle einen bösen Blick zu, als er sich am Auto zu mir umdrehte, und nahm im Augenwinkel wahr, dass Chris mich höchst amüsiert anglotzte. Glotzte er eigentlich immer so? Ist mir bisher gar nicht aufgefallen. Aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein.

Bevor die Sache noch peinlicher für mich werden konnte, setzte ich mich schnell nach hinten und schnallte mich an. Chris setzte sich auf den Beifahrersitz, drehte sich nochmal nach hinten zu mir um und grinste mich frech an. Dann drehte er sich wieder nach vorn und schnallte sich auch an. Ein kurzer Seitenblick zu Kyle sagte mir, dass er davon nichts mitbekommen hatte. Ich lehnte mich zurück und starrte aus dem Fenster.

Kyle und Chris unterhielten sich darüber, ob sie vielleicht eine Band gründen wollten, da sie beide Gitarre spielten. Aber ich schaltete ab und konzentrierte mich lieber darauf, nicht wegen Chris' Geruch zu sabbern. Er roch wie immer nach seinem Duschgel und einem anderen Geruch, den ich nie ganz zuordnen konnte. Vermutlich war das einfach sein Eigengeruch, aber die ganze Sache bekam so etwas Mysteriöses.

"Erde an Kimberley. Hörst du mich? Hallo?", erschreckte mich Kyles Stimme. Scheiße, war ich wirklich so tief in Gedanken über Chris versunken, dass ich nicht gemerkt habe, wo wir mittlerweile waren? Wir standen vor Ashs Haus und sie stand mit verschränkten Armen davor. Sie sah irgendwie gar nicht glücklich aus. Was hatte sie denn nur wieder?

"Danke fürs mitnehmen, Kyle. Bis später, Chris." Ich stieg aus, drehte mich noch mal um und winkte den beiden zu. Da streckte Kyle seinen Kopf noch mal zum Fenster raus und sagte, er würde mich in drei Stunden wieder abholen. Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, da fuhr er auch schon wieder weg.

"Arschloch", murmelte Ash neben mir. Sie war schon seit der Grundschule meine beste Freundin und wir wollten nach dem High School Abschluss zusammen aus Dixon wegziehen. Allerdings glaubte ich nicht, dass ihre Eltern das erlaubt hätten. Ich umarmte meine beste Freundin und wir gingen zusammen ins Haus.

"Und?", fragte sie mich sofort, als wir in ihrem Zimmer ankamen.

"Was und?" Sie verdrehte die Augen und setzte sich auf ihr Prinzessinnenbett.

Es sah wirklich genauso aus, wie man sich das Bett einer Prinzessin vorstellte. Ein verschnörkeltes, goldenes Gestell und darauf eine riesige Matratze, die sich anfühlte, als würde man auf einer Wolke schlafen. Getoppt wurde das mit unzähligen Kissen und einem Vorhang um das Bett.

Generell hatte ihr Haus immer etwas von einem kleinen Schloss. Ein pinkes Schloss. Denn fast alles in diesem Haus, abgesehen natürlich von Ashd Zimmer, war pink und rosa. Das lag vermutlich daran, dass Ashley zur zweitreichsten Familie hier in Dixon gehörte und ihre Mom das ausnutzte, um sich wie eine Prinzessin zu fühlen. Ich habe nie ganz verstanden, was ihre Eltern beruflich machen, aber ich wollte es auch gar nicht wissen. Ich würde mich nur schlecht fühlen.

Meine Familie war nicht reich, aber wir waren auch nicht arm. Mein Vater Maxwell betrieb eine Autowerkstatt, die echt gut lief. Sein bester Freund und jahrelanger Angestellte Jonathan wurde vor ein paar Wochen Teilinhaber. Mein Bruder half dort auch öfter mal nach der Schule aus, aber ich durfte nie dort hin. Dad und Kyle hatten Angst davor, ich könnte die Jungs treffen, die dort arbeiteten, und mich in sie verlieben oder so. Ich wusste, dass sie mich nur beschützen wollten, aber es nervte trotzdem, dass sie mich von allen Jungs fernhalten wollte. Von allen außer Chris, zum Glück.

"Hat Chris irgendwas gesagt?" Konnte Ash meine Gedanken lesen und hat deswegen gerade nach ihm gefragt? Nein, das war unwahrscheinlich. Trotzdem war es gruselig, dass sie das genau in dem Moment fragte, in dem ich über ihn nachgedacht habe. Aber wann tat ich das schon nicht?

Also, hatte er denn etwas zu mir gesagt? Nein, er hatte sich doch nur mit Kyle unterhalten. Oder hatte er mich vielleicht doch etwas gefragt und ich blöde Kuh habe ihm nicht geantwortet? Oh Gott, hoffentlich nicht.

"Was soll er denn gesagt haben?", fragte ich.

"Keine Ahnung, du saßt doch mit ihm in einem Auto. Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen." Sie schlug mich mit einem ihrer gerüschten Kissen.

"Hey, was soll das denn?" Ich nahm selbst ein Kissen und schlug sie damit.

"Wenn ich nicht Informationen von dir wollte, würde ich jetzt zurückschlagen." Ich seufzte.

"Ich weiß. Aber es gibt wirklich nichts, das du mir aus der Nase ziehen könntest."

Ich glaubte, sie hatte mittlerweile einen Verdacht was meine Gefühle bezüglich Chris anging. Aber ich konnte es ihr einfach nicht sagen. Vielleicht ja irgendwann einmal, aber nicht jetzt. Irgendwie schaffte ich es dann, sie auf ein anderes Thema zu lenken und wir haben nicht mehr über Chris geredet, bis Kyle mich später abholte.

Make Me Believe Again - Knock Back 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt