Kapitel 3 - Dixon, Kalifornien

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Kims P.O.V. - vor elf Jahren

"Hey", sagte er mit einem Lächeln im Gesicht. Ich schluckte schwer. Endlich lag ich in seinen Armen. Es war zwar nur ein Versehen, aber trotzdem war es schön, seine starken Arme um mich herum zu spüren.

"Hey, w-was machst du denn hier?" Ich war nervös. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Er lachte, und ließ mich noch immer nicht los.

"Ich hab nur mit Kyle abgehangen, das weißt du doch. Aber hier bei dir ist es eigentlich viel besser. "Hatte er das gerade wirklich gesagt?! Ich schaute ihn mit großen Augen an. Ich muss mir das eingebildet haben.

"Was? Wirklich?" Wie sollte ich nur je wieder lebend hier rauskommen? Kyle konnte jeden Augenblick aus der Tür gestürmt kommen. Aber egal. Chris strich mir eine lose Strähne hinters Ohr und zog mich etwas näher zu sich. Sollte Kyle uns doch erwischen, das war es echt wert.

"Natürlich. Warum denn auch nicht?" Wollte er mich genau so sehr wie ich ihn? Wahrscheinlich nicht, ich war ja erst dreizehn. Ich musste mir das dringend zurück ins Gedächtnis rufen, und auch, dass ich die kleine Schwester seines besten Freundes war. Das konnte gar nicht gut ausgehen.

"Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Hatte einfach nicht damit gerechnet. Das ist alles." Das war mit Sicherheit nicht alles, aber egal. Ach, scheiß doch drauf. Ich würde es jetzt einfach versuchen.
Ich grinste ihn spitzbübisch an. Damit hatte er wohl nicht gerechnet.

"Sag mal", fing ich an und wickelte mir eine Strähne meiner  braunen Locken um den Finger. "Willst du jetzt eigentlich für immer hier rum stehen und Schwachsinn labern?" Oh mein Gott. Wo hatte ich nur plötzlich diesen Mut her? Hoffentlich verließ er mich nicht gleich wieder.

"Da hätte ich eigentlich nichts dagegen einzuwenden."Er grinste mich genauso an, wie ich ihn vorher. Hoffentlich machte ich jetzt nichts Dummes.

"Gibt es denn nichts, was du jetzt lieber machen würdest?" Ich sah zu ihm auf und ließ meine Hand von meinen Haaren auf seinen Brustkorb wandern. Er musste hart schlucken. Komm schon, küss mich endlich, du Idiot!

"Ähm, na ja ... da gäbe es schon etwas. Aber ich fürchte, das kann ich nicht tun."

"Tu es doch einfach." Was war denn nur plötzlich mit mir los? Das war total untypisch für mich, mich so zu verhalten. Und doch kam es mir bei Chris vollkommen natürlich vor.

Ich öffnete leicht meine Lippen und sah ihn wartend an. Machte man das so? Keine Ahnung. Ich kam mir vor wie eine Schlampe. Aber das war mir egal, schließlich war ich es für Chris. Er murmelte einen Fluch, holte tief Luft und beugte sich langsam zu mir runter. Er wollte mir die Gelegenheit geben, ihn abzuweisen. Eigentlich wollte ich das auf keinen Fall, aber ich wusste, er hätte es sich nie verziehen, wenn er mir diese Gelegenheit nicht gegeben hätte.

Doch ich hielt ihn nicht auf. Ich legte auch meine andere Hand auf seinen Brustkorb und schloss langsam die Augen. Oh mein Gott, ich würde ihn tatsächlich gleich küssen. Und das quasi vor den Augen meines Bruders, denn er konnte ja immer noch jeden Moment rausgestürmt kommen. Das war mir aber so egal. Gleich würden meine Lippen seine berühren, und ich konnte es kaum erwarten. Mann, war ich nervös. Das sollte immerhin mein erster Kuss sein. Und seiner hoffentlich auch, also durfte ich nichts vermasseln.

Er kam immer näher, bis ich schließlich seine Lippen auf meinen spüren konnte. Erst war er noch vorsichtig und zurückhaltend – wir beide waren das. Doch dann wurde er scheinbar mutiger und fuhr mir mit seiner Zunge über die Unterlippe. Ich musste nach Luft schnappen, und er nutzte das, um mit seiner Zunge in meinen Mund vorzudringen.

Meine Beine fühlten sich an, als wären sie aus Gummi, und ich konnte kaum noch atmen. Ich krallte mich in seinem Shirt fest und hoffte, dieser Moment würde ewig andauern. Es fühlte sich so an, als stünden wir bereits seit Stunden hier. Und doch waren es nur wenige Minuten, die wahrscheinlich mein Leben veränderten. Ein Mädchen wird sich immer an ihren ersten Kuss erinnern, und dieser hier war etwas ganz besonderes.

Plötzlich spürte ich etwas Hartes an meinem Bauch. Ich hatte zwar bereits davon gehört, wusste also, was das war. Aber ich konnte mir nie vorstellen, so etwas bei einem Jungen wie Chris hervorzurufen. Auf einmal hörte er auf, mich zu küssen, und ich fühlte eine komische Leere auf meinen prickelnden Lippen, wo eben noch seine waren. Hatte ich etwas falsch gemacht? Schwer atmend presste er seine Stirn gegen meine und sah mir in die Augen.

"Das war atemberaubend. Wirklich. " Er schien das tatsächlich ernst zu meinen.

"Warum hast du dann aufgehört?" Er lachte kurz und legte seine Hände um mein Gesicht. Dann sah er mich wieder total liebevoll an.

"Süße, es ging nicht anders, glaub mir. Ich würde gerne noch hier bleiben und die Sache hier weiter machen. Aber ich fürchte, jeden Moment kommt dein Bruder raus und wird mich verprügeln. Diesen Anblick würde ich dir gerne ersparen. Außerdem habe ich da noch ein anderes Problem." Meinte er etwa ...? Ich senkte meinen Kopf und sah zwischen uns runter. Er hatte tatsächlich eine Beule in der Hose. Ich schluckte schwer und sah ihm wieder in die Augen.

"Verdammt. Jetzt muss ich aber wirklich ganz schnell nach Hause und eine lange, heiße Dusche nehmen." Ich sah ihn fragend an und öffnete gerade meinen Mund, um zu antworten. Doch er drückte mir schnell nochmal seinen Mund auf meinen, leckte über meine Unterlippe und zog sich wieder zurück, bevor ich überhaupt richtig reagieren konnte. Er murmelte einen Fluch, schüttelte den Kopf und strich mir noch eine meiner Locken aus dem Gesicht.

"Ich muss jetzt wirklich los. Du bist einfach zu süß." Mit diesen Worten ließ er mich los und ging an mir vorbei. Bevor er die Straße überquerte, drehte er sich noch einmal um und lächelte mich an. Dann ging er endgültig in sein Haus.

Total glücklich und immer noch unfähig, mich zu bewegen, stand ich einfach eine Weile vor unserer Tür. Schließlich ging ich dann aber doch in mein Zimmer. Auf dem Weg dorthin, ist mir niemand begegnet. Vielleicht hatte Kyle ja doch nichts davon mitbekommen.

Am nächsten Morgen wachte ich überglücklich auf. Doch ich fragte mich, ob das vielleicht nur ein Traum gewesen war. Aber dafür hat es sich einfach zu real angefühlt und außerdem konnte ich noch seine Lippen spüren. Ich konnte es kaum erwarten, Chris wieder zu sehen. Auch, wenn ich nicht wusste, was dieser Kuss für uns bedeutete. Waren wir jetzt ein Paar?

Beim Frühstück war Kyle angespannter als sonst. Das lag wahrscheinlich nur am Umzug seines besten Freundes. Den ich gestern geküsst hatte. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass dieser Traum endlich wahr geworden ist. Kyle sagte die ganze Zeit über kein einziges Wort. Nicht mal ein 'Guten Morgen' bekam ich. Ob er gestern doch etwas gesehen hatte? Nein, da wäre er schon längst ausgeflippt.Aber was war es dann?

Die Tage vergingen und selbst zwei Wochen nach unserem Kuss habe ich weder etwas von Chris gehört, noch ihn gesehen. Langsam machte mir das zu schaffen. Er hat sich doch so süß verhalten. Warum hält er sich jetzt von mir fern?

Glücklicherweise habe ich Ash nichts davon erzählt, sie hätte sonst nur Terror gemacht. Und darauf konnte ich gut verzichten. Sehr gut sogar. Ich machte mir selbst schon genug Vorwürfe.

Ich hatte oft überlegt, Kyle einfach mal nach Chris zu fragen, aber das hätte nur Verdacht erweckt. Also ließ ich es bleiben. Obwohl ich am liebsten aus ihm ausgeprügelt hätte, ob Chris nach mir gefragt hätte. Aber vermutlich wollte ich die Antwort gar nicht hören. Hätte Chris wirklich etwas für mich empfunden, hätte er sich wieder bei mir gemeldet. Aber das hatte er nicht. Und ich dachte, wir hätten vielleicht eine Chance. Ich konnte nicht fassen, wie falsch ich doch lag.

Make Me Believe Again - Knock Back 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt