Es war dunkel. So dunkel. So dunkel, wie es dem Tod immer nachgesagt wurde.
Aber es war nicht still. Viele Stimmen schienen auf mich einzureden. Ich spürte, wie jemand meine Hand berührte, meinen Puls nahm.
Ich verstand es nicht. Ich weiß nicht, was ich damals dachte, aber ich hatte keine Angst mehr. Hatte ich überhaupt jemals Angst gehabt? Ich wusste es schon nicht mehr.
Die Stimmen wollten einfach nicht schweigen. Unerlässlich redeten sie und plötzlich... Plötzlich spürte ich noch etwas anderes. Schmerz. Ein ungeheurer Schmerz zuckte durch meinen Körper, ergriff meine Gliedmaßen, kroch über meine Haut und brannte sich in mein Hirn ein. Ich öffnete den Mund, aber ich konnte nicht schreien. Ich war gefangen, gefangen in mir selbst, in meinem Kopf. Ich wollte meine Fäuste ballen, ich wollte schreien, ich wollte weglaufen, mich verstecken, aber ich konnte es nicht. Ich war gefangen.
Es war dunkel. So dunkel. So dunkel, wie es dem Tod immer nachgesagt wurde. Aber noch war ich nicht tot, ich verstand es. Ich war es nur fast. Irgendetwas zerrte an mir. Man versuchte mich am Leben zu halten. Es funktionierte nicht. Ein stetiges Piepen zerrte an meinen Nerven. Ein Krankenhaus? Warum um alles in der Welt sollte jemand versuchen, ausgerechnet mein Leben zu retten? Das war es nicht wert, zumindest, wenn man anderen Leuten glauben konnte. Ich hoffte nur, dass meine Vertrauten es geschafft hatten, meine Wünsche und meine Pläne zu finden und sie für mich auszuführen. Ich konnte es ja jetzt nicht mehr.
Ich wollte nur noch schlafen, nichts anderes mehr. Nur noch schlafen, für immer meine Ruhe, nicht mehr diese verdammten Menschen sehen. Aber das bedeutete auch, dass ich meine Arbeit im Stich lassen musste. Zugegeben, ich hatte nicht damit gerechnet, so bald abzutreten, ich hatte noch einige Pläne gehabt. Auch fragte ich mich, wie es so weit hatte kommen können. Wieso lag ich hier? Ich wusste es nicht. Ich wusste es einfach nicht. Aber ich wollte mich nicht länger festklammern.
"Zieht die Stecker. Er wird so oder so nicht überleben. Es wäre nur unnötig grausam, ihn so zu lassen."
Ein leises Rascheln.
Stille.
Die Stimmen schwiegen.
Ein penetrantes, durchgängiges Piepen, wie ein Sinuston, nahm den Platz der nicht enden wollenden Stimmen ein, die sich nun doch dazu entschieden hatten, zu schweigen.
Ich spürte, wie ich langsam aber sicher abglitt, wie ich den Halt verlor, hinabsank. Nichts hielt mich mehr hier. Ich war frei, endlich frei. Alle Sorgen schienen unbegründet. Warum lag ich hier? Ich hatte es vergessen. Ich hatte alles vergessen.
Ich ließ los.
Polizeibericht Alastair Johnson, 24. Februar 2016
Andrew Hughes wurde in seiner Zelle gefunden, er hat es irgendwie geschafft, sich mit seinem Bettzeug am Fenster zu erhängen. Das Personal schaffte es, ihn in ein Krankenhaus zu bringen, wo er am 23. Februar diesen Jahres um 16:59 Uhr starb. Seine Leiche verschwand jedoch spurlos, eine Beerdigung ist demnach nicht möglich.
Zeitungsartikel, Velvet News, 25. Februar 2016
Der bis vor kurzem nur in der Untergrundszene bekannte Massenmörder und Menschenhändler Andrew Hughes verstarb vor wenigen Tagen in der Notaufnahme des Bright Times Hospitals. Wer sich noch an den Vorfall letzten Jahres erinnert, an dem die mittlerweile stadtbekannte Hütte gegenüber des Altolysees niederbrannte, wird sich an den Verstorbenen erinnern und an die vielen Leichen, die er zurückließ. Aussagen der Polizei nach zu folgen erhängte sich der Mörder in seiner Zelle mit seiner Bettwäsche. Angestellte fanden ihn kurz bevor es zu spät gewesen wäre. Doch keine zwei Stunden später verstarb er, nachdem die Geräte abgestellt wurden. Als Begründung gibt Polizeichef Alastair Johnson an, dass es keinen Sinn gehabt hätte, ihn weiter am Leben zu halten, da die Angestellten ihn zu spät gefunden hätten. Er wäre einen langen Tod gestorben, es wäre nur menschlich gewesen, die Geräte vorzeitig abzustellen.
Kommentare lassen verlauten, dass nicht jeder mit dieser Aussage einverstanden ist. Mörder, wertloses Monster. So wird Andrew Hughes von den Angehörigen seiner Opfer betitelt. Natürlich ist diese Wut verständlich, aber sollte man nicht versuchen, besser zu sein, als die, die so gehasst werden?
Blogeintrag, 25. Februar 2016, sinclair89
Der Mörder ist jetzt also tot. Aber wurde überhaut erwähnt, dass seine Leiche verschwunden ist? Denken wir an den Tag mit der Hütte am Altolysee zurück: Es wurden viele Leichen gefunden, aber nicht die von Hughes' Bruder Lucas - besser bekannt als Skiplaw. Und kurze Zeit darauf findet man einen Polizisten ermordet an der Hütte? Das ist doch kein Zufall, oder? Ich meine, es gibt so viel, das für Skiplaws Überleben spricht... wer sagt denn, dass er es nicht war, der die Leiche von Hughes genau drei Stunden nach dem offiziellen Festlegen des Todeszeitpunktes durch die Mediziner hat verschwinden lassen?
Kommentare:
susanbexter: Ernsthaft? Ich lese nur noch davon in letzter Zeit... passiert nicht genug andere Scheiße in der Welt? Muss man sich jetzt daran aufgeilen? Was geht nur mit euch schief?
rose71: Nicht gleich beleidigend werden... Einige interessiert es, andere nicht. Mich würde schon interessieren, was aus den beiden und vor allem aus Skiplaw geworden ist
villain: Das werden wir wohl spätestens dann erfahren, wenn etwas passiert. Aber hat denn niemand etwas mitbekommen? Ich meine, Skiplaw wird ja wohl kaum durch Wände gehen können... entweder das Personal wurde geschmiert oder sonst was ist schief gelaufen
susanbexter: Ich hoffe, dass man diese Psychopathen rechtzeitig findet.
Skiplaw schreibt...
DU LIEST GERADE
Dolls Innocence | #wingaward2019 #yellowaward2019 ✔
Mystery / ThrillerWIRD ÜBERARBEITET. Gewinner Golden Book Awards 2018 1. Platz beim "Gold Award 2019" in der Kategorie "Horror" 2. Platz beim "Toria Award 2019" in der Kategorie "Krimi/Thriller" Manchmal spielt das Leben einem übler mit als man denkt. Zum Beispiel je...