Oneshot, der versucht, Toni zum Weinen zu bringen 2.0

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Pov Toni

60 Jahre. 60 wunderschöne Jahre unserer Beziehung hatten wir nun hinter uns und der Gedanke daran, dass es in Kürze vorbei sein würde, raubte mir jegliche positive Emotion. Kraftlos, mit eingefallenen Wangen und dunklen Augenringen lag Nia in seinem Bett. Bereits seit Wochen ging es ihm gesundheitlich nicht mehr gut und es lag unausgesprochen in der Luft, dass sein Ende nahte. Wir wussten es beide, und doch traute sich keiner von uns, es anzusprechen. Fürsorglich hielt ich, wie jeden Tag, seine faltige Hand und streichelte sanft mit meinem Daumen darüber. Ein erschöpftes Lächeln schlich sich auf Nias Lippen und ich spürte einen schwachen Druck an meiner Hand. Leicht gequält erwiderte ich das Lächeln und versuchte, mir die Angst nicht zu sehr anmerken zu lassen. Schweigend musterte ich sein Gesicht, welches trotz der vielen Falten und der chronischen Müdigkeit, ein wunderschönes Bild abgab. Erinnerungen stiegen bei seinem Anblick in mein Gedächtnis und holten mich unbewusst zurück in die Vergangenheit. 60 Jahre. In 60 Jahren passierte so viel, dass ich wahrscheinlich nicht mal mehr die Hälfte aller Ereignisse in meinem Kopf abrufen konnte, doch die schönsten Momente würden wohl immer in meiner Erinnerung bleiben. Wie er mir damals, 25 war er gewesen, eines Abends seine Liebe gestanden hatte. Ich erinnere mich noch genau daran. Mit geschlossenen Augen konzentrierte ich mich ganz auf meine Gedanken. Es war ein warmer Sommerabend und wir waren bis nachts auf dem kleinen Balkon unserer Wg gesessen und hatten einfach über alles Mögliche geredet. Die Sterne schienen auf uns herab, es war Vollmond und man hörte das leise Zirpen der Grillen. Alles in allem das perfekte Szenario, welches Nia durch seine Tat noch um einiges perfekter gemacht hatte. Ich dachte damals, man könne ‚perfekt' nicht steigern, aber Nia zeigte mir, dass er es konnte. Wir hatten ein paar Minuten geschwiegen und die abendliche Ruhe in Kombination mit der lauen Sommerwärme genossen, als er mit leiser Stimme zu sprechen begann „Toni? Kann ich dir etwas sagen?" „Natürlich." Ein leicht nervöses Händeringen seinerseits und ein aufmunternder Blick von mir. „Also.. ich will nicht groß drum herum reden.." Er seufzte kurz auf. „Ich glaube.. ich habe mich in dich verliebt." Überrascht sah ich ihn an, während er nervös den Blick gesenkt hielt. Ohne große Worte ging ich einfach auf ihn zu und umarmte ihn fest. Ich hatte mir nie wirklich Gedanken gemacht, was ich für ihn fühlte, für mich war es bisher immer eine platonische Freundschaft gewesen. Nicht, dass ich Nia nicht liebte, aber liebte ich ihn auch auf einer Beziehungsebene? „Tut mir leid, Toni." flüsterte Nia und klammerte sich an mich, was mich allerdings kein bisschen störte. „Das muss dir doch nicht leid tun.. Es ist okay." Es wäre wohl ein relativ normaler Abend geblieben, hätte Nia in diesem Moment nicht diese eine, ganz bestimmte Entscheidung getroffen. Ohne große Umschweife flüsterte er schüchtern „Darf ich dich küssen?" Vier Wörter, die mich in diesem Moment ziemlich aus der Bahn warfen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dennoch fand ich den Gedanken daran nicht gerade abstoßend. Ich dachte nicht mehr nach, was ich tat und nickte einfach. Dieser Kuss war es, der dem Abend seine unschlagbare Perfektion verlieh. Wie sich seine vollen Lippen das erste Mal so sanft und schüchtern gegen meine bewegten, wie sich meine Hände einen Weg in seine Haare bahnten und er sanft über meine Wange strich. Alles kam zusammen und mischte sich zu einem perfekten Glücksgefühl zusammen, welches bis heute nicht verschwunden war.

Ein leises Räuspern riss mich aus meinen Erinnerungen und ließ meinen Blick zu meinem Geliebten schweifen. Ein schwaches „Toni?" erklang aus seinem Mund. Fürsorglich streichelte ich weiter über seine Hand. „Ja?" „Ich denke, wir wissen beide, dass ich nicht mehr lange habe, oder?" Seine Stimme klang kraftlos und ermüdet. Ein Stechen machte sich bei seinen Worten in meiner Brust breit und ich brachte kein Wort heraus, weshalb ich ihm meine Zustimmung nur durch ein schwaches Nicken zeigte. „Ich muss dir noch etwas sagen, bevor ich gehen kann." Aufmerksam lauschte ich seinen Worten. „Alles was du willst." erwiderte ich leicht lächelnd. Mit brüchiger Stimme begann er „Ich.. muss dir nur sagen, wie sehr ich dich liebe. Und ich danke dir. Ich danke dir für alles, was du für mich getan hast. Seit 60 Jahren sind wir in einer Beziehung und während dieser 60 Jahre warst du immer, wirklich jedes einzelne Mal, wenn ich dich gebraucht habe, für mich da. Wenn ich vor irgendetwas Angst hatte, hast du mir Mut gemacht, wenn ich traurig war hast du mich aufgemuntert, selbst in meinen schwersten Zeiten, als ich nur abgeblockt und dich vernachlässigt habe, hast du alles für mich getan. Du bist so ein guter Mensch und ich danke dir einfach. Es ist wirklich das Beste, was mir passieren konnte, dass ich mein Leben mit dir verbringen durfte und auch wenn wir unsere Tiefen hatten, habe ich dich immer geliebt und liebe dich immer noch genauso, wie am ersten Tag. Du hattest es nicht immer einfach mit mir, aber trotzdem hast du mich nie verlassen, und gerade jetzt, wo ich kurz vor meinem Tod, als alter Mann in meinem Bett liege, bist du immer noch bei mir. Ich liebe dich, Toni Pirosa, und egal, wo ich jetzt hinkommen werde, ich werde dich bis in alle Ewigkeit lieben." Ich konnte nicht verhindern, dass mir bei seinen Worten Tränen in die Augen stiegen. Eine Mischung aus inniger Liebe und Trauer machte sich in mir breit und vereinzelte Tränen flossen meine Wange hinab. Flüsternd brachte ich heraus „Das war wunderschön, Nia. Ich liebe dich so sehr, ich will dich nicht gehen lassen." Ein stechender Schmerz setzte sich tief in meinem Herzen fest und schien nicht die Absicht zu haben, schnell wieder zu verschwinden. Ich biss mir auf die Unterlippe, um die Tränen zurückzuhalten, da ich nicht wollte, dass Nia mich zuletzt traurig sah, was allerdings nicht besonders lange half und ich schluchzte unterdrückt auf. „Geh nicht, Nia. Bitte!" Verzweifelt klammerte ich mich an seiner Hand fest und legte mich vorsichtig, um ihm nicht noch mehr körperliche Leiden zu bereiten, auf seine Brust. „Ich will nicht gehen, Toni, aber ich muss. Ich liebe dich." „Nein, nein, nein!" schluchzend hielt ich seinen Körper fest, ehe ich spürte, dass auch der letzte, schwache Griff um meine Hand nachließ und ich mit von Tränen verschwommener Sicht sah, dass sein Kopf leblos zur Seite sackte. Ich atmete unregelmäßig und schluchzte immer wieder auf. Ich realisierte kaum, dass ich nie wieder in seine tiefen, blauen Augen blicken konnte, dass ich nie wieder seine liebvollen Küsse und seine zärtlichen Berührungen spüren würde. Kein einziges Wort mit seiner beruhigenden Stimme mehr, kein einziger Ton, gespielt auf seiner Gitarre, welche er schon seit Jahren besaß, nie wieder eine seiner tröstenden Umarmungen. Nie wieder Nia.

Youtuber Oneshots (Tonia, Jublali, Jandre u.a.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt