#tonia Oneshot

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Pov Toni

Neugierig hielt ich die kleine Truhe, welche mir ein älterer Mann einfach so auf der Straße gegeben hatte, in meinen Händen. Wobei, gegeben wohl das falsche Wort dafür ist. Eher einfach in die Hand gedrückt. „Pass gut darauf auf, Junge. Ich sehe an dir, dass du der Richtige dafür bist. Du darfst sie öffnen, aber erst, wenn du alleine bist und dich niemand stören kann." hatte er gemeint und mich durchdringend aus seinen dunklen, schon fast schwarzen Augen gemustert. Seine weißen Haare waren von einem Hut bedeckt und er fuhr sich nachdenklich durch den weißen Vollbart, ehe er einen letzten melancholischen Blick auf die Truhe warf. Sie war gerade mal so groß, dass sie eine meiner Handflächen ausfüllte und war mit zarten goldenen Elementen verziert. Filigrane Blumenranken aus Gold, ich wusste jedoch nicht, ob es echtes Gold war, rankten sich um die hölzerne Truhe, was ihr einen edlen Eindruck verlieh. Irgendetwas in mir fühlte eine gewisse Ehrfurcht des kleinen Gefäßes gegenüber, und auch wenn es nur eine kleine, hölzerne Truhe war, spürte ich, dass diese etwas Besonderes sein musste. Vielleicht täuschte ich mich auch, und es war einfach nur eine stinknormale Truhe, die mir der Mann nur aus Lust und Laune gegeben hatte. Wahrscheinlich sollte ich sie endlich öffnen, anstatt mir Ewigkeiten Gedanken darüber zu machen. Inzwischen saß ich mutterseelenallein im Schlafzimmer meiner Wohnung auf dem Boden und hielt, immer noch etwas unsicher, die kleine Truhe in meinen Händen. Irgendwann siegte jedoch die Neugierde über die Vorsicht und ich klappte den goldenen Verschluss vorsichtig, um auch ja nichts kaputt zu machen, auf. Mit einer langsamen Bewegung öffnete ich endlich die Truhe und konnte meinen Augen kaum trauen, als ich erblickte, was diese in sich barg. Auf rotem Samt lag eine kleine Figur mit geschlossenen Augen und schien, als würde sie schlafen. Nichts wirklich besonderes normalerweise, es schien wie ein einfaches Modell eines jungen Mannes mit blauen Haaren, doch nach genauerem Hinsehen konnte ich tatsächlich ruhiges Atmen erkennen. Verwirrt kniff ich die Augen zusammen und hob die geöffnete Truhe näher an mein Gesicht, um den Inhalt genauer zu betrachten. Eigentlich sah die Figur wie ein ganz normaler Mensch aus. Normaler Körper, schwarze Hose und ein schwarzer Hoodie, sogar winzige Schuhe trug das kleine Wesen. Mein Blick wanderte zu seinem Gesicht, wo mir als erstes die vollen, leicht geöffneten Lippen auffielen. Die blauen Haare umrandeten das hübsche Gesicht. Der Brustkorb hob und senkte sich ruhig und regelmäßig. Sollte ich ihn schlafen lassen? Und wieso war das meine einzige Frage im Moment? Warum hatte der Mann mir dieses kleine Wesen hier gegeben? Was hatte er noch gleich gesagt? Ich wäre der Richtige dafür und solle gut darauf aufpassen? Hieß das, ich soll für ihn, dessen Namen ich nicht einmal kannte, sorgen? Ehe ich mir weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte, hörte ich ein leises Gähnen, woraufhin mein Blick sofort zu dem Mann vor mir huschte. Dieser hatte gerade seine Augen geöffnet und streckte sich gähnend. Fasziniert musterte ich die klaren, blauen Augen, welche mich sofort in ihren Bann zogen. Er schien die Situation noch nicht ganz zu realisieren, da er keine Reaktion auf mich zeigte. Erst nach ein paar Augenblicken wanderte sein Blick zu mir und er fragte freundlich „Bist du ein Lehrling meines Meisters?" Er schien kein Bisschen überrascht oder sonstiges. Sein Meister? Etwas überfordert blickte ich ihn an. „Also.. ich.. äh.. ein Mann mit weißem Bart hat mir auf der Straße diese Truhe gegeben. Er meinte nur, dass ich gut darauf aufpassen soll und angeblich der richtige dafür wäre. Ach so und mein Name ist übrigens Toni." brachte ich heraus und konnte endlich eine Reaktion im Gesicht des Kleinen erkennen. Überraschung aber auch Enttäuschung machte sich darin breit. Ohne etwas zu erwidern ließ er sich rücklings, mit ausgebreiteten Armen auf den Samtbezug fallen und starrte in die Luft. „Was ist denn los? fragte ich mit leichter Besorgnis in der Stimme, worauf der Blauhaarige mit einem Seufzen antwortete „Er hat schon angedeutet, dass er langsam zu alt ist, um sich um mich zu kümmern, aber ich hätte nie gedacht, dass er mich tatsächlich weggeben würde." „War der Mann mit dem weißen Bart dein Meister?" fragte ich ihn und er nickte. „Er hat sich um mich gekümmert, seit ich ein Baby war." „Also.. ehrlich gesagt, verstehe ich die ganze Situation nicht ganz. Wer oder was bist du? Ein Mensch? Wie heißt du überhaupt?" „Oh entschuldige, wie unhöflich von mir. Ich heiße Nia Cavaon, bin 25 Jahre alt und bin ein Mensch mit, sagen wir.. speziellen Fähigkeiten. Du siehst ja bereits, dass ich ganz normal aussehe, nur eben in Miniaturform. Ich habe die Fähigkeit, mich auch in ganz normale Menschenform zu verwandeln, aber ich bleibe meistens in dieser Form, weil ich mich so besser vor denen, die mir Schaden zufügen wollen, verstecken kann." „Wer will dir denn Schaden zufügen?" fragte ich erstaunt. „Naja, wie du siehst, bin ich kein normaler Mensch und es gibt einerseits viele Wissenschaftler, die von meiner Existenz erfahren haben, außerdem natürlich viele, die ganz genau wissen, dass sie durch mich auf dem Schwarzmarkt viel Geld machen könnten. Sicher war ich eigentlich noch nie." Den letzten Satz sagte er mit einem Lachen, als würde es ihm kaum etwas ausmachen, so in Gefahr zu leben. „Allerdings hat es mir nie etwas ausgemacht, weil ich meinen Meister hatte, der mich immer beschützt hat. Er war wie ein Vater für mich. Ich weiß, er hat mich nicht aus böswilliger Absicht weggeben. Er wollte immer nur das Beste für mich." „Heißt das, ich soll dich beschützen?" Fragend sah ich ihn an. „Ich kann dich nicht dazu zwingen. Du scheinst mir im Moment sowieso etwas überfordert. Soll ich mich in meine Menschenform verwandeln? Ich denke dann können wir besser reden." „Ja, das wäre nicht schlecht." antwortete ich mit einem Lächeln, froh über seine Zuvorkommenheit und sein Verständnis. Vorsichtig stellte ich Truhe auf den Boden, woraufhin er mit einer geschickten Bewegung aus der Truhe kletterte und sich auf den Boden neben mich stellte. Schweigend schloss er die Augen und schien, sich zu konzentrieren. Gespannt beobachtete ich ihn und sah, wie er langsam immer größer wurde. Fasziniert betrachtete ich die Verwandlung, bis er irgendwann in normaler Menschengröße vor mir stand; er war sogar wenige Zentimeter größer als ich. „Wow." murmelte ich und musterte ihn von oben bis unten. Er grinste nur und setzte sich neben mich auf den Boden. „Das ist zu krass. Darf ich dich bitte kurz berühren, um zu sehen, ob das überhaupt real ist?" Er lachte auf. „Klar." Langsam hob ich meine Hand und strich vorsichtig, als wäre er aus Glas, über seinen Arm. „Du musst nicht so vorsichtig sein. Ich bin ein ganz normaler Mensch, du kannst mich genauso berühren wie jeden sonst. Nur wenn ich in meiner Miniaturform bin, solltest du mich vielleicht nicht unbedingt umarmen oder so, weil ich sonst zerquetscht werde." sagte er mit einem Lachen. „Dann werde ich da vorsichtig sein." grinste ich und fragte dann „Sag mal, willst du mir eigentlich noch deine Geschichte erzählen? Ich denke, dann wird das alles etwas verständlicher für mich." „Das werde ich noch. Aber jetzt bin ich zu müde, es ist schon spät." erwiderte er und stand auf, um sich kurz darauf auf mein Bett fallen zu lassen. „Macht es dir etwas aus, wenn ich in dieser Form bleibe über Nacht? Ich bin eigentlich viel lieber in dieser normalen Größe, nur wie gesagt, du weißt warum ich mich versteckt halten muss." Hieß das, er wollte in einem Bett mit mir schlafen? Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde, aber wäre es in Ordnung für ihn? „Worauf wartest du noch?" fragte er und klopfte mit einer Hand neben sich auf die Matratze, um mir zu signalisieren, ich solle mich neben ihn legen. Ohne weiter darüber nachzudenken, zog ich meine Hose und mein Shirt aus und legte mich neben ihn. Er hatte sein Shirt ebenfalls ausgezogen und neben das Bett gelegt. Mit einer etwas umständlichen Handbewegung schaltete ich die kleine Nachttischlampe aus und kuschelte mich in die Decke. Nia lag relativ nah neben mir, da die Decke nicht besonders groß war, allerdings genoss ich es irgendwie, mal wieder jemanden neben mir zu haben und nicht mehr alleine einzuschlafen und aufzuwachen. Wann hatte ich meine letzte Freundin gehabt? Es musste schon mindestens zwei Jahre her sein. „Toni?" riss mich Nias leise Stimme aus meinen Gedanken. „Ja?" antwortete ich und drehte mich um, sodass ich, soweit das in der Dunkelheit möglich war, in seine Augen blicken konnte. „Ich hab' Angst." murmelte er und senkte betreten den Blick. „Warum?" fragte ich nach, obwohl ich es mir eigentlich schon denken konnte. „Mein Meister ist nicht mehr da. Er wird mich nicht mehr beschützen können. Natürlich vermisse ich ihn auch, er war wie ein Vater für mich. Ich meine, ich bin jetzt auf mich alleine gestellt, das war ich noch nie. Ich will dich auch nicht belasten oder so, deswegen wäre es denke ich besser, wenn ich wieder gehen würde." Überrascht sah ich ihn an. Dass er wegen den Menschen dort draußen Angst hatte, hätte ich mir denken können, doch dass er mich nicht belasten und einfach gehen wollte? „Nein. Bitte mach dir keine Sorgen, ich will nicht, dass du gehst. Es ist schön, mal wieder Gesellschaft um sich herum zu haben. Du bist nicht auf dich allein gestellt, ich bin für dich da." versuchte ich, ihn zu beruhigen. Nachdenklich musterten seine Blicke mich. „Wieso bist du so nett und fürsorglich zu mir, obwohl du mich gar nicht kennst? Mein Meister hat immer gesagt, Menschen wären grausam und ich solle niemandem vertrauen, weil die meisten der Menschen nur für ihr eigenes Wohl sorgen. Meinst du das wirklich so, dass du für mich da bist?" wollte er wissen und blickte mich fragend an. „Dein Meister hat Recht. Es gibt viele schlechte Menschen, aber bitte glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich keiner davon bin. Vielleicht wusste dein Meister das und hat mich deshalb ausgewählt. Ich weiß auch nicht, aber irgendetwas an dir fasziniert mich. Obwohl ich dich nicht mal wirklich kenne, bist du mir wichtig und ich habe das Bedürfnis, dich zu beschützen." „Also hat mein Meister wirklich den richtigen ausgesucht." lächelte er. „Ich weiß nicht, ob ich dem gewachsen bin, aber ich gebe mein Bestes." antwortete ich, ebenfalls lächelnd. „Danke." flüsterte er und rückte ein Stück näher an mich heran. Etwas unsicher legte er seine Arme um meinen Körper und platzierte seinen Kopf auf meiner Brust. Er schien so klein und zerbrechlich, wie er dort in meinen Armen lag und innerlich versprach ich mir, ihn mit meinem Leben zu beschützen.

Youtuber Oneshots (Tonia, Jublali, Jandre u.a.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt