Durch den Spiegel

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Die Kugel an ihrem Bauch war ein Resultat einer Verführung. Hätte sie damit gerechnet schwanger zu werden hätte sie es verhindert. Aber sie wusste es nicht, sie konnte es nicht verhindern, sie würde dieses Kind auch nie aufziehen. Sie holte einen Korb, es war in der Nacht, Niemand hatte sie gesehen, seit Monaten nicht. Sie hatte die Zeit eingefrohren, alle Erinnerungen gelöscht, sie konnte dies, weil sie von dem Fluch verzehrt wurde. Er nötigte sie zur Tat, ein Herz, das war ihr Fremd, genauso wie die Liebe, sie hatte sie nie empfunden. Ihre Hülle färbte sich immer mehr zu blau, einem Indigoblau, sie war fast transparent, eine Eisskulptur. Dieses Kind nahm ihr die Energie, die Macht, alles. Sie wollte es loswerden. Im Sonnenlicht konnte sie es durch ihren Bauch schimmern sehen, sie wirkte wie Glas, so zerbrechlich. Authessa, so würden ihre Eltern sie nennen, es würde noch dauern bis sie zur Welt kam, möglicherweise war die Königin dann nicht mehr am Leben. Sie fühlte an den Bauch und spürte ihre Tritte, ein Mädchen. Das Empirekleid, welches sie von ihrem Liebhaber aus dem 18. Jahrhundert bekam, war das Einzige, das ihr noch passte. Wie auch viele vor ihm sind alle schon unter der Erde.

Sie hatte im Mittelalter angefangen, geboren wurde sie am 11. November 1200. Demnach, war sie schon sehr alt, aber eigentlich wirkte sie wie eine Frau die 18 Jahre war. Mit 18 Jahren hatte sie diesen Fluch bekommen, von einer Hexe, sie hatte sie verflucht, weil sie aus ihrem Garten Rapunzelkraut gestohlen hatte. ,,Du und dein erstgeborenes Kind, werden auf Ewig mir gehören und du wirst nie wieder Leben!'', hatte sie geschrien. Sie hörte nicht darauf, dachte es wäre nur Altweibergeschwätz. Ihre Mutter wurde nach ein paar Monaten krank, sie verstarb im Kindbettfieber. Danach hatte Agathe beschlossen alles hinter sich zu lassen, sie benannte ihren Namen um und streifte durch die Welt. Eines Tages entdeckte sie die Alte wieder, eingesperrt in einer Zelle wurde sie gefoltert. Sie war schon halb tot, als ihr die Alte ein Angebot nahe legte. Sie willigte ohne genau zu wissen, was sie erwarten würde, ein. Die Königin legte sich nieder, sie wollte nicht mehr an die Geschehnisse von damals denken. Um sie herum war es eisigkalt, ein Wind wehte und verursachte bei ihr eine Gänsehaut. Sie horchte auf und griff nach dem Boden. Sie fühlte das es knirschte, Schnee, sie war in einer Schneelandschaft. Alles uneben und glatt, bei der Ertastung schnitt sie etwas spitzes, kegelgörmiges. Voller Schmerzen schreckte sie hoch und riss ihre Augen auf. In ihrer linken Hand steckte ein Eiszapfen. Ihre Knie hatte sie zu sich gezogen, um sich Wärme zu geben, aber sie waren schon so klamm und taub, es war wie eine Eisfläche. Sie hielt das Brennen nicht mehr stand, mit ihrer rechten Hand zog sie ihn raus, er zersplitterte an der Felswand. Sie hatte keine Schuhe, die Frostbeulen an ihrem Körper schmerzten. Wielange sie wohl so da lag, eine Ewigkeit, zu den tauben Füßen und der rauen Lippe hatte sich auch noch ihr Handgelenk zerschmettert. Fast schien es, als wäre sie von den Klippen gefallen und hätte sich aufgeschürft. Als sie versuchte das Gelenk zu bewegen, knirschte es genauso wie der Schnee. Sie lehnte sich gegen den Felsen. Etwas Warmes tropfte auf den Boden, sie wurde panisch und tastete ihren Körper ab, es war nichts. Es färbte alles in Rosatönen, sie blickte hinauf, dann sah sie das Licht, es hüllte sie ein.

Die Königin erwachte in ihrem Bett und fühlte wie eine Nässe aus ihr hinaus ronn. Sie wusste nicht was sie tun sollte, es war kein Schmerz, es war ein ziehen. Sie legte ihre Hand an ihren Bauch und griff hastig zurück, an ihrer Hand klebte Blut. Sie schrie auf und starrte an die Flecken an ihrer Hand. Blaue Tropfen glitten auf den Boden. Sie hob die Decke an und warf die sie zurück, sie schrie erneut. Ihre Bauchdecke war aufgeschnitten worden, wie bei einem Kaiserschnitt. Das Blut quoll aus ihr wie ein Rinsal. An dem Rand des Schnittes waren Brandmuster zu sehen, Fingerabdrücke und Brandwunden. Sie legte ihre Hand auf die Wunden und vereiste sie wieder. Das blaue Blut sog sich mit ihrer Decke voll, diese war auf dem Boden gelandet. Sie schrie auf als sie merkte, dass ihr Kind fort war. Sie stolperte aus dem Bett, durch den enormen Blutverlust stürzte sie auf den Betonboden. Sie presste ihre Hand gegen den Bauch. Ein schwarzer Umhang tauchte vor ihren Augenwinkeln auf. ,,Sie ist mein!'', die Alte hatte sich ihr Kind geholt, die Königin mit einem heißen Messer den Bauch aufgeschnitten. ,,Was machst du mit ihr?'' ,,Ich bringe sie zu einem besseren Ort, du hättest sie sowieso umgebracht!'' Sie öfffnete einen Spiegel und verschwand mit dem Kind. ,,Nein!'', sie schrie und versuchte den Zipfel von der Alten zu greifen. Sie war aber schon längst verschwunden, hinter die Mauer aus Eis und Kälte. Sie drehte sich auf den Rücken, Schluchzer entfuhren ihr. Außer Kraft ließ sie ihre Hand los und lag jetzt ganz bewegungslos und tot da. Sie schloß die Augen, in diesem Moment wünschte sie sich nur eines, sie könnte sterben, ihr Herz schlug schon lange nicht mehr, aber ohne konnte sie auch nicht leben. Es bestand nicht mehr aus Muskeln und Blut sondern aus Eis und Frost. Sie war gegen Kälte imun, sie war eine Frau die Kälte umwog und die Eis und Frost beherrschte, sie wollte den Fluch loswerden. Dieser Gedanke, der würde leicht zum Umsetzen sein, sie würde das tun was die Alte zu ihr gesagt hatte.

,,Es gibt nur einen Weg dich zu töten, du musst dir dein Herz herausschneiden!'' ,,Aber.... ich habe doch keines mehr!'', antwortete sie in dem Turmzimmer. ,,Trotzdem, ohne diesen Platzhalter bist du nicht fähig zu leben!'' ,,Ich lebe noch, aber wie kann das sein, ich bin doch tot!'' Die Alte lachte laut auf: ,,Nur weil du nicht mehr atmest und kein Herz mehr hast, welches einer Vorstellung, eines Menschen entspricht, heißt es nicht, das du nicht lebst, du bist untot!'' Sie erhob sich und kramte nach einem Messer in ihrer Manteltasche, sie fand einen Dolch: ,,Hier, vielleicht willst du ihn eines Tages verwenden!'' ,,Das wird nie passieren!'', sie höhnte und richtete sich auf wie eine Königin, sie war ja auch eine Königin. ,,Ach, das glaubst du nur, wenn alle Menschen die dich lieben tot sind, dann wirst du ihn benutzen!'', sie lächelte kalt, ,,Lebt wohl Königin Eyew!'' Sie stieg durch ihren Spiegel, so war sie auch gekommen. Dieser knallte zu Boden und zersplitterte. Er war nur noch Handspiegelgroß. Weey hob ihn auf und steckte ihn in ihre Komode, sie bestand aus Kristallen und Eisen. Generel bestand ihr Zimmer nur aus Eis und Frost, sie fühlte sich in ihm so wohl und geborgen.

Sie würde jetzt endlich dem Fluch ein Ende bereiten und sich selbst. Jetzt hatte sie wirklich Niemandem mehr, der sie lieben könnte, Reet, er war verschwunden, er hatte sie verlassen. Ihr Kind, es war ungewollt, dennoch fühlte sie eine Leere, aber diese wurde schneller von Hass überwogen. Nur dank dieses Kindes hatte sie alle Schwierigkeiten meistern müssen, welche es gab. Sie schrie erneut auf, sie war so wütend auf Reet und sich selbst. Wäre er geblieben, dann hätte sie eine echte Familie gründen können. Aber er hatte sich für eine Andere entschieden, eine aus der zweiten Generation der Blutmenschen.

Stunden vergingen, es wurde langsam Morgen und die Scheiben glitzerten. Sie hatte Angst, sie hielt das Messer in der Hand und konnte aber nicht zustechen. Sie hob das Messer an ihre Brust, ein letztes Mal und sie würde gehen, diesmal für immer. Doch dazu kam es nicht, es wird auch nie dazu kommen, denn das Schicksal spielte gerne Roulette.

Im Schatten der Königin #PlatinAward2018#iceSplinters18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt