Thirty

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Ich begriff nicht ganz, warum wir in aller Frühe mitten auf der Wiese im Park standen, obwohl Cole und ich in zwei Stunden zur Arbeit mussten. Die Renovierungsarbeiten im Butterfly's dauerten kürzer als eigentlich erwartet, weswegen nach nur vier Tagen die Wiedereröffnung stattfand.

Ich hasste es, wie er mich den ganzen Weg über auf die Folter gespannt hatte und er auch jetzt, wenn wir endlich an unserem Zielort ankamen, dichthielt. Das war unfair. Er hätte ruhig ein paar Hinweise zur Verständnis geben können, aber bekanntlich tendierte er zu einem doofen Kerl.

"Ich habe für dich auf meine Serie verzichtet, also wünsche ich dir, dass dieser kurze Ausflug sinnvoll ist." Das sollte nicht umsonst gewesen sein. Cole schaute mir plötzlich ganz entrüstet entgegen. "Du meinst aber nicht unsere Serie, oder? Celia, ich schwöre dir, wenn du wieder-"

"Nein, ich habe nicht wieder ohne dich weitergeschaut", fiel ich ihm sogleich ins Wort und verdrehte die Augen. Da hatte man nur für ein einziges Mal die nächste Folge begonnen und schon war man nicht länger vertrauenswürdig. "Ich weiß nicht, ob ich dir glauben soll."

Ich schaute fassungslos zu ihm auf. "Das kannst du nicht ernst meinen! Ich habe dir doch schon erklärt, dass ich das nur getan habe, weil du eingeschlafen bist, aber das Ende der Inbegriff eines Arschlochs war." Den Cliffhanger konnte ich nun wirklich nicht einfach so auf mir sitzen lassen.

"Jetzt erinnere ich mich wieder, warum ich so sauer auf dich war", meinte Cole trocken. Ich verzog gequält die Miene, weil ich ahnte, was mir bevorstehen würde. "Du wirst dir Folgen ohne mich reinziehen und mich dann spoilern, wenn wir es uns gemeinsam ansehen, habe ich recht?"

Sein Lächeln glich dem eines Vollzeit Psychos und ich wusste, dass ich verdammt richtig mit meiner Vermutung lag. Cole nickte. "Und du wirst niemals erfahren, mit welchen Folgen ich das tun werde. Vielleicht geschieht es schon morgen, übermorgen oder auch erst in zwei Monaten."

Einfach unglaublich. Er war durch und durch ein Scheißkerl, aber ich durfte mich nicht beschweren, denn A) ich war viel zu sehr in ihn verliebt, dass kein Entkommen mehr möglich schien, und B) ich hätte genau dasselbe getan. Und nochmal; Dieser raffinierte Mistkerl passte perfekt zu mir.

"Nimmst du es mir übel, dass ich dich gerade in meinem Kopf aufs übelste beleidige?", fragte ich monoton, was Cole zum Grinsen brachte. "Ganz und gar nicht, Kleeblatt." Er hauchte mir einen Kuss auf die Schläfe und beendete somit dieses Thema. "Jetzt erkläre ich dir unser Vorhaben."

Im nächsten Moment packte er einen Flugdrachen aus, somit es mir endlich dämmerte, wieso er einen Rucksack parat hatte. Was es jedoch mit dem Drachen auf sich hatte, war mir ein Rätsel. "Was wird das, Liebling?", fragte ich daher verwirrt, aber immer noch höflich nach. Er lächelte.

Während der Rucksack auf die Wiese fiel, setzte er einer Antwort an. "Als kleines Kind ließen Nana und ich ständig Drachen steigen, weil ich- nur Gott weiß, wieso- ganz verrückt danach war." Mir entging nicht, wie glücklich er wirkte, sobald er anfing, von den alten Zeiten zu sprechen.

Eines Nachts, als wir miteinander über Balkon und Fenster kommunizierten, erzählten wir uns recht unwichtige Dinge voneinander, welche jedoch einen tieferen Sinn haben könnten. Dinge, die man nicht einfach so jemanden sagte, weil sie nichts besonderes waren. Die kleinen Details.

Da erzählte ich ihm, dass ich noch nie an einem windigen Herbsttag einen Drachen steigen gelassen hatte. Er hatte nicht viel dazu geäußert, war lediglich überrascht. Jetzt begriff ich auch den Grund seiner Reaktion. Für ihn war diese Aktivität ein wichtiger Aspekt seiner Kindheit.

"Es hat mich ungelogen enttäuscht, dass du das nie erlebt hast, obwohl du es gerne mal versuchen wolltest." Cole dachte an dasselbe. "Das wollte ich ändern." Nein, er hatte es sich extra gemerkt und sich zur Aufgabe gemacht, mit mir ein Stückchen Kindheit nachzuholen.

CloverleafWo Geschichten leben. Entdecke jetzt