Twelve

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Cole war ein miserabler Fahrer. Er hatte mir seine beschissenen Fahrkünste in den letzten Stunden erfolgreich demonstriert, weshalb ich letztendlich zum Entschluss kam, so wenig wie möglich an seiner Seite zu sitzen, während er das Lenkrad hielt.

Der Kerl kannte kein langsames Tempo. Entweder drückte er so auf das Gaspedal, sodass der Motor seines BMW fürchterlich laut aufheulte, demnach in den S-Gang schaltete, oder er überholte andere Autos auf einer wahnsinnig risikoreichen Weise, wenn diese für seinen Geschmack viel zu langsam fuhren.

Nein, sie waren nicht zu langsam. Lediglich hielten sie sich an die Verkehrsregeln. Cole dagegen berücksichtigte diese nicht. Stattdessen dachte er, die Straßen Englands gehörten ihm. Die Tachoanzeige des Wagens zeigte 50km/h an, eine ungemessene Geschwindigkeit.

"Das ist eine Dreißigerzone", entfuhr es mir deshalb entnervt, da ich die ganze Autofahrt über nur den zurechtweisenden Beifahrer gespielt hatte. Doch vergeblich, er wollte nie auf mich hören. "Du wirst gleich geblitzt." Im Augenwinkel erkannte ich, wie Cole verneinend den Kopf schüttelte.

"Natürlich? Hier in der Nähe ist ein Blitzer!", entgegnete ich mit fester Stimme und setzte mich auf, derweil mein Blick Cole fixierte. "Du liegst falsch, weil wir den Blitzer längst hinter uns haben. Das kannst du aber nicht wissen, denn du warst mit deinem Handy beschäftigt."

Ruhig und konzentriert waren seine Augen auf die Straße gerichtet, er ließ sich beim Fahren nie beirren, obgleich von meinen Worten oder von anderen Geschehnissen, weswegen er zumindest dieses Kriterium erfüllte. Grummelnd sackte ich zurück in meinen Sitz. "Klugscheißer."

Cole lachte amüsiert auf. Im selben Moment merkte ich, wie er die Geschwindigkeit ein wenig senkte, doch nur, weil vorne eine Ampel in Sicht war. Kurz darauf hielten wir an. Diese Gelegenheit nutzte er, um mich zu mustern. "Danke, dass du mitgekommen bist."

Ich wusste, dass er das aufrichtig meinte, zumal er offensichtlich nicht alleine nach London fahren wollte, um die Bestellung seiner Großmutter abzuholen. Jedoch sagte er das aus einem ganz anderen Grund, es glich beinahe schon einer Entschuldigung. Trotzdem reagierte ich nicht.

Cole hatte mich nämlich nicht in Kenntnis über diesen Kurztrip gesetzt. Ich war also nur in den Wagen eingestiegen, da ich dachte, dass wir uns sofort auf den Weg zum Coffeeshop machten und das Auto nur deshalb nahmen, weil das Wetter nicht sonderlich mitspielte.

An sich wäre es für mich auch kein Problem gewesen, dass von London nie die Rede war, wenn da nicht sein schlechter Fahrstil wäre. "Komm schon, Celia. Sei nicht so zickig, du hast absolut keinen Grund dazu." Hatte mich dieser Mistkerl gerade als Zicke bezeichnet?

"Keinen Grund, sagst du?", gab ich etwas lauter zurück und schenkte ihm somit die Chance, seine Worte zurückzunehmen, aber Cole nickte bloß, schaltete in den richtigen Gang und fuhr weiter. "Ich bin kein schlechter Fahrer. Du übertreibst nur, weil du mir hierbei nicht vertraust."

"Oh, ich vertraue dir auch bei anderen Dingen nicht", blaffte ich mit verschränkten Armen und sah, wie sich seine Lippen sofort zu einem verschmitzten Grinsen verzogen. "Verstehe ich durchaus. Trotzdem gibt es da eine bestimmte Sache, bei der du völliges Vertrauen hast."

Währenddessen hielt ich bereits meinen roten Lippenstift und einen Lipliner in der Hand, den ich extra für unser Vorhaben auftragen wollte. Die Farbe passte perfekt zu meinem figurbetonten Bodycon-Kleid mit langen Ärmeln und einem Wellensaum, welches ebenso Teil des Plans war.

Ich klappte den kleinen Taschenspiegel auf, derweil ich gelangweilt nachfragte, wobei ich Vertrauen haben sollte. Anschließend umrahmte ich geschickt meine Lippenkontur, ehe ich den Lippenstift zum Einsatz brachte. Dass wir im Auto saßen, störte mich dabei überhaupt nicht.

CloverleafWo Geschichten leben. Entdecke jetzt