Twenty five

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W A V E S
D E A N L E W I S

Es war ein merkwürdiges Gefühl, all diese wertvollen Gegenstände zu sehen, dessen Anblick ich nicht mehr ertragen konnte. Ich hatte selbst die Accessoires vergessen, die dem Musikzimmer das gewisse Etwas verliehen und anderen zu verstehen gaben, dass dieser Raum mir gehörte.

In jedem Haus oder in jeder Wohnung, in die wir eingezogen waren, hatte ich diesen speziellen Raum immer nach demselben Schema gestaltet. Enzo hatte nichts mit Dekorationen am Hut gehabt, weshalb er das Einrichten mir überließ und sich mit dem Endergebnis zufrieden gab.

Wenn man den Raum betrat, fiel früher der Blick sofort auf das kostbare Klavier, aber jetzt stach zuerst der himmelblaue Sessel ins Auge. Daneben stand unser antikes Grammophon, das uns mein Großvater hinterlassen hatte. Es schmückte eher den Raum, als dass wir es benutzten.

Coles Aufmerksamkeit galt unserer geliebten Plattensammlung. Ich konnte seine Faszination sehr gut nachvollziehen, denn so erging es mir auch immer, wenn ich das Regal musterte. In gewisser Hinsicht symbolisierte es die Wichtigkeit und Bedeutung der Musik in unserer Familie.

Das unnötigste, aber dennoch eines der schönsten Möbel in diesem Raum, war die große Uhr, die die Form eines Notenschüssels hatte. Mein Vater verstand bis heute nicht, warum er mir unbedingt diese kaufen musste, da es doch eine stinknormale Wanduhr genauso getan hätte.

Was hier neu dazukam, war meine Gitarre, die ich ebenfalls als Accessoire an die Wand gehängt hatte. "Das Zimmer ist der Wahnsinn! Hätte ich so eins, würde ich es nie wieder verlassen wollen", äußerte Cole staunend. Ich schmunzelte über seine Wortwahl. "Es ist in Ordnung."

Er achtete gar nicht weiter auf mich, weil er im nächsten Augenblick meine Gitarre entdeckte. Ich hatte keine Ahnung, warum ich es damals so cool fand, drauf einen Blumensticker zu kleben, aber bereuen tat ich es auch nicht. "Du spielst auch Gitarre?", erkundigte er sich überrascht.

"Nein, spielen kann man das nicht nennen. Ich habe angefangen, es mir selbst beizubringen, jedoch aufgehört. Das kleine Bisschen, was ich gelernt hatte, habe ich längst wieder vergessen", erzählte ich ihm schulterzuckend, musste aber lächeln, als mir einfiel, wie talentiert er darin war.

Ich kannte die Geschichte, wie er die Gitarre zu seinem Hobby gemacht hatte. Er war acht Jahre alt gewesen, als er die Gitarre seines Vaters in die Finger bekam. Seither war es sein wichtigstes und bedeutsamstes Besitz. Und je älter er wurde, desto besser spielte er, ganz ohne Unterricht.

"Du hättest einen Kleeblattsticker nehmen müssen. Sähe ästhetischer aus", meinte Cole und grinste verschmitzt, wozu ich bloß die Augen verdrehte. Dann aber wurde seine Miene ernster und als er den Blick ein weiteres Mal umherschweifen ließ, wusste ich genau, wonach er suchte.

Mein Lächeln bröckelte wie eine undichte Steinmauer, als wir beide das Klavier betrachteten, das unter der Schutzdecke verborgen stand. Das Zimmer war mir so vertraut, es war mein eigenes, und dennoch stand ich vollkommen verloren und hilflos an Ort und Stelle. Ich war regungslos.

"Und da steht wohl dein Klavier", murmelte Cole, hörbar darauf bedacht, keine falschen Worte zu verwenden. Ich nickte. "Und da ist steht wohl mein Klavier." Nach wie vor fühlte sich das nicht richtig an, es als meines zu bezeichnen, aber trotzdem gehörte es mir. Es gehörte Enzo und mir.

Ich wollte keinen Rückzieher machen. Ich hatte entschieden, mutig zu sein, also würde ich dem auch treu nachgehen. Lediglich brauchte ich ein paar Anläufe, während ich den Wasserfall bestehend aus meinen Tränen blockieren musste. Das schaffte ich. Mit Cole schaffte ich das.

Ich trat einen großen Schritt darauf zu. Ich haderte mit mir selbst, während ich zögerlich über die Decke strich. Sofort kam der Staub an meine Finger, machte mir deutlich, wie lange hier nichts mehr angerührt worden war. Das sollte sich ändern. Das musste sich ändern.

CloverleafWo Geschichten leben. Entdecke jetzt