Ratlos sah ich in meine Schmucktruhe, worin ich unter anderem auch all meine Haarbänder aufbewahrte. Ich besaß welche in den unterschiedlichsten Farben. Sie machten mich aus. Selten gab es Tage, an denen ich keins dieser Bänder passend zu meinem Outfit trug.
Heute fiel meine Wahl auf eine schwarze Latzhose, worunter ich mein schlichtes gelbes Shirt kombiniert hatte. Dementsprechend entschied ich mich für ein gelbes Haarband, das mit weißen Schnörkeln verziert war und definitiv zu meinen Favoriten angehörte.
Eigentlich wollte ich mich von dem Spiegel losreißen, doch dann stach mir eine störende Haarsträhne ins Auge. Ich besaß von Natur aus Mini-Locken, die mir in manchen Momenten wahrhaftig den letzten Nerv raubten. Nie kriegte ich sie anständig gebändigt.
Früher hatte ich sie immer geglättet, doch so schadete ich meinem Haar und zudem fehlte mir die Zeit dafür. Auch wenn ich mir insgeheim glattes Haar wünschte, gab ich mich trotzdem mit meinen Locken mehr oder weniger zufrieden. Ändern konnte ich es sowieso nicht.
Nachdem meine Frisur einigermaßen meinen Vorstellungen entsprach, nahm ich meine Handtasche und packte alles Nützliche ein, ehe ich rasch die Treppen herunter stieg. Ich wollte meinen Eltern Bescheid geben, dass ich nun zur Arbeit müsste und mich verabschieden.
Zwar lief ich an ihrem Schlafzimmer vorbei, glaubte sie jedoch im Augenwinkel gesehen zu haben, weswegen ich fragend zwei Schritte zurück lief. Tatsächlich standen sie dort. Mamá band meinem Vater seine Krawatte, während er hingebungsvoll lächelnd zu ihr herunter blickte.
Dieses Bild war im Hause der Navarros garantiert keine Seltenheit. Jeden Morgen machte sich das Ehepaar gemeinsam für den anstehenden Tag fertig. Und bei allem, was sie zusammen taten, wirkten meine Eltern so unglaublich harmonisch miteinander.
Seit ihrer Jugend waren sie unzertrennlich und gingen jeden großen Lebensschritt gemeinsam. Auch nach fast zwanzig Jahren Ehe waren sie vollkommen verrückt nacheinander. Papá war der Grund, wieso meine Mutter fest an die wahre Liebe und an Schicksal glaubte.
Dazu sprach Mamá gerne von früher. Sie erzählte mir, dass damals mein Vater für sie viele Gedichte geschrieben habe. Oder dass er selbst im Regen vor ihrem Fenster stand, um sie sehen und sprechen zu können, zumal sie die Beziehung vor ihren Eltern geheimhielten.
Zwar war es manchmal zu viel des Guten und enorm kitschig, aber trotzdem hörte ich gerne zu, wenn sie mir von ihrer Vergangenheit erzählten. All diese romantischen Geschichten ließen mich manchmal glatt die- noch nicht einmal vorhandene- Liebe meines Lebens vermissen.
Fröhlich trat ich ein und machte mich auf sie aufmerksam. "Ich gehe ins Butterfly's! Irgendwelche Wünsche, die ich euch auf dem Heimweg erfüllen kann?" Ein Kopfschütteln diente als ihre Antwort. "Komm nur gut an", ergänzte Papá schmunzelnd.
Als nächstes erkundigte sich meine Mutter, ob ich für heute Abend schon Pläne habe. Verwundert verneinte ich. "Wir sind bei den Castillos zum Abendessen eingeladen", informierte sie mich und lächelte mich zufrieden an, worauf ich sofort missbilligt die Miene verzog.
Diese Familie machte mich ganz wahnsinnig. Nämlich kamen mir die Eltern ziemlich heuchlerisch vor, während mich ihre neunjährigen Zwillinge ständig mit irgendwelchen fiesen Streichen quälten. Dementsprechend bezeichnete ich ihre Söhne auch als Zombies.
Lange musste ich mir nicht einen Vorwand einfallen lassen, ich sagte nämlich das, was ich in solch einer Situation immer verwendete. "Oh, gerade fällt mir ein, dass ich später noch mit Suela verabredet bin!", stieß ich lügnerisch aus und täuschte großes Bedauern an.
Anders als Papá, der mich amüsiert anfunkelte, hob Mamá die Augenbraue in die Höhe und hatte die Arme vor der Brust verschränkt- wie immer, wenn ich mich herausredete. "Schade auch... Ich sollte jetzt aber wirklich gehen, schließlich wartet man auf mich!"

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Cloverleaf
RomansaDie Begegnung an einem Schiffshafen sorgte bei Cole und Celia für ein Gefühlschaos, das beide zuvor noch nie verspürt hatten. Sie konnten das, was zwischen ihnen war, nicht definieren. Gar sahen sie ein, dass sich ihre Herzen nach einander sehnten...