Thirty five

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C O L E

Heute war einer dieser Sonntage, an dem das gesamte Haus genüsslich nach Nanas Plätzchen duftete. Mir hatte ihr selbst gemachtes Gebäck gefehlt. Ich holte mir einen grünen Apfel aus dem Kühlschrank, während ich nachfragte, ob ich ihr irgendwie behilflich werden könnte.

Sie verneinte und wischte den Herd. Ich war in Versuchung, die Entscheidung, etwas Gesundes zu essen, zu canceln, aber leider lagen die Kekse noch im Ofen. Enttäuscht kostete ich den Apfel, der säuerlich schmeckte. Sie beobachtete mich belustigt. "Hast du dein Zimmer aufgeräumt?"

Ich war in Ruhe am Zocken gewesen und ging ihr erfolgreich aus dem Weg, um genau solche Fragen zu vermeiden. Dementsprechend sperrte ich mich in meinem Gamingzimmer ein, damit sie mir bloß keine Arbeit auftrug, und nun bereute ich, diese Schutzblase verlassen zu haben.

"Natürlich?", schwindelte ich und biss nochmal in die Frucht rein, um mein verräterisches Grinsen zu verstecken. Der chaotische Kleiderhaufen auf dem Boden, mein nicht gemachtes Bett und die stickige Luft in diesen vier Wänden, erzählten eine andere Geschichte. Gott, war ich faul.

Nana seufzte tief, doch ich sah, wie ihre Mundwinkel zuckten. "Du solltest endlich lernen, deine Pflichten vor das Vergnügen zu stellen. Sonst verbiete ich dir noch deine PlayStation." Ich erinnerte mich zurück an die harten Zeiten, als sie vor mir oft meinen Nintendo versteckt hatte.

Ich würde nicht behaupten, dass meine Leistungen schlecht gewesen waren. Allerdings hatte ich diese rebellische Phase, zwischen achter und neunter Klasse, in der ich mich absolut wenig der Schule widmete. Meine Welt hatte sich nur um Videospiele oder um die Musik gedreht.

Alles, was ich liebte, mich jedoch ablenkte, war vor ihr nicht mehr sicher gewesen, bis ich irgendwann selbst begriff, dass ich mehr lernen musste. Ich brachte gute Noten nach Hause und sie hörte endgültig mit ihren strengen Maßnahmen auf. Heute war ich ihr wirklich dankbar dafür.

Meine Selbstdisziplin oder mein Verantwortungsbewusstsein gewann ich nämlich vor allem durch sie, da es ihr schon immer wichtig gewesen war, mir beizubringen, selbstständig zu leben. Ihre Worte, von wegen ich müsste lernen, pflichteifriger zu sein, meinte sie daher bloß neckisch.

"Also Nana, ich bitte dich, ich bin keine zehn Jahre alt mehr", gab ich gespielt empört zurück, worauf sie herzlich auflachte. "Stimmt, du bist fast zwanzig, und trotzdem wirst du für mich immer der kleine Junge bleiben, dem ich länger als nötig die Schnürsenkel binden musste."

Ich kräuselte die Nase, da ich es hasste, wenn sie mich auch heute noch damit aufzog, dass ich mir eine unnatürlich lange Zeit lang nie die Schuhe binden konnte. Ich war zu unfähig gewesen, simple Schleifen zu kreieren, und nun flocht ich manchmal Celias komplizierte Haare. Verrückt.

Beim Vorbeigehen kniff Nana mir in die Wange. Ich verzog gequält die Miene. "Ich wünschte nur, ich hätte dich besser erzogen, was deine Lügen anbelangen." Ich starrte ihr nach, während sich alles in mir unangenehm zusammenzog. Bei jeder freien Gelegenheit hielt sie es mir vor.

Nein, nicht nur sie. Auch Gray. Sie setzten mich beide unter Druck, damit ich Celia endlich von meiner Exfreundin erzählte, obwohl erst zwei Tage vergangen waren. Zwei beschissene Tage, in denen ich das Gefühl hatte, dass Amara überall war. Ihretwegen wurde ich so scheiße paranoid.

Das ging schon so weit, dass ich gestern geglaubt hatte, ich hätte sie in der Bar gesehen. Glücklicherweise konnte ich mich aber schnell davon überzeugen, dass sie nur Einbildung gewesen war. Zumindest schwor ich mir, an diesem Abend keinen einzigen Gedanken mehr an sie zu verschwenden.

Ich hatte es tatsächlich geschafft, eine sorgenfreie Zeit mit meinen Freunden zu verbringen und mit Celia zu schlafen. Nach dem Sex kam ich mir wegen der Lügengeschichte zwischen uns allerdings so dermaßen elendig vor, dass ich bis zum Morgengrauen kein Auge zugedrückt hatte.

CloverleafWo Geschichten leben. Entdecke jetzt