Der Duft von Rose

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Richmond, 2014

Es war einer dieser Tage, an denen ich keine Lust zu gar nichts hatte und Sandra mich trotzdem dazu verdonnerte, mich aus meinem gemütlichen Bett zu reißen und mit den beiden essen zu gehen. Nicht, dass das oft vorkam, aber immer wenn hatte ich das Gefühl, die ganze Welt habe sich gegen mich verschworen und nutzte den Tag nur dazu, mir das Leben zu vermiesen. Also so wie heute.

Ich wusste sowieso wie die Situation ausgehen würde wenn ich mich meinem Schicksal nicht fügte und deshalb wühlte ich mich widerwillig aus der Decke, stellte mich unter die Dusche und zog danach das Kleid an, das ich immer bei besonderen Anlässen trug. Ich fand es zwar viel zu schick um essen zu gehen, aber wie Chris mir mitteilte, nachdem ich mich lautstark beschwert hatte, würde das kein gewöhnlicher Restaurantbesuch werden, nein, heute wollten sie ein neues Lokal in London ausprobieren. Das zudem auch noch verdammt teuer war.

"Warum denn ausgerechnet heute?"

"Es ist Wochenende und außerdem wollen wir beide einfach ein bisschen mehr Zeit mit dir verbringen, Lou." Das da was falsch war roch ich zehn Meter gegen den Wind. Trotzdem ließ ich mich widerwillig darauf ein. Eine halbe Stunde später saßen wir alle im Auto und waren auf dem Weg.

"Die haben sogar eine eigene Tiefgarage für ihre Kunden, das nenne ich einen Service!", lobte Chris.

"Und was gibt es da so zu essen?" Ich hatte keine große Lust meinen Hunger mit geröstetem Kaviar oder garniertem Hummer zu stillen.

"Im Internet stand das sie Spezialitäten aus allen Ländern haben, da ist sicher auch was für dich dabei", antwortete Sandra gut gelaunt. Zu gut gelaunt für meinen Geschmack.

"Spätestens bei den Spezialitäten aus Italien wirst auch du was finden, Lou", ergänzte Chris.Wir fuhren die Tiefgarage hinunter und ließen damit das Tageslicht und jede Möglichkeit, mich doch noch vor diesem Essen zu drücken, hinter uns.

Als wir das Auto geparkt hatten und im ersten Stock im Eingangsbereich des Restaurants von drei Kellnern empfangen wurden, erschnupperte ich einen eigenartigen Duft, der uns im Restaurant von allen Seiten entgegenkam.

"Was ist das?", fragte ich Sandra neugierig.

"Rosenwasser", antwortete Chris.

"Meinetwegen hätten die nicht so viel davon in der Luft versprühen müssen", beschwerte sich Sandra und verzog das Gesicht. "Das ist viel zu intensiv." Chris legte Sandra einen Arm um die Taille und die beiden teilten einen Blick, den ich nicht ganz zuordnen konnte.

"Ihr Tisch ist gleich hier." Ich drehte mich erschrocken um starrte den Kellner an, der plötzlich hinter mir aufgetaucht war.

"Vielen Dank." Ich ließ mich weder von der enormen Tischdekoration noch von dem teuer aussehen Besteck beeindrucken, das den Tisch krönte. Das Restaurant war eindeutig eine Nummer zu groß für Sandras und Chris spontane Wochenendsausflüge, so viel war ja schon mal klar. Jetzt musste ich nur noch herausfinden, was hier eigentlich ablief. Ich würde einfach bei ihrem Spiel mitmachen.

"Lou, Schatz, weißt du schon was du trinken willst?", fragte mich Sandra als der Kellner uns nach unserer Bestellung fragte.

"Hm... wie wäre es mit dem Green Passion- Cocktail? Ich liebe Limetten und Äpfel", sagte ich völlig tonlos.

"Lou, du weißt schon, dass da Alkohol drin ist?"

"Ja. Ich probiere doch nur Spezialitäten, Sandra." Sie zog eine Augenbraue hoch und bestellte mir dann eine kleine Johannisbeerschorle.

"Und zum Essen?"

"Ich nehme den gebratenen Saibling auf Weintraubensorbet." Diesmal widersprach mir niemand.

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