Teatime

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London, 2017

Seit ich zurück in meiner Heimatstadt war, hatte ich nicht mehr mit Emily gesprochen. Ich verstand, dass sie Zeit brauchte und ihre Eltern wahrscheinlich auch nicht begeistert waren von den Umständen, in die ich ihre Tochter gebracht hatte. Obwohl ich mir nicht ausgesucht hatte, Emily mit in die Sache hineinzuziehen. Die offizielle Version war wohl, dass ich von einer Verrückten entführt wurde, die durch meine Spur erst auf Emily gekommen war. Aber ich musste mit ihr reden, nicht nur um Erinnerungen zu verarbeiten und diesen ganzen Psychologen-Quatsch, sondern um mich zu versichern dass es ihr gut ging. Auch wenn es nicht so schien war Emily zerbrechlicher als sonst jemand, und ich wusste nicht, wie sie das alles verkraften würde. Zwei Wochen hielt ich es aus, mich von ihre fernzuhalten, keine Anrufe, keiner Besuche, rein gar nichts. Aber dann hatte ich genug. Ich stand auf, packte meine Jacke und machte mich auf den Weg zu ihrem Haus. Es fühlte sich ein bisschen komisch an, den Weg den ich früher so oft gegangen war, nun nach so langer Zeit wieder zurückzulegen. Es war, als hätten meine Füße ihren eigenen Willen und würden mich auf dem direkten Weg zu Emily führen, ohne dass ich überhaupt nachdenken musste. Mein letzter Besuch war wirklich schon ziemlich lange her, nach dem Streit auf der Party hatten wir fast zwei Jahre nicht mehr miteinander geredet und das war jetzt auch schon ein Jahr her. Ich fragte mich wie es wäre, ihre Eltern wieder zu sehen. Ich war früher fast so oft bei Emily, dass man glauben konnte ich wäre das zweite verlorene Kind der Familie Waves. Würden sie mich überhaupt wiedererkennen?

Schließlich stand ich vor der Tür und ließ die Erinnerungen, die bei Anblick der weihnachtlich geschmückten Tür auf mich einströmten, auf mich wirken. Emilys Mutter hatte es sich jedes Jahr vor Weihnachten zu ihrer Aufgabe gemacht, das schönste Haus der ganzen Nachbarschaft zu haben und hatte meiner Meinung nach auch jedes Mal gewonnen. Davon abgesehen waren Emilys Eltern aber selten zu Hause gewesen und Emily war die meiste Zeit allein zu Hause gewesen. Wir hatten die komischsten Sachen angestellt und das Haus permanent in ein riesiges Chaos verwandelt. Nur gut, das die Waves ein Hausmädchen beschäftigten, das regelmäßig hinter uns aufräumte. Chloé. Emily hatte eine Kindheit, die meiner Ansicht nach wundervoll war. Sie konnte tun und lassen was sie wollte, bekam alles was sie sich wünschte und wusste zu jeder Situation etwas zu sagen. Jedenfalls dachte ich damals, dass ihre Kindheit wünschenswert war. Aber unter all den Geschenken und Kleidern hatte ich nicht erkannt, dass Emilys Eltern sie nur aus schlechtem Gewissen so verwöhnten. Für die Zeit, die sie geschäftlich in anderen Ländern verbrachten. Vielleicht war es ja doch nicht so toll, Emily Waves zu sein.

All das ging mir durch den Kopf, als ich auf die Klingel drückte und ein heller Ton erklang, den ich durch die helle Holztür sogar bis nach draußen hören konnte. Im Gegensatz zu den anderen Häusern in der Straße unterschied sich Emilys davon, dass es nicht im traditionellen Stil gehalten war, sondern abgesehen von dem fast schon verpflichtenden Ziegelbau eine moderne Architektur hatte und und die Fensterrahmen fast überwiegend in weiß gehalten waren. Man sah gleich, dass ihre Familie viel Geld hatte. Ich hörte Schritte, die sich der Tür näherten und trat einen Schritt zurück.

„Ja?" Misses Waves steckte den Kopf aus der Tür und scannte mich mit ihren Augen ab. „Louise?" Sie wirkte verblüfft.

„Hi." Ich lächelte.

„Wow, hi. Du bist ja ganz schön erwachsen geworden, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe."

„Äh... danke. Ist Emily da?" Sie verzog die Miene und schüttelte den Kopf.

„Komm doch rein, das sollte wir nicht draußen besprechen." Mir wurde heiß und kalt zugleich und ich hatte Angst, das sie mir die Schuld geben würde. Ich folgte ihr in die Küche und stellte meine Schuhe vorher auf den altbekannten Platz unter der Treppe.

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