Kaffeeflirt

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Paris, today

Wir standen mal wieder am Flughafen, nur mit dem Unterschied das heute wir in ein Flugzeug steigen würden. Ich hatte grottenschlechte Laune, was nicht nur am Abschied lag sondern daran, dass mich Flughäfen unweigerlich an Alex erinnerten. Sankt Petersburg, Estland, Salzburg. Die Erinnerungen daran kamen jedes Mal wieder hoch, wenn ich das leuchtende Schild eines Terminals sah, oder auch nur einen Koffer. Und ich wollte gar nicht erst daran denken, wie es im Flugzeug seien würde. Mittlerweile war ich an einem Punkt angekommen, an dem es mir schwerfiel mich nicht einfach von meiner Familie loszureißen und Alex auf eigene Faust zurückzuholen. 

Aber nein, ich musste vernünftig bleiben, auch um den Preis, dass ich dabei verrückt wurde. Ich hasste es, vernünftig zu sein. Alex brauchte meine Hilfe jetzt und nicht erst in ein paar Tagen oder Wochen. Ich hatte schon in London gemerkt, dass das mit dem aus dem Kopf schlagen nicht funktionierte, egal wie oft ich versuchte ihn zu vergessen. Und als er dann wieder in Paris aufgetaucht war, hatten meine Gefühle verrückt gespielt und seitdem nicht mehr aufgehört. Ich wusste, dass niemand das verstehen konnte, der es nicht selbst durchlebt hatte und obwohl Estella in diesem Punkt eine Ausnahme war, hatte ich mich nicht dazu überwinden können, sie darauf anzusprechen. Ich sah selbst, dass es sie genauso mitnahm wie mich und wollte diese Wunden nicht noch weiter aufreißen, als sie es sowieso schon waren. Sie teilte dieselben Tränen, die nachts in mein Kopfkissen fielen und sie bekam dasselbe beklemmende Gefühl in der Brust, sobald unsere Gespräche auf die Rettungsmission zu sprechen kamen. Es war in diesem Moment genug zu wissen, das es jemanden gab der mich verstehen würde. Aber das schlimmste war, dass ich wusste dass meine Sorgen nicht verschwinden würden, bis wir Alex und Selian ein für alle mal aus den Violas Händen gerettet hatten. Bis dahin würden sie, wenn überhaupt, nur noch mehr werden und meine Gedanken Tag und Nacht beanspruchen. Und ich konnte nichts dagegen tun.

„Lou?" Philine schnippte mit ihren Fingern vor meinem Gesicht herum und versuchte, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Du warst gerade völlig weggetreten. Dein Koffer!" Oh, ja klar. Ich hievte meinen Koffer auf das Gepäckband am Schalter und war froh, als die Wage bei Philines Koffer nur knapp unter dem zulässigen Gewicht anzeigte. Ich hatte sie gewarnt das ihr Koffer Übergewicht hatte, aber sie wollte partout nicht auf mich hören.

„Hm, zuhause waren das aber noch zwei Kilo weniger. Komisch." 
„Vielleicht waren es die vier Paar Schuhe, die du in letzter Sekunde hineingestopft hast." Es hatte mich sowieso überrascht, das in ihrem Koffer überhaupt noch Platz dafür war. Der Mann von der Fluggesellschaft tippte derweil die Nummer unseres Fluges in den Koffer und scannte unsere Pässe.

„Alles klar, ihre Koffer landen so schnell es geht im Flugzeug. Gute Reise, meine Damen!" Sandra, Chris und Estella hatten derweil hinter dem Absperrband gewartet, dass die Schlange vor dem Schalter in eine ordentliche Reihe zu zwingen versuchte.

„Habt ihr auch sicher alles? Mein Gott, ich kann nicht fassen dass du schon so groß und selbstständig bist!"

„Sandra, das sind die Hormone, ich war die letzten zwei Jahre genauso groß und unabhängig." Chris legte beschützend einen Arm um Sandra, und machte damit das Bild des glücklichen Pärchens komplett.

„Was sie sagen will ist glaube ich, dass wir stolz auf dich sind, Lou", fasste Chris Sandras Emotionen in Worte und rührte mich damit fast zu Tränen. Auch Estella schien der Abschied nicht so leicht zu fallen wie sie vorgab. Doch im Gegensatz zu meinen Adoptiveltern, die mir am liebsten bis zu meinem Sitzplatz im Flugplatz gefolgt wären, war sie eher jemand der das Pflaster mit einem Ruck abzog. Sie drückte mich einmal fest und drückte mir dann mein Handgepäck in die Arme.

„Denkt daran, lasst euch nicht verunsichern. Ihr findet zusammen mit Emanuel einen Weg, diese bevorstehende Apokalypse zu stoppen." Philine und ich nickten andächtig und besannen uns auf den Grund, warum wir überhaupt in den Flieger stiegen. Um Viola zu stoppen.

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