Paris, today
„Oh mein Gott", war das einzige, was ich in diesem Moment herausbrachte. Die Szene musste für die Umstehenden ziemlich eigenartig wirken, doch für mich war sie kein Fünkchen weniger bizarr. Der Name Nathan Cartier hatte nun endlich einen Besitzer, doch das machte keinen Sinn. Beziehungsweise schon. Aber ich fühlte mich einfach nur, als wäre mir in diesem Moment mein komplettes Großhirn einem Erdbeben ausgesetzt. Ich schwankte und machte einen Satz nach hinten. „Das ist jetzt nicht wahr, oder?" Dabei war er doch Engländer, eine perfekte Aussprache. Eine komplett andere Identität in London, die ich keine Sekunde hinterfragt hätte. Aber andererseits hatte ich nie einen Namen gehört, nie die Verbindung gezogen.
„Sie... du..." Das er es gewusst hatte, war ja glasklar. Ich hatte ihm den verdammen Namen meiner Mutter gesagt, seiner Nichte, und er hatte nicht einmal mit den Wimpern gezuckt. Eiskalt ins Gesicht gelogen hatte mir dieser angebliche Buchhändler, Lehrer, Onkel, was auch immer. Wut brodelte in mir hoch. „Du hast mich angelogen! Die ganze Zeit..." Ich verzog das Gesicht. „Angelogen, du hättest keine Ahnung von meiner Familie, Onkel. Dabei bist du nur genauso egoistisch und verlogen wie der Rest dieser Sippe!" Ich wollte mich schon umdrehen und im Rausch des Gefechts nach oben stürmen, aber ich blieb stehen, weil ich auf seine Reaktion warten wollte.
„Du hast recht", gab er zu und senkte den Blick. Estella sah verwirrt zwischen uns beiden hin und her.
„Moment mal, Nathan, was geht hier vor?"
„Dreist angelogen hat er mich, das geht hier vor!", erklärte ich lautstark und mit Tränen in den Augen. „Mit ihm hat das alles angefangen! Er hat mir von Alex'Großvater erzählt, er ist verantwortlich für diese Scheiße mit Viola, die Zeit in Australien, meine ewige Suche nach meiner Familie, die die ganze Zeit vor meine Nase saß!" Das war vielleicht ein bisschen sehr weit ausgeholt, aber ich hatte das Gefühl, dass er der Auslöser war. Zu allem. Alex erwähnte ich nicht, weil er ein ganz anderes Level war.
„Nathan, du hast Lou noch einmal gesehen?" Estella schien nicht minder erbost über diese Erkenntnis.
„Ich hab sie ein-, zweimal in London gesehen", gab der kleinlaut zu.
„Schäm dich!", erklärte Philine ihrem Lieblingsonkel.
„Was heißt noch einmal?" Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Eher in einem Tornado.
„Als ich in London war, bin ich bei Nathan untergekommen." Ich hatte mich sowieso schon immer gefragt, wie Estella dass damals alleine hinbekommen hatte.
„Er wusste von dem Baby?", knüpfte Philine an Estellas Aussage an. Die nickte.
„Du warst der Einzige, der nicht wirklich Teil dieser verrückten Familie war. Immer unterwegs und nie wirklich auffindbar." Sie engte ihre Augen zu Schlitzen. „Aber anscheinend habe ich mich da geirrt!"
„Ruhig, mademoiselles, beruhigt euch doch und lasst mich erklären." Sein Französisch war genauso passabel wie sein Englisch.
„Louise hat bestimmt viele Fragen." Er nickte mir zu. Sandra schaltete sich ein und auch Chris schien mit dem Gedanken zu spielen, den Onkel aus dem Haus zu werfen.
„Noch ein falsches Wort und ich verfrachte dich auf die Straße!" Sie wirkte ziemlich entschlossen. Ich hatte total vergessen, dass sich meine Adoptiveltern und dieser Onkel ja kannten. Chris stand etwas unschlüssig am anderen Ende des Raumes und hatte einen Stapel Teller in der Hand, mit dem er gerade den Tisch für ein gemütliches Willkommen-zurück Dinner hatte decken wollen. Die Gemütlichkeit war jetzt allerdings komplett verschwunden. Nathan räusperte sich und alle Augen richteten sich wieder auf ihn.
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Something like power
FantasyDas Finale der Magic-Trilogie. Lou, der 17- jährigen Magierin, stehen schwierige Entscheidungen bevor. Sie hat ihre Antworten bekommen, aber zu welchem Preis? Menschen, die sie liebt schweben in Gefahr und alles scheint auf einen finalen Kampf hinau...