Paris
„Um das gleich mal klarzustellen: ich finde diese Pärchen, die die ganze Zeit händchenhaltend und knutschend durch die Stadt laufend ekelhaft! Ich meine, nehmt mal ein bisschen Rücksicht! Was soll das denn, damit gefährden die doch nur die anderen Passanten! Außerdem ist es vollkommen rücksichtslos gegenüber Singles. Oder Leuten, denen gerade das Herz gebrochen wurde." Ich beendete meinen Monolog atemlos und zog meinen Schal enger. Paris im Winter war einfach ein Traum, wohl wahr. Und hier, mit Alex an meiner Seite war es wie ein rosaroter, kitschiger Prinzessinnentraum. Fehlte nur noch die Zuckerwatte. Alex fand meine Besorgnis wohl eher amüsierend als dass er sie wirklich ernst nahm. Und natürlich konnte ich ihm das nicht verübeln. Wenn man verliebt war, war sowas doch sowieso unwichtig.
„Mach dir doch nicht so viele Gedanken darüber, was andere denken." Wie zum Protest nahm er meine Hand und wir schlenderten gemeinsam weiter. Ja, natürlich war ich etwas zu besorgt. Aber irgendwie war das für mich alles Neuland. Ich konnte nicht wirklich sagen dass ich mit Jonas je in der Öffentlichkeit wie zwei Turbeltäubchen herumgelaufen war. Wir hatten uns eher bei ihm zu Hause getroffen.
Aber jetzt war ich älter, ich war fast erwachsen! Und als Erwachsener fand man es anscheinend normal, mit seinem Partner und einer rosaroten Brille durch Paris zu schlendern.
Nachdem wir heute schon den obligatorischen Besuch auf dem Eiffelturm hinter uns hatten und Alex auf die famose Idee gekommen war, doch die Treppe nach unten zu nehmen, hatte ich genug von altertümlichen Bauwerken und hatte für uns beide beschlossen, heute nur noch einen kleinen Spaziergang zu machen.
„Weißt du, ich hätte mir nicht vorstellen können. Das ich jemals hier bin. Mit dir", sagte Alex und drückte meine Hand. Ich seufzte.
„Weißt du, ich kann nicht garantieren dass ich nicht zu flüssigem Kerzenwachs zerschmelze, wenn du noch mal so was sagst." Wieder lachte er amüsiert.
„Und du findest dich romantisch?" „Das habe ich nie gesagt!", beschwerte ich mich halbherzig. Es war offensichtlich dass Alex der romantischere von uns beiden war. Mir wäre nie die Idee gekommen, in einer Metropole wie Sankt Petersburg mit dem Picknickkoffer in den Park zu fahren. Vielleicht war ich aber auch einfahc nicht kreativ genug. Hatte Romantik was mit Kreativität zu tun? Wenn ja, würde aus mir wohl niemals eine Künstlerin werden. „Aber das heißt nicht, das ich deine Ideen nicht wertschätze!", hängte ich noch hintendran. Kaum auszudenken, wenn Alex dass zum Anlass nehmen würde, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen.
„Okay", gab ich nach. „Für heute bin ich absolut romantisch, ich verspreche es." Ich blieb auf der Stelle stehen und schlang ihm die Arme um den Hals. „Und das heißt: Knutschen in der Öffentlichkeit. Also?", sagte ich zuckersüß.
„Ist das ein Befehl?"
„Kann sein."
Verdammt. Es war schon wieder passiert. Ein Traum, der so real erschein dass ich selbst die zaghafte Kälte der Schneeflocken auf meiner Handfläche hatte spüren können. Dabei hätte diese Szene wirkliche real sein können. Wäre Alex nur hier. Der Kloß in meinem Hals wollte sich partout nicht lösen, egal wie oft ich auch schluckte. Vielleicht musste ich einfach nur aufstehen. Alles war dunkel, die anderen schliefen bestimmt schon. Oder noch. Wann war ich eigentlich ins Bett gegangen? Und wie? Was zur Hölle war eigentlich passiert? Ich brauchte geschlagene zwei Minuten, um den Werdegang des vorherigen Tags zu konstruieren. Und ein Glas Wasser. Wir waren... wir waren in dieser Kirche gewesen, richtig. Oder sollte ich besser sagen: ein verrücktes und unglaubliches unterirdisches Lager der Magier? Nachdem wir hundert Stunden die Treppen nach unten gewandert waren, hatte sich der schmale Schacht irgendwann zu einem großen Gängesystem geweitet. Und von da an ging es weiter in eine riesige Höhle, die eigentlich nur mithilfe Magie das unterirdische Paris hatte aushöhlen können. Denn ich hatte noch nicht von massiven Einstürzen in das Erdreich in Paris gehört. Wir waren nicht alleine in der Höhle, ich konnte im Dämmerlicht sogar etwas ausmachen, das wie Mobiliar aussah. Jemand lebte hier, Leute lebten hier. Und diese Leute saßen versammelt um einen Tisch, auf den wir jetzt zugingen. Verspätetes Frühstück? Natürlich hatten sie uns sofort bemerkt, in einer Höhle gab es nichts, dessen Schall durch den Hall der Wände nicht von einer Ecke in die nächste Schräge geworfen wurde, so wie mit unseren Schritten die klangen, als stammten sie von einer Horde schwergewichtiger Elefanten. Obwohl ich es befürchtet hatte wurden wir nicht mit Misstrauen und Ablehnung begrüßt sondern mit Wiedersehensfreude und Offenheit. Allerdings nur gegenüber Estella, die anscheinend wohlbekannt war. Am Tisch versammelt waren circa acht Leute, von denen eine Frau bei unserem Anblick aufsprang und uns entgegengelaufen kam. Noch mehr Elefanten.
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Something like power
FantasyDas Finale der Magic-Trilogie. Lou, der 17- jährigen Magierin, stehen schwierige Entscheidungen bevor. Sie hat ihre Antworten bekommen, aber zu welchem Preis? Menschen, die sie liebt schweben in Gefahr und alles scheint auf einen finalen Kampf hinau...