Paris, heute
„Das ist der Moment, an den du dich dein ganzes Leben lang erinnern wirst", flüsterte Philippe theatralisch, während sie meine Hand nahm und fest drückte. Die anderen in der Runde fassten sich ebenfalls an den Händen, nur eben ohne das Drücken. In kurzer Zeit waren wir ein fest miteinander verbundener Kreis, bestehend aus Philippe, Estella, Gilberto, seine drei Freunde und Peyton, Marléne plus ihre Kompagnons und noch ein Dutzend anderer Magier, die ich in Salem schon einmal gesehen hatte und an deren Namen ich mich einfach nicht mehr erinnern konnte.
„Man kann es auch übertreiben", gab ich nervös zurück und hoffte doch, dass Philippe mit ihrer Prophezeiung recht behalten würde. Mein ganzes Leben. Und nicht weniger.
Ein Flüstern machte sich unter den Magiern breit und ich fixierte mit meinem Blick Estella, die konzentriert ihre Augen geschlossen hatte. Sie brauchte hierbei meine Hilfe, allein war es für sie schier unmöglich so viele Personen auf einmal zu teleportieren. Aber ich wusste nicht, wie ich genau helfen konnte. Würde unsere Umgebung gleich verschwimmen und einer eisigen Landschaft weichen?
Alles war vorbereitet, alles war getan. Und wir waren gerade auf einem unebenen Weg in ein anderes Land. ob dieser Weg überhaupt legal war, war dabei eine ganz andere Frage. Auf jeden Fall war er reichlich bequemlicher als die übliche Tortur mit Landrovern oder Helikoptern über die Eiswüste. Trotzdem hatte ich Angst vor dem Teleportieren. Ich hatte... wie sagte man so schön? Ich hatte ein traumatisches Erlebnis gehabt. Und jetzt war ich paranoid.
Allerdings hatte ich keinen weiteren Moment, um mich weiter damit zu beschäftigen. Denn gebannt beobachtete ich, wie sich Estella in diesem Moment aufzulösen begann. Mir wurde bewusst, dass ich zuvor noch nie zugesehen hatte, wie jemand teleportiert und der Anblick war etwas verstörend. Sie flog nicht wie in etlichen Science Fiction Filmen in kleinen Partikeln davon, sondern verblasste. Zuerst nur ihre Hände, dann ihre Beine, ein Prozess, der sie letztendlich ganz verschluckte. Und damit auch uns anderen. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, das mir jemand mit Gewalt sämtliche Energie aus dem Körper zog. Schließlich half ich Estella aber auch, ein Dutzend Leute zur gleichen Zeit von einem Ort zum anderen zu bewegen. Per Luftpost, haha. Und dann waren wir irgendwie weg, und auch wieder nicht. Denn ich war auch da, nur an einem anderen Ort. Kälte war das erste, was ich wahrnahm. Sibirien. Wir waren also am richtigen Ort gelandet.
Ich traute mich nicht, die Augen zu öffnen, bevor ich jeden einzelnen Nerv in meinem Körper spüren konnte. Dann war ich sicher vollständig mit jeder Zelle angekommen und gewahr der erblindenden Helligkeit, die die Reflektion der Sonne auf dem Eis spiegelte, Einblick in meine Iris.
Geblendet von dem erstaunlich guten Wetter konnte ich erst nur ein paar Gestalten neben mir ausmachen, die sich mit der Zeit aber als Estella und die anderen Teleportierenden herausstellten. Wie es aussah hatten wir also alle über die enorme Entfernung von Paris bis nach Sibirien erfolgreich transportiert. Erleichternd war das nicht wirklich, auch wenn Estella und Gilberto das als wichtigen Punkt in unserem, ihren Plan ansahen. Und ich war auf einmal wieder hier, wahrscheinlich nur einige hundert Meter entfernt von Alex. Mein Herz begann, wieder schneller zu schlagen und ich fühlte mich fast wie von einem Magnet angezogen. Dorthin, wo das Hauptquartier der Schlange Viola stand.
Wie besprochen waren wir nah am Gebäude aufgetaucht, aber nicht so nah, dass man uns hätte entdecken können. Hinter einer Schneewehe, die sich bei näherer Betrachtung dann doch als kleiner Hügel herausstellte.
Obwohl die kalte Stille der schneeweißen Landschaft keine Rückschlüsse zuließ, wusste ich in dem Moment, in dem ich den vereisten Boden unter meinen Füßen zum ersten Mal richtig wahrnahm, dass Viola uns erwartete. Es war verrückt, aber tief in meinem Inneren spürte ich ihre Gewissheit. Vielleicht waren wir verraten worden, vielleicht hatte sie aber auch hellseherische Fähigkeiten. Option eins war wahrscheinlicher. Und trotzdem wurden wir immer nicht angegriffen, standen immer noch unversehrt vor ihrer Festung und suchten nach einem Schlupfloch in ihrer Mauer.
„Wir haben es wirklich geschafft!" Estella hatte rote Wangen und löste sich als erste aus dem Kreis und nahm mich in dem Arm. Noch nicht ganz. Aber das wollte ich ihr nicht sagen.
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Something like power
FantasyDas Finale der Magic-Trilogie. Lou, der 17- jährigen Magierin, stehen schwierige Entscheidungen bevor. Sie hat ihre Antworten bekommen, aber zu welchem Preis? Menschen, die sie liebt schweben in Gefahr und alles scheint auf einen finalen Kampf hinau...