6. Teil - Die Scherben von damals

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,,Geht es dir gut?'', fragte er rau und zog uns mehrere Schritte weg. Weg aus dieser elendigen Straße.

Ich nickte flüchtig und bemerkte erst jetzt wie schnell mein Herz gegen meine Brust schlug. Meine kalten Handflächen trockneten meine nassen Wangen.

,,Kennst du den Wichser etwa?''

Ich konnte keine richtigen Antworten geben. Um mich herum drehte sich alles. Der Gedanke diesen teuflischen Typen wieder gesehen zu haben, brachte in mir alles auf Alarmstufe Rot. Jede einzelne Erinnerung, an diese Zeit, kam mir in den Sinn. Jede Kleinigkeit, die meine frühere Naivität auslöste. Alles.

Mir schien es als ob ich alles doppelt sah. In meinem Kopf schallte immer noch diese abartige Stimme und in meinen Augen brannte sich wieder dieses widerliche Gesicht ein.

Es war vorbei.
Es würde alles wieder von vorne beginnen.

Tarik und ich liefen stumm nebeneinander. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Alles schien mir wie ein Traum, ein böser Albtraum. Und Ich konnte nicht aus ihm erwachen.

Fassungslos musste ich stehen bleiben und kaltes Metall einer Säule stützend fassen.

,,Ist alles okay?'', fragte Tarik ungewohnt ernst und durchbohrte mich mit seinem Blick. Ich sah kurz hoch und konnte mich töten dafür. Dafür toten, dass er mich nun vielleicht schon durchschaut hatte.

Nickend ließ ich das kalte Metall los. Meine Füße bewegten sich weiter. Nach nicht mal drei Schritten, musste ich wieder stehen bleiben. Der Schock saß einfach zu tief. Es hatte mich psychisch als auch physisch im Griff.

Es stimmte also, die Folgen der Vergangenheit holten einen immer ein. Egal, wie sehr man dagegen ankämpfte
und Egal, wie sehr man dachte es vergessen zu haben.

Tarik legte seinen Arm langsam um meinen Rücken und versuchte mich teilweise zu stützen. Oder wie man das auch immer benennen sollte.

Ich war wie von Sinnen verlassen.

Er startete wortlos den Motor des Autos. Es herrschte unangenehme Stille. Fast zwei Jahre lang schien mein Leben wieder normal zu sein. Wieder wie früher. Ohne diesen bedrängenden Gedanken, diese bittere Erfahrung gemacht zu haben.

,,Wohin muss ich fahren?''

Ich blinzelte mehrmals und sah zu Tarik auf, der vor einer roten Ampel stehen geblieben war und mich fragend ansah. Sein Blick wirkte verschlüsselt.

,,Römerstraße.'', sprach ich ruhig aus und blickte erneut aus dem Fenster.

,,Hier?''

Ich nickte auf seine Frage hin und schnallte mich ab. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, öffnete ich die Autotür und verschwand um die Ecke, zu unserem Wohnblock. Zitternd öffnete ich unsere Haustür und schloss diese in sekundenschnelle wieder zu. Beinahe rennend bewegte ich mich in mein Zimmer und zog die schwarzen, blickdichten Rollläden runter. Zitternd legte ich mich ins Bett und spürte wie einzelne Tränen meine Wangen hinunter flossen, so dass mein Kissen recht schnell durchnässte. Ein bitterlich-salziger Geschmack lag mir auf den Lippen.

Durch Naivität kam ich in den falschen Freundeskreis, an die falschen Leute und so begann der Teufelskreis. Jeder einzelne Tag erschien bildlich vor meinen Augen.

,,Es ist nichts dabei, nur etwas Geld dazu verdienen.'', sprach damals Roberta ahnungslos und euphorisch. Sie war zwei Jahre älter als ich, aber im Kopf noch ziemlich unreif.

,,Aber.. Aber das sind Drogen..'', rief ich ihr aufgeregt zu. Sie zog an ihrer Kippe und wippte mit den Schultern unbekümmert.

,,Na und? Was ist heute, noch schnell und dazu sauberes verdientes Geld?''

EISBLAUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt