52. Teil - Wandschrank (Sichtwechsel)

3.1K 181 63
                                    

Ihr sanftes und schön gebräuntes Gesicht wirkte plötzlich etwas verblasst, als ich ihr die Wahrheit sagte und sie erwartungsvoll anstarrte. Seit Jahren dachte ich an den Verlust von Leila. Seit ich damals wie verrückt in jeder Ecke unserer Stadt nach ihr suchte,  nachdem Idris verhaftet wurde in dieser Nacht im Krankenhaus. 

Obwohl Leila komplett unerfahren war, als wir damals mit einander schliefen in Spanien, war es doch der intensivste Sex den ich je mit einer Frau hatte. Denn es war der erste mit tiefen Emotionen für mich. Der abgefuckte Gedanke, dass sie nachdem mit anderen intim war, schien mich seit gefühlten Ewigkeiten zu einem weiteren Glas Alkohol zu verleiten. 

,,Willst du nichts sagen?", fragte ich leise und blickte fasziniert auf ihre geschwungenen Wimpern, welche durch die geschlossenen Augenlider magisch wirkten. Als sie ihren Kopf anhob und das dunkelgrüne ihrer Augen mit einer kühlen Ausstrahlung zu mir aufblickte, spürte ich wie mein Puls unangenehm schneller schlug.

,,Dieser Unfall war nicht deine schuld und schon gar nicht meine, Tarik. Idris hat seinen Alkoholkonsum nicht im Griff gehabt und hätte niemals ein Auto in diesem Zustand lenken sollen. Dass du in diesem Moment mit ihm telefoniert hast war kein Auslöser für diese Tragödie, sondern lediglich ein blöder Zufall."

Ihr Blick war kühl. Viel zu kühl. Sie bückte sich vor mich und in mir schien in diesem Moment der Atem kurz stillzustehen. In ihren Händen hielt sie ihre Stöckelschuhe und anhand ihrer Körperhaltung merkte ich, dass sie an mir vorbei gehen wollte. Als ich bereits das Herunterdrücken der Türklinke akustisch wahrnahm, schien in meinem Kopf wieder Funktionsfähigkeit zu bestehen. 

 Bestimmend zog ich an ihrem Arm und als ihr Oberkörper an meinen stoß, schien ich meine Emotionen nicht mehr rational kontrollieren zu können.

,,Verdammt, ist das dein scheiß ernst, Leila? Ich habe monatelang gelitten wegen dieser Sache mit dem Unfall. Verdammt.. Ich hatte mir gewünscht, dass du da wärst. Mit mir diese scheiß Zeit durchstehst. Aber wie denn? Ich konnte dich weder örtlich finden, noch irgendwo in den sozialen Netzwerken..Und jetzt schaust du mich nur so desinteressiert an? Nach allem?" 

Meine Augen schienen gefüllt zu sein, doch mir war es in diesem Moment scheiß egal, dass ich Emotionen zeigte. Auf einmal spürte ich wie Leila den spitzen Absatz ihres Schuhs in meinen Oberkörper bohrte und wie ich mich wenige Schritte von ihr entfernte. 

,,DU hast gelitten, Tarik? Ich habe dich geliebt und habe es dir gestanden damals. Auch habe ich wegen dir mein langersehntes Studium in England aufs Spiel gesetzt. Und ganz  geschweige die Tatsache, dass ich wegen dir mein ganzes Umfeld verloren habe..Und doch tut mir das nicht leid, denn alles um mich herum war Heuchelei. Mitsamt dir. Du hast mir nie deine Liebe gestanden. Nie. Aber zu Idris, sagst du es während eines Telefonates und versuchst jetzt mich für all deinen Kummer verantwortlich zu machen?"

In Leilas Gesichtszügen schien sich Frust breit zu machen. Sie hasste mich. Nicht wie damals, als wir uns erst kennen lernten. Nein es war ein anderer Hass. Hass, welchen ich nicht mehr in eine andere Emotion verwandeln konnte. 

,,Außerdem hast du in dieser Nacht im Krankenhaus zu mir gesagt, ich soll gehen. Du hast mich vor allen wie ein Stück Dreck behandelt, Tarik. Du hättest mir sagen können, was abgeht. Aber du warst einfach widerlich zu mir. Und ja Tarik. Ich bin deiner Bitte nachgekommen und es war das beste was ich je tun konnte. Du warst eine Lehre für mich. Mehr nicht.", sagte sie mit solch einer kalten Emotion, welche mich von innen mit Kälte ausfüllte. 

,,Fuck ich war komplett neben der Spur an diesem Abend. Ich habe mich schuldig gefühlt, für diese Frau und ihr Kind. Für ihren Mann, der im Krankenhaus zusammenbrach und Idris anspuckte.. Ich wollte nicht, dass du für immer gehst."

Leila ließ ihre Hände sinken, in welchen sie ihre Stöckelschuhe wie eine Waffe hielt. Sie wirkte gefühlvoller und doch distanziert. Wir schwiegen beide danach. Mindestens zehn Minuten sagte keiner etwas. Wir standen uns nur stumm gegenüber.

,,Du widersprichst dir selbst, Tarik. Auch an der Hochzeit vor ein paar Tagen, hast du mich indirekt wegschicken wollen, um mit deinen loyalen Freunden in Ruhe feiern zu können. In deinen Augen war kein Kummer. Du warst Trauzeuge auf der Hochzeit von diesem Arschloch, welcher Seda mehrmals betrogen hat. Zum Beispiel mit Geni, mit welcher du heute wieder deine Bettspiele treibst.. Widerlich ist das - und genau deshalb bin ich dankbar für diese Lektion."

Ich starrte sie stumm an. Ja, als ich sie auf der Hochzeit wieder sah, schien ich mich komplett zu verlieren. Und ich musste auf sie zugehen. Musste ihr meine Arschlochart entgegen bringen, weil ich sonst vermutlich emotional zu Grunde gegangen wäre und völlig von der Bann gekommen wäre. Und wieso ich Geni heute wieder fickte, war ganz klar: Sie hörte mir zu. Sie kümmerte sich um mich - und nur sie konnte das nach Leila. Denn sie kannte mich seid wir Hosenscheißer waren. Sie kannte mich und meinen Willen. Und doch liebte ich sie nicht und könnte es auch nie.

Plötzlich schallten laute Stimmen vom Flur und schienen immer näher zu kommen.

,,Wenn man uns so sieht, wird man denken, wir haben es hier getrieben.", sagte ich ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen und merkte wie Leila verstört durch den Raum sah.

,,Tarik, du wirst mir diesen Geschäftsdeal nicht vermasseln. Egal wie sehr du dir es auch wünschst!", flüsterte sie mit einem feurigen Blick. Sie drückte mich plötzlich in eine Ecke des Raumes, wo ein Garderobenschrank stand.

,,Da passen wir nicht rein.", sagte ich beinahe lachend, doch sie ließ mich nicht ihren Plan sabotieren. Als die Tür mit einem Schlüssel geöffnet wurde, zog mich Leila in den Schrank, in welchen wir tatsächlich mit viel - sehr viel - Körperkontakt Platz fanden. 

Es war stockdunkel. Ihr Körper klebte förmlich an meinem und es brachte mein Blut in altbekannte Wallungen. Der süßliche, bekannte Geruch von ihr benebelte meine Sinne und ich wünschte mir nie wieder einen anderen Geruch wahrzunehmen. Ich vernahm die bekannten Stimme von meinen zwei Vorstandskollegen - Kevin und Frank. Was zum Teufel wollten beide hier? Doch ich merkte schnell, dass es Franks Büro war, in welchem wir waren. 

Das Gerede der beiden wirkte ebenso abgedämpft, da mich Leilas Körpernähe völlig verrückt spielen ließ. Unser Atem traf aufeinander und ich konnte schwören, dass sie ebenso schnell atmete wie ich. Und plötzlich setzte mein Verstand und Taktgefühl aus. Ich tastete mit meinen Händen ihren Hals ab, bis meine Hände ihr Gesicht festhielten.

,,Tarik..", flüsterte sie so leise und so streng, dass ich mich nur noch mehr verlor in unserer Körpernähe. 

,,Töte mich danach, Leila..", flüsterte ich kaum hörbar und legte in der Dunkelheit meine Lippen bestimmend auf ihre. Ihren leichten Widerstand empfing ich als Ansporn ihre Lippen gekonnt zu teilen und mit meiner Zunge ihre zu finden. Mit diesem gefühlvollen Kuss würde ich uns an alles zwischen uns beiden erinnern.

Denn es war meine einzige und wahrscheinlich nie wieder kommende Chance in diesem Wandschrank, wenige Meter von unseren Geschäftspartnern entfernt, Leila zurückzuerobern.

___

So meine Lieben: Ich muss es definitiv nochmal auf Fehler überfliegen. Aber wollte es euch nicht mehr all zu lang vorenthalten.

EISBLAUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt