30. Teil - ,,Was tun?"

3K 155 61
                                    

Das Geräusch und die Blutspritzer, welche entstanden, als Tariks große Faust auf das Gesicht von Alessio traf, waren keineswegs viel versprechend. Schockiert von dieser Aktion hielt ich Alessio am Oberarm fest. Seine Hände hoben sich reflexartig zu seiner Nase und verfärbten sich augenblicklich rot. Panische Clubgäste um uns herum bemerkten es und begannen Abstand zu nehmen.

„Komm, wiederhole es. Wiederhole, was du gerade eben so stolz gesagt hast..", drohte Tarik und kam dem verletzten neben mir erneut gefährlich nahe. Das Blau seiner Augen wirkte trotz der gedämpften Beleuchtung grell und rot umrandet.

„Tarik, bist du völlig krank? Was sollte dieser verdammte Schlag?", schrie ich das zwei-meter-große Biest vor uns an und empfand bei seinem unpassenden Grinsen plötzlich Zorn.

Im nächsten Moment kam er mir plötzlich nahe. So nahe, dass unser gegenseitiges Atmen hart aufeinander prallte.

„Tut mir leid für deinen süßen Freund. Aber er wird auf die Ehre meines besten Freundes nicht so leicht spucken können.", sprach Tarik mit angespanntem Gebiss und unfreundlichem Blick.

Der ständige Wechsel seines ironischen Grinsens und der düsteren Gesichtsanspannung irritierte mich völlig.

Meine Hand hielt ihn unsanft am Unterarm fest, als er Anstalt machte sich wegdrehen zu wollen. Mein Verstand hatte mich hierzu nicht verleitet - denn dieser versuchte vor diesem Typen krampfhaft Sicherheitsabstand zu halten.

Tariks Blick starrte überrascht auf meinen Handgriff. Das mystisch-blaue Augenpaar wanderte langsam zu meinem Gesicht. Und das selbstsichere in seinem Blick schien, auch wenn nur minimal, abgeschwächt zu sein.

„Dann musst du dir und mir die härtesten Schläge verpassen."

Sein festes Schlucken blieb mir nicht verborgen.

Ich hatte ihn.

Hatte ins schwarze getroffen.

Im nächsten Moment erschien die Security. Auf Wunsch der panischen Clubgäste dem Anschein nach. Sie berührten Tarik nicht - anscheinend kannten sie ihn.

Tarik nickte den zwei fülligen Männern zu, welchen ihn trotz seiner dummen Aktion mit Respekt behandelten. Der eisige Riese sah mich noch einmal kurz an, ehe er das Clubgelände beinahe triumphierend verließ. Emotionslos und kalt.

So wie er eben war. Ein rücksichtsloses Arschloch. Ein Arschloch, welches mir egal sein sollte.

Der Abend, welcher eigentlich Ziel und Zweck hatte mich abzulenken, endete im Krankenhaus, wo ich mit ein paar Freunden von Alessio auf seine Entlassung wartete. Nicht einmal im Traum hätte ich mir so einen Abendverlauf vorstellen können.

Diagnose: Nasenbruch. Alessios Operation würde erst in ein paar Tagen stattfinden, da wir gerade Wochenende hatten. Bis dahin sollte er zur Kontrolle da bleiben. Der arme Junge müsste mich eigentlich hassen. Aber er tat es nicht. Bei der kurzen Verabschiedung in seinem Patientenzimmer versicherte er mir sogar noch, dass ich keine Mitschuld trage und es ihm gut ging. Ob er Tarik anzeigen würde, ließ er noch offen.

Auf dem Weg raus aus der Uniklinik strömten mir tausende Sachen durch den Kopf.

Wieso verhielt sich dieser Typ nur so? Wieso schlug er Alessio? Wieso versuchte er Idris' zu schützen, wenn er doch der Hauptverursacher seines „Leides" war?

Und schon wieder befand ich mich im selben, kranken Stadium wie vor wenigen Tagen. Ich war die Leidtragende meiner eigenen Erinnerungen und Emotionen.

Noch ein paar Wochen - Ein paar Wochen bis zu meiner persönlichen Freiheit. Einer Freiheit, die mich durchstarten lassen würde. Ich würde zu mir selbst finden - Zu meiner eigenen, neu gewonnen Lebenslust.

EISBLAUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt