37. Teil - Traum

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Meine Augen sahen überrascht zu Tarik hoch, welcher soeben strahlend offenbart hatte, heute Geburtstag zu haben. Und nicht nur das: Er schlug mir ein gemeinsames.. ja was eigentlich? Was schlug er mich gerade vor? Ein verabschiedendes Abenteuer?

Ein Abenteuer nur mit ihm und mir.

Ohne die vernichtenden Gedanken an den Trümmerhaufen, welcher uns in unserer Stadt hier immer wieder ins Auge stach. Ein Anblick, welcher mir jedes mal stets aufs Neue einen Schlag in die Magengrube verpasste.

„Willst du mir nicht antworten oder zumindest gratulieren? Also so einen harten Korb habe ich nicht erwartet. Nicht einmal von dir, Leila Musai.", kommentierte Tarik meine Stummheit und lächelte. Lächelte mit einem gewissen, enttäuschten Unterton.

Kannte Tariks Charakter überhaupt das Gefühl von wahrhaftiger Enttäuschung?

„Ich wünsche dir alles Gute, Tarik.", sagte ich letztendlich lächelnd und merkte wie sich sein Blick fordernder verdunkelte. Meine Gratulation war ehrlich. Ehrlich aus Herzen.

Es war alles bald zu Ende. Ein bittersüßes Ende, welches mich vorerst von innen auslöschen- und ersticken lassen würde und bis dahin - ja genau - Bis dahin konnte ich die innere Hülle meines Körpers mit falschen Einbildungen und ehrlicher Euphorie füllen. Es war mir in diesem Moment auf gut Deutsch gesagt scheiss egal, welchen moralischen Wert meine Handlungen haben könnten. Welche Richtwerte waren schon realistisch? Besonders in Bezug auf Emotionen war ein Schema-F völliger Quatsch.

Mein Körper näherte sich seinem an. Sein betörendes Parfüm erreichte meinen Geruchssinn und ließ mein Herz ungewohnt flattern. Sanft und unüberlegt drückte ich meine Lippen auf seine Wange und merkte wie mein Puls erneut anfing zu pulsieren. Besonders dann, als ich merkte wie sich Tariks Mundwinkel -ehrlich anfühlend- anhoben.

„Und wie siehts mit meinem geforderten Geburtstagsgeschenk aus?", fragte er mit seinem bekannten Grinsen und den perlweißen Zähnen. Meine Mundwinkel zuckten ebenfalls in die Höhe.

„Was soll ich sagen..Ich will, dass du mir zeigst was es heißt, mit Tarik Hodzic abzuhängen.", gestand ich ebenfalls grinsend und hob fordernd meine Augenbrauen in die Höhe.

Er kam mir näher und schenkte mir ein ehrliches Lachen, welches dermaßen intensiv und echt klang, dass es mich ansteckte. Viel zu ungewohnt für ihn. Viel zu ungewöhnlich für dieses Art von Verhältnis, dass wir nun schon monatelang führten.


,,Ich nehme das.", sagte Tarik bestimmend und doch irgendwie geborgen zu mir, während er mir gekonnt mein Gepäck abnahm.

Ich konnte meinen Augen nicht trauen, als wir gegen zwei Uhr morgens tatsächlich in den quietsch-orangenen Flieger stiegen. Zwischen unserem Deal vor dem Club und der aktuellen Situation lagen vielleicht zwei Stunden. Ich hätte nie geahnt, dass Tarik Hodzic so verrückt sein konnte. So verrückt, um es mit einer anderen Stadt nicht beispielsweise auf Frankfurt abgesehen zu haben - sondern Granada, Spanien.

In der Eile packte ich zuhause schnellstmöglich ein einfaches Gepäck zusammen aus Frühlingsklamotten und der persönlichen Hygiene. Für mehr war nicht wirklich viel Zeit übrig geblieben. In weniger als dreißig Minuten war Tarik auch wieder vor meiner Wohnsiedlung angekommen um mich abzuholen und uns Richtung Flughafen zu steuern.

Während die hübschen Stewardessen systematisch unsere angelegten Gurte überprüften, sah ich immer noch viel zu überrumpelt von der Gesamtsituation auf den Radar, welcher uns bereits die Route für unser Ziel offenbarte. Meine leichte Müdigkeit, die sich seit Genis wenig zurück liegendem Geburtstag gesammelt hatte, ließ die gesamte Situation wie in einem Rausch an mir vorbei ziehen.

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