21. Teil - ,,Spiel mit''

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Während ich nachdenklich vor meinem Wandspiegel mithilfe eines Lippenstiftes meine Lippen bordeaux färbte, wusste ich noch nicht ganz recht, was ich von alldem Chaos halten sollte. Es war merkwürdig - merkwürdig mit einer Person heimlich zu kooperieren, die man nicht einmal lange kannte, geschweige wirklich leiden konnte. So sehr ich es auch versuchen würde, er könnte mir als Mensch niemals passen.

Tarik zu vertrauen fiel mir genau deshalb unglaublich schwer. Doch in diesem Moment sah ich keinen anderen Ausweg. Ich konnte nicht jeden Tag heulend in meinem Zimmer eingeschlossen bleiben
- das war nicht ich.

Ich war vieles. Naiv, impulsiv, oft viel zu mürrisch und auch manchmal eine Prise hilflos - aber Leila Musai war keine Aufgeberin.

Nicht jetzt, wo ich mit Anfang zwanzig mein Leben spannend gestalten sollte. Es musste einen Ausweg geben und für das erste war die vorgespielte Partnerschaft mit Tarik eine Notlösung, eine Übergangslösung, die hoffentlich nicht allzu lange anhalten würde. Und ich war mir sicher, dass Tarik in all dem auch einen Nutzen hatte, welchen er mir nur nicht verraten würde. Denn er besaß keinen guten Charakter.

Nicht gegenüber mir. Wenn er könnte, würde er Idris noch heute Nacht in ein Vergnügungshaus schleppen, um mich damit fertig zu machen. Um mir Schaden zuzufügen - Idris' und meiner komischen Art von Beziehung einen Punkt zu setzten.

Er mochte mich nicht - Ich mochte ihn nicht.

Und das würde sich auch nie ändern.

Auch nicht jetzt. Niemals.

Mit Wimperntusche und Rouge beendete ich die Gesichtsverschönerung. Das Giftgrün meiner Augen war abgeschwächt und die braunen Pigmente stachen erneut sichtbar durch. Mein Gesicht hatte es sich endlich von der elenden Heulerei erholt. Peinlich genug, dass mich Tarik in diesem miserablen Zustand sehen konnte. Da ich nicht wirklich wusste, was er mit  ,,herrichten'' verband, entschied ich mich für meine Lieblingsjeans und einen einfachen, schwarzen Rollkragenpullover. Meine dunklen Haare löste ich aus dem strengen Dutt, damit sie wellig über meine Schultern fallen konnten. Ein lästiges Bauchkribbeln dominierte in mir drin. Es musste der lästigen Nervosität zu verdanken sein.

,,Wohin fahren wir?'', fragte ich angespannt, während ich mich in seinem neuen Wagen anschnallte. Anscheinend wechselte er diese wie seine Unterwäsche.

Sein Blick war konzentriert auf die Straße gerichtet, während draußen ein Mix aus Regen und Schnee wüstete. Die angenehme Sitzheizung wirkte sich wie Wellness auf meinen Körper aus. Angenehmer als Bahn fahren war das alle mal. 

,,In eine Bar.'' 

,,In eine Bar?'', wiederholte ich fragend seine Antwort, weil es vorerst keinen Sinn für mich ergab. Mein Blick war auf sein männliches Seitenprofil gerichtet.

,,In Alex' Bar um genau zu sein.''

Er blickte kurz zu mir rüber und erwischte mich dabei, wie sich meine Gesichtszüge nach unten verzogen hatten. Seine untere Gesichtshälfte wirkte dunkler, denn der einstige Drei-Tage-Bart war dichter geworden und umrandete seine Gesichtsparteien markanter und machtvoller.

,,Wieso denn das? Als ob ich Lust hätte, in seinen persönlichen Käfig zu klettern und mich ihm wie ein Diener zu unterwerfen.'', rief ich demonstrativ und auch recht abgeneigt.

,,Könntest du zur Abwechslung einmal, deine von Gott gegebenen, Gehirnzellen benutzten?'', entgegnete er provokant und niedermachend.

Bevor ich zu seiner beleidigenden Aussage Stellung nehmen konnte, ergriff er erneut machthaberisch das Wort. Gott wie ich das verabscheute. Es war unbeschreiblich - er war auf unbeschreibliche Weise untertragbar.

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