38. Teil - Angst, Messer, Scheiterhaufen

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Wir saßen in einem klischeehaften, gelben Taxi. Während uns ein alter, schmächtiger Mann zur Unterkunft chauffierte und Tarik vorne mit ihm auf Englisch über Gott und die Welt sprach, zog ich es vor die Rückbank für mich und meine ausgestreckten Beine in Anspruch zu nehmen. Die Überlandstraße, auf welcher wir soeben fuhren, wurde ringsherum von Grünflächen voller identischen Olivenbäume geschmückt. Es wirkte wie aus einem idyllischen Bilderbuch. Meine Augen blieben bei Tariks markanten Seitenprofil hängen. Er wirkte gar nicht so arrogant und selbstverliebt, wenn er mit diesem fremden spanischen Mann sprach. Er wirkte sogar sympathisch.

„Couple?", fragte der ältere Mann im gebrochenen Englisch und schielte lächelnd von Tarik bis über den Rückspiegel zu mir. Ich wusste nicht was ich auf so eine Frage antworten sollte. Denn wir waren kein Paar. Und überhaupt - machte es einen Unterschied was wir diesem Mann nun von uns erzählen würden? Ich drehte mich stumm weg und bekam nicht mit, was Tarik ihm als Antwort andeutete. Denn der Gedanke, dass er den Kopf schütteln würde, erweckte ihn mir negative Emotionen, welche ich mir damit ersparen würde.

Ein aufgeregtes Gefühl stieg in mir hoch, als wir Granadas Stadtmitte erreichten. Die Straßen waren faszinierend. Besonders in der Morgenröte lächelten mich historische, weiße Gebäude besonders charmant an, während man in der Ferne gigantische Berge und bewohnte Hügel beobachten konnte.

Wir stiegen vor einem mehrstöckigen Drei-Sterne-Hotel aus. Es wirkte etwas veraltet doch wiederum ziemlich zentral und besucht. Der Taxifahrer verabschiedete sich freundlich und zwinkerte uns zum Abschied auffällig zu. Ich wusste nicht recht, wie ich das deuten sollte und lächelte lediglich höflich zurück. Tarik hingegen grinste allwissend und ließ mich als erstes in unsere Unterkunft treten.

„Wie ich merke, gefällt dir die Stadt bereits.", sagte das Geburtstagskind plötzlich und hielt mir elegant eine Klapptüre auf.

„Sollte es etwa anders sein?", stellte ich die Gegenfrage und erhielt als Antwort bloß ein schiefes Lächeln von dem Besserwisser neben mir.

Tarik sprach die Rezeption auf unsere Reservierung an und zeigte ihm auf seinem Smartphone die Reiseunterlagen. Und leider ergaben sich dann doch noch Komplikationen in der kurzfristigen Planung.

Und nein es war nicht wie in kitschigen Filmen - in welchen plötzlich alle Zimmer außer ein romantisches Doppelbett-Zimmer ausgebucht waren - definitiv nicht. In unsrem Fall waren schlichtweg die verbliebenden Doppelzimmer viel zu überteuert.

Und das konnten wir uns nicht leisten. Wir mussten ein Zimmer mit zwei Einzelbetten in Kauf nehmen und ich hatte das Gefühl, dass es Tarik auch nicht sonderlich störte. Und doch musste ich zugeben, während dem Hochfahren mit dem Aufzug, durch Nervosität verursachtes Herzrasen schwerer atmen zu können.

Tat ich mir mit diesem Trip wirklich einen Gefallen?

Und zu meiner Erleichterung schwieg Tarik zur Abwechslung einmal. Die Umbuchung blieb kommentarlos. Er ließ keinen provokanten Spruch ab. Wow. Merkte er, dass es mir doch ein stückweit unangenehm war mit ihm ein Zimmer zu teilen? Ach..Ich wusste es nicht, denn aus diesem Mann würde ich sowieso nie schlau werden.

„Passt doch.", sprach Tarik gähnend und ließ sich auf eins der blaubezogenen Einzelbetten fallen. Ich nickte stumm und ließ mein Gepäck neben dem anderen Bett fallen. Das Zimmer war schlicht ausgestattet. Links und rechts im Raum standen die Einzelbetten, dazwischen jeweils ein Nachttisch. Gegenüber befand sich ein Schreibtisch mit einem Fernseher und einem kleinen Mini-Kühlschrank. Der Ausblick aus unserem Fenster war ebenfalls gut. Wir konnte in eine orientalisch-wirkende Gasse blicken mit bunten Farben und auffallenden, weißen Pflastersteinen.

Als ich mich erneut zu den Betten drehte, erblickte ich Tarik mit geschlossenen Augen und einer regelmäßigen Atmung auf dem Bett liegen. Er war eingeschlafen. Und wäre er das nicht, hätte ich höchstwahrscheinlich vermutet, dass ich sich in ihm insgeheim ein Vampir verbarg, der keinen Schlaf benötigte.

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