53. Teil - Plan b)

3K 162 68
                                    


Ich bekam kaum Luft in diesem nach holzriechenden Schrank. Tariks Körper dicht an meinem ließ mich wie erstarrt nach möglichem Ausweichraum suchen - den es in diesem einen, scheiß Quadratmeter logischerweise nicht gab!

Die Stimmen von unseren Geschäftspartnern wirkten abgedämpft und doch zu nah. Was würde diesen Menschen nur durch den Kopf gehen, falls Sie Tariks und meine Körpernähe in diesem Holzkasten bemerken würden? Mein ganzer hart erbauter Erfolg würde in sich hinein fallen. Ich wäre eine junge, viel zu leicht zu verunsichernde Geschäftspartnerin... Diese Chance würde ich diesem verdammten Typen niemals bieten. Nur über meine Leiche!

,,Tarik..", flüsterte ich verstört, als seine warmen Hände mein Gesicht betasteten. Sein bekannter Geruch, der mich an viel zu vieles vergangenes erinnerte, schien meine Hirnfunktion zu hemmen. 

,,Töte mich danach, Leila..."

Ich fixierte mich in der Dunkelheit auf seine Wörter und spürte im nächsten Moment wie seine weichen Lippen gegen meine drückten. In kompletter Starre  merkte ich wie seine Zunge meine berührte und gekonnt versuchte den Kuss zu intensivieren. 

Plan a) ich schreie und schenke Tarik eine lang verdiente Ohrfeige - Folge dessen: Wir fallen auf und mein Image wird in diesem Unternehmen augenblicklich zu Nichte gehen. 

Plan b) ich machte mit, bis er keine Luft mehr bekommt und stirbt . 

Okay. Plan b. Fast wie ferngesteuert merkte ich, wie ich den Kuss allmählich erwiderte. So sehr erwiderte, dass Tariks Dominanz im Geschehen langsam verblasste. Etwas Tückisch realisierte ich,  wie sehr es ihm gefiel - ihm und seinem besten Stück. Solange gefiel, bis meine Zähne in seine Unterlippe bissen und Blut schmeckten. Tarik zischte kurz auf und schien sich allmählich zu entfernen. Doch im nächsten Moment war es so, als ob er meine siegessichere Mimik sehen konnte. Denn er zog mich plötzlich wieder an sich heran und drückte seine nach eisenschmeckenden Lippen auf meine. Die altbekannte Dominanz kehrte in seine Verhaltensweise zurück und ich verlor mich in meinem letzten Atem. 

Als ein lautes Türschließen ertönte und die externen Stimmen nicht mehr hörbar schienen, nutze ich die Chance und sprang regelrecht aus dem Schrank. Meine Atemfunktion kehrte allmählich zurück und was sich nun in mir entfachte war Wut. Reine Wut.

,,Es hat dir gefallen."

Wutentbrannt drehte ich mich zu dem Riesen hinter mir. Eine kleine, rötliche Wunde zierte seine Unterlippe von meinem Biss und nicht mal das machte ich ihn unattraktiver. Kopfschüttelnd wand ich mich von ihm ab und richtete mein Sommerkleid zurecht. 

,,Komm mir nicht näher!", rief ich bissig, als Tarik erneut vor mir stand. 

,,Gib es doch zu! Es hat dir sehr gefallen, Leila..", brummte er mit einem besessen Blick und schlug auf den Schreibtisch hinter sich. Ich starrte verstört auf seine gerötete Faust und ließ ein provokatives Lachgeräusch über meine Lippen ertönen. 

,,Deine Haare zieren in gar nicht so entfernter Zeit erste grauen Strähnen und doch bist du im Kopf noch auf dem Stand eines achtzehnjährigen, Tarik."

Tariks eisblaue Augen verengten sich ein stückweit, ehe er sein Hemdkragen richtete und nachdenklich an der Schreibtischkante lehnte. 

,,Ich liebe Logan. Und diese Liebe hängt mit viel zusammen. Mit Sicherheit, mit Vertrauen und Geborgenheit. Das zwischen uns beiden war lediglich aufregend, weil wir etwas unmoralisches taten. Wäre Idris nicht im Knast, hättest du wahrscheinlich immer noch nicht die Eier mir deine Empfindungen zu gestehen.. In dem Sinne..", sagte ich ehrlich und schritt aus dem Büroraum hinaus. Sein Gesichtsausdruck bleib mir somit erspart. 

Auf den Toiletten frischte ich noch einmal mein Make-Up auf und mischte mich anschließend noch einmal unters Volk auf der Dachterasse. Die Geschäftsfeier wirkte überhaupt nicht so geschäftlich. Viel mehr wie ein ausgelassenes Fest mit alten Bekannten. Logan, mein Kriegsverbündeter, schien ebenfalls eingetroffen zu sein, denn er war mit dem ältesten Vorstandsmitglied gerade am anstoßen. Ich gesellte mich dazu und merkte wie gut es mir tat, als Logans Hand auf meinem Schulterblatt Platz fand. 

Ich hatte selbst den Weg hierher gewählt, ich wollte in Tariks Nähe sein. Nicht weil ich ihn zurück wollte - nein. Weil ich ihm zeigen wollte, was er verloren hatte. Ihm zeigen, dass ich noch existierte und das er nicht einfach Menschen verletzen- und ungeschoren davon kommen konnte. Nun musste ich mit seiner Anwesenheit leben. Leben und auskommen, denn dieses Geschäftsding würde sich mindestens noch drei Monate lang ziehen. 

,,Alles gut?", hörte ich Logans tiefe Stimme neben mir. Ich nickte ihm zu und formte meinen Mund zu einem lächeln. Seine gräulichen Augen analysierten meinen Blick nachdenklich. Logan kannte mich nun mehr als drei Jahre lang und wusste wie ich tickte. Wann ich log und wann ich die Wahrheit sagte. Diese besondere Bindung bestand nie zwischen Tarik und mir. Und schon wieder erwähnte ich diesen Mann in meinen Gedanken, obwohl er es nicht wert war.

 ,,Verdammt Leila...Idris hat wegen mir eine Frau und ihr ungeborenes Kind umgebracht. Er hat wegen mir diesen Autounfall verursacht."

Ich schnappte überfordert nach eine Glas Champagner und versuchte damit meine negativen Gedanken zu verdrängen. 

,,Logan, freut mich Sie auch auf der Feier zu sehen. Sie haben aber nicht gentlemanlike gehandelt, indem Sie Leila alleine erscheinen ließen.", sage plötzlich diese bekannte Stimme. Ich leerte mein Glas komplett aus und starrte ungeduldig zu Tarik, welcher sich provokativ gegenüber von mir hingestellt hatte.

,,Ach, Frau Musai hat das gut gemeistert, auch ohne männlichen Rückhalt.", sagte das älteste Vorstandsmitglied neben Tarik. Der ältere Herr lächelte mich zufrieden an und legte den Arm um seine Frau, welche mich ebenfalls anlächelte.

,,Stimmt schon, Tarik. Leila und ich sind zusammen ein unschlagbares Team, doch Leila ist als Singleplayer nicht zu unterschätzen. Ich kenne sie lange genug, um dies bestätigen zu können." 

Logan grinste nach seiner Aussage erst mich, dann Tarik an, welcher dabei war mit einem gereizten Gesichtsausdruck den zweiten Knopf seines Hemdes aufzuknöpfen. Er versuchte ständig meinen Blick aufzufangen, doch ich ignorierte diese Versuche gekonnt. 

,,Tarik, Schätzchen. Wisch dir über den Mundwinkel..", sagte die ältere Dame in Form eines elterlichen Rates zu Tarik. Sie reichte ihm eine weiße Serviette, welche Tarik merkwürdig musterte. Er befolgte ihren Rat und als er die Serviette vom Gesicht nahm , erkannte ich definitiv die Farbe meines beerigen Lippenstiftes wieder. 

Shit....The struggle is real.

,,Leila liebes, hast du etwa Tarik deinen Lippenstift ausgeborgt?", fragte die ältere Dame mit einem süffisanten Lächeln und richtete alle Blicke auf mich.  

____________

1. F*ck u Corona. 

2. Männer.sind.kacke - Vertraut mir!

Das war mein Wort zum Sonntag und zu der langen Schreibpause..🙂

EISBLAUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt