15. Teil - Selbstverteildigung

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Zwischen dem ganzen Chaos, welches sich gerade auf meinem kühlen Zimmerboden verteilte, blickte ich wie gebannt auf eines der ganzen Bilder. Es war unser lang zurückliegender Abschlussball. Die Zeit bevor Idris und ich unsere Freundschaft in etwas anderes verwandelten. In etwas größeres. In etwas was mir bis dato noch so fremd und fern war. Etwas was es bis heute noch war.

Er trug einen dunkelblauen Anzug. Damals wirkte er noch um einiges kindlicher. Kein Bartwuchs, eine recht dünnere Statur. Und obwohl uns mehr als zwei Jahre voneinander trennten, schien das nie wirklich auf zu fallen. Ich wirkte auf viele älter und reifer als ich es tatsächlich war. Ohne das Chaos zu beseitigen, stand ich gekränkt auf und lief auf meinen Mini-Balkon. Kühler Wind wehte mir gegen das Gesicht. Ich liebte die Aussicht. Die vielen Maisfelder, die Berge im Hintergrund, nichts das an Industrie und Moderne erinnerte. Einfach nur naturbelassen und unkonventionell. Zehn Minuten später und durch eine Jacke gewärmt lief ich genau diesen Feldweg stumm entlang.

Ich hatte schon immer das Bedürfnis etwas anderes aus meinem Leben zu machen. Etwas was sich nicht wie folgt anreihte : Schule, Studium, Mann, Kinder - Nein. Ich wollte mehr von der Welt sehen. Ich wollte kein Stereotyp sein. Ich wollte die schönsten Seiten dieser Erde sehen. Asien, Amerika.. und vieles mehr. Ich wollte studieren - ja - aber wo anders. Nicht hier. Und auch nicht Betriebswirtschaftslehre oder sonst einen anderen, langweiligen Mist. Lieber etwas in Richtung Sprachen oder Kulturwissenschaften. Und im Moment schien mein Leben ganz und gar nicht diesem Idealbild nachzustreben.

Ich war 22, hatte mein Abitur in der Tasche und machte dieses Jahr ein Überbrückungsjahr. Jobbte in einem öden Klamottenladen ohne weitere Perspektive. Wütend und nicht ganz definiert wieso, kickte ich kleine Steine vor meinen Füßen hin und her. Als ich zu unserem Wohngebäude zurück lief blieb ich abrupt stehen.

Mein Blick fiel in ein eisblaues Tief. Er stand locker angelehnt an seinem BMW. Als er mich bemerkte, richtete er sich gerade auf und fixierte mich mit seinem rätselhaften Blick noch intensiver.

,,Was machst du hier?", fragte ich deutlich verwirrt und verschränkte meine Arme vor meiner Brust. Er atmete tief ein und kratze sich nachdenklich am Hinterkopf. In der anderen Hand sein Autoschlüssel geschmückt mit einem silbernen Lilienanhänger - welcher höchstwahrscheinlich an die bosnischen Wurzeln erinnerte.

,,Seid Tagen jammert mich dein Freund voll - ich halte es nicht mehr aus. Melde dich mal bei ihm. Oder nimm einfach einen seiner Millionen Anrufe entgegen. Wie wärs?"

,,Deshalb bist du hierher gekommen? Um mir das zu sagen?"

Ich hatte einen genervten Gesichtsausdruck gezogen. Er zog den Reißverschluss seiner blauen Jacke höher und steckte kurz danach die Hände in die Jackentaschen.

,,Ganz genau.", entgegnete er nun mit einem kalten Ausdruck. Kopfschüttelnd wollte ich mich zum Eingang drehen, doch als ich ein silbernes Auto merkwürdig an uns vorbei fahren bemerkte, schien mir das Blut in den Venen zu gefrieren. ,,Was schaust du so?", fragte Tarik hinter mir. Doch er konnte sich auch ohne meine Antwort schnell ein Bild dessen machen. Alex auf dem Beifahrersitz nickte uns dreckig grinsend zu und fuhr zunächst im Schneckentempo neben uns her, dann jedoch im darauffolgenden Moment mit Vollgas weg. Ich spürte wie sich meine Zähne in meine trockenen Lippen bohrten

,,Dieser Bastard..", sprach Tarik leise vor sich hin und blickte dem silbernen Auto hinterher. Ich verschränkte meine Finger in meinen offenen Haaren und schloss meine Augen. ,,Er wird nie locker lassen. Niemals." Meine Stimme wirkte anfangs verzweifelt, doch mit jeder weiteren Silbe dominierte die Wut im gesagten. Die Wut auf mich selbst. Als sich mein Blick erneut mit Tariks kreuzte, fiel mir auf wie nachdenklich er erneut wirkte. ,,Los hol' dir von oben sportliche Anziehsachen." Ein nun etwas dunklerer Blick bohrte sich in meinen.

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