42. Teil - Erinnerung

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Mein Kopf lag auf der Brust von Tarik. Ein dünnes, weißes Lacken bedeckte unsere Körper, welche immer noch erhitzt waren. Ich spürte wie seine warmen Finger wohltuend über meine Stirn fuhren, um verirrte Haarsträhnen zur Seite zu streichen. Bei dieser Berührung schloss ich meine Augen entspannt und lauschte seinem Herzschlag zu, welcher ein Hauch von Unregelmäßigkeit mit sich trug. Ich wollte diesen Moment am Liebsten fest halten und niemals loslassen. Und zwar auf Endlosschleife. Es wäre mir auf Ewig egal, was in der grauen Außenwelt um uns herum geschah, nur um diesen Augenblick für immer so intensiv spüren zu können. Denn in meinem gesamten Leben fühlte ich mich noch nicht so erfüllt. Erfüllt und zufrieden - ja sogar mehr als dass. Viel mehr. Ich wollte im Regen tanzen, zu Musik, welche mir sonst nicht einmal ansatzweise gefiel. Und trotzdem würde mein Körper den Rhythmus finden. Im kühlen Regen, bis jede Hautstelle komplett durchnässt war. Obwohl ich Nässe und Kälte im Regelfall verabscheute. Jedoch könnte mir mit diesen in mir wütenden Gefühlen und Empfindungen nicht einmal eine dunkle Apokalypse was anhaben, geschweige lästige Alltagsprobleme. Und doch schwiegen wir. Seit gefühlten Stunden. In der gleichen Position, während man in unserem abgedunkelten Hotelzimmer dynamische Klänge des Nachtlebens mitbekam, welche von den belebten Straßen Granadas erschallten. Die letzte Nacht, bevor es zurück in die bittere Realität ging.

,,Bereust du es?"

Mein Blick rutschte hoch. Tarik starrte konzentriert die Decke an, fast als ob er meinem Blick flüchtete. Ob ich es bereute? Bereute meine Unschuld ihm geschenkt zu haben? Das meinte er nämlich. Einem Mann, der so etwas wie meine erste große Liebe - auf zutiefst merkwürdigen und umständlichen Umwegen - darstellte? Ein Mann, der eigentlich der beste Freund meines Exfreundes war? Ein Mann, welcher bekannt dafür war, Frauen wie Dominosteine nacheinander fallen zu lassen, nachdem er das erreicht hatte, was er wollte? Vielleicht würde das moralischste sein, nach alldem, zu bereuen..Zu zweifeln. Aber ich handelte seit Monaten nicht mehr moralisch. Mein Verstand wurde von meinem Herzen dominiert. Ob ich es wollte oder nicht. Ich war schlichtweg machtlos.

Und nein.

Ich bereute es nicht.

Keinen Prozent.

Nachdenklich richtete ich mich auf und bückte mich über Tariks Gesicht. Mein Finger glitt sanft über die Narbe in seiner linken Augenbraue. Sein Blick kreuzte sich mit meinem und schien mich zu durchbohren.Glaubte er wirklich, dass ich es bereute?

,,Bereust du es denn, Tarik?"

Und nun das komplette Gegenspiel: Mein Herz schien nun quälend langsam zu pochen, als ich über ihm gebückt, ungeduldig seine Antwort abwartete. Der unter mir liegende schien schwer zu schlucken. Als ich Anschein machte, mich von ihm entfernen zu wollen, zog er mich an sich zurück. Noch näher als zuvor. Unsere Lippen berührten sich hauchzart. Vor meinen Augen spielten sich die intimen Szenen von uns erneut ab, welche vielleicht knapp eine Stunde zurück lagen. Und obwohl ich Scham erwartete, empfing mich in meinem inneren lediglich Feuer. Knisterndes Feuer, welches mich wärmte.

Tarik war zärtlich zu mir. Und ich hätte mir niemand anderes vorstellen können, an seiner Stelle. Die Punkte, die er an meinem Körper geliebkost hatte, schienen immer noch angenehm zu pochen. Es geschah alles wie in einem Rausch. In einem Rausch, welcher dank tiefer Leidenschaft, Verlangen und Zärtlichkeit erweckt wurde. Und ich wusste auch, dass es ihm gefallen hatte. Es war als ob unsere Emotionen zu Einem wurden. Körperlich als auch seelisch.

Tariks weichen Lippen wurden plötzlich stürmischer, während mein Puls mir wieder drohte mich in Ohnmacht zu versetzten. Der Druck auf meinen Mund nahm ab, denn er hielt auf einmal inne um uns nach Luft schnappen zu lassen.

,,Leila, wenn ein anderer auch nur wagt, dich anzufassen, werde ich ihn kaltblütig töten..", raunte er befehlend an meine Lippen und legte sie kurz daraufhin wieder auf meine. Ich erwiderte den Kuss lächelnd und merkte wie er uns drehte und ich ohne Widerstand leisten zu können, ausgeliefert unter ihm lag. Das eisige Blau schimmerte durch seine dunklen Wimpern zu mir runter.

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