25. Teil - Spielpartner II

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,,Lass mich los, Tarik!", zischte ich teils aus aufgestauter Wut und teils aus mühevoller Kraftlosigkeit.

,,Sei still."

Tariks Stimme schien leise, doch das bedrohliche und dominante in seinem Unterton überhörte ich nicht. Die Mattierung seiner Stimmfarbe war ganz eigenartig.

Eigenartig und doch machtvoll - so ungern ich es auch zugab. Nach dem er seine Wohnungstür unsanft zugeschlagen hatte, zuckte ich unauffällig auf.

,,Gib mir dein Handy."

Er hatte seine Hand fordernd ausgestreckt und musterte mich mit einem verschlüsselten Blick. Wieso ich stumm gehorchte? Ich wusste es nicht. Vielleicht weil ich am Ende mit meinen Nerven war. Weil mich innerlich alles zerfraß, was möglich war. Weil ich hilflos war. So hilflos, dass ich Tarik traute.

Nachdenklich saßen wir in seinem engen Wohnzimmer, welches mager eingerichtet war. Das ausfälligste war sein überdimensionaler Fernseher und seine weiße Playstation darunter. War es normal, dass ein Mitte zwanzigjähriger so etwas besaß? Keine Ahnung. Tarik war sowieso ein Fall für sich. Mit zig Facetten. Vom eisigen Mann, welcher nach dem strebt was er will, ohne Rücksicht auf Verluste - bis zu diesem Jungen, welcher auf kindischste Weise die Welt belächelt.

Übermüdet beobachtete ich, wie er mein Handy an sein Macbook anschloss. Sein Blick wirkte hochkonzentriert. Was er genau tat, war mir ein Rätsel. Und wieso er es tat, genauso.

,,Erste Tür auf der linken Seite des Ganges.''

Fragend sah ich in seine eisigen Augen. Altbekannte Monotonie zierte seine markanten Gesichtszüge. Er entledigte sich seiner weißen Jacke und präsentierte seinen definierten Oberkörper in einem Muskelshirt. Einem Hauch von nichts.

,,Das Badezimmer. Du kannst dir deine Haare föhnen oder was auch sonst immer."

Sein Blick glitt kurz über mein äußeres. Ich hatte völlig vergessen, was der Regen mit meinem Äußeren angerichtet hatte. Wie kam gerade ein selbst orientierter Mensch wie er es war, auf solche sozialen Gedanken?

,,Und ich kann dir in meiner Abstinenz mein Handy anvertrauen?", fragte ich trocken und blickte kritisch auf die bunte Verkabelung mehrerer Geräte.

,,Ich bezweifle, dass du schmuddelige Sachen darauf bunkerst. Außer du möchtest mich vorwarnen, bevor ich zu intime Nachrichten von dir und Idris lese."

Ich spürte wie sich meine Wangen erwärmten. Kopfschüttelnd wand ich mich von diesem taktlosen Idioten ab und stand auf. Diesen überlegenen Blick von ihm musste ich mir nicht geben. Diese verdammte, linke Augenbraue von ihm, welche stets etwas nach oben gezogen war und nur so nach Spott schrie. Nicht heute, wo ich viel zu schwach war, um ihm meinem Charakter gerecht zu kontern.

Als ich im Badezimmer angekommen war, spürte ich wie schnell mein Puls schlug. Wieso schaffte dieser verdammte Mistkerl in jeder Situation mich aus der Fassung zu bringen? Wieso konnten diese niveaulosen Bemerkungen nicht einfach spurlos an mir vorbeiziehen?

Weil du genau weißt Leila, dass er dich spätestens seid Silvester durchschaut hat.

Auf die dünnste Hautschicht.

Ich ignorierte meine innere Stimme. Dafür verharrte mein Blick auf dem Glas gegenüber von mir. Mein Spiegelbild war grausam. Die dunklen Schatten unter meinen beiden Augen verrieten meine Schuld. Meine Qual wurde durch die Röte um meine Pupillen herum gekennzeichnet.

Die Wärme des Föhns verschlimmerte die innere Hitze in mir drin bloß. Ich ließ es deshalb nach wenigen Sekunden auch sein und spritze mir stattdessen kaltes Wasser ins Gesicht. Seufzend stützte ich mich ans Waschbecken ab und spürte wie schwer mir das atmen fiel. Die peinigenden Gedanken, wie dreckig sich meine Eltern gerade fühlen mussten, machten mich absolut verrückt. Angehende Tränen schluckte ich schwer runter. Es war wie in einem Albtraum. Ein Albtraum, welcher sich so echt anfühlte, jedoch bald enden sollte. Enden musste.

EISBLAUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt