32. Teil - Wunde

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Dieses knallhafte Geräusch, welches sich in mein Gehör bohrte, ließ mich für einen Moment lang alles um mich herum vergessen. Warme, große Hände zogen mich an sich. Vor meinen Augen befand sich immer noch der dunkelhäutige Mann, welcher die Pistole auf uns gerichtet hatte. Und obwohl er schon längst weg vom Fleck war, schien es mir als ob er immer noch da stand.

„Verfickte scheisse, Leila!", schrie mich Tarik mit großen Augen an, doch ich realisierte um genau zu sein nichts.

Seine Stirn lag in Falten, während leichte Schweißperlen seine Schläfen entlang rollten. Viel mehr konnte ich nicht von meiner Außenwelt wahrnehmen, denn meine Augen waren halb geschlossen. Ich fühlte mich wie eingefroren. Er packte mich an der Hüfte und trug mich in schnellster Geschwindigkeit von dem Tatort weg.

„Leila, sag etwas. Sag etwas verdammt.", flüsterte mir Tarik während des Rennens zu und küsste meine Schläfe.

Meine Augen verharrten auf seiner grauen Jacke, welche sich plötzlich rot verfärbte. Verfärbte von meiner blutenden Schulter. Was in den nächsten Minuten geschah, nahm ich nur schleierhaft mit. Ich wusste nur, dass ich mich in der selben Uniklinik befand, aus welcher ich davor weinend rausgerannt war.

Meine Augen brannten, als ich sie langsam öffnete. In meinen Beinen fühlte es sich schwer an, als ob ich an hängenden Gewichten gekettet war. Und sie aus dieser Schwere zu erwecken, erwies sich schwerer als erwartet. Mein Blick rutschte runter und erblickte ein weißes Hemd. Ein weißes Hemd mit Millionen von kleinen, hellblauen Punkten. Mit meinen kalten Fingerspitzen fuhr ich vorsichtig über die Wölbung zwischen meiner Schulter und meiner Brust. Bei der Berührung zuckte mein Oberkörper zusammen und es wirkte, als ob ich mit viel mehr Druck als es der Realität entsprach auf die Stelle gedrückt hatte.

Zischend versuchte ich mich gemütlicher hinzulegen und erblickte plötzlich gegenüber von mir keinen geringeren als Tarik. Einen schlafenden Tarik. Er hatte die Hände vor der Brust verschränkt und saß seelenruhig auf dem Holzstuhl. Seine Haut wirkte ungewöhnlich blass. Im nächsten Moment hörte ich wie die Zimmertür aufging und eine junge Krankenschwester in einem babyhaften hellblau den Raum betrat. Sie schenkte mir ein sanftes Lächeln und kam auf mein Bett zu.

„Schön, Sie sind wach. Wie geht es Ihnen?", fragte sie weich und überprüfte mit einem intensiven Blick ein Gerät neben mir, welches meine Herzfrequenz nachahmte.

„Ich denke gut.", antwortete ich zurückhaltend und beobachtete wie sie den Katheter mit samt Tüte von mir löste.

„Der Doktor kommt gleich und wird mit Ihnen sprechen."

Ich nickte langsam. Die lockhaarige Krankenschwester blickte kurz zum schlafenden Tarik und lächelte im nächsten Moment wieder mich an.

„Er war die ganze Nacht bei ihnen. Der arme war ganz besorgt um Sie. Wir haben schon geahnt, dass er kein Familienangehöriger ist, auch wenn er es stur behauptet hat. Ausnahmsweise haben wir ein Auge zugedrückt."

Ich wusste bei ihrer Aussage nicht ob mich bedanken oder nicken sollte. Also entschied ich mich für nichts von beidem. Sie bückte sich noch einmal zu mir und zog das weiße Hemd an meiner Brust ein Stück runter. Ein weißes, dickes Verband zierte mein Sichtfeld.

„Alles gut.", sprach die junge Frau mehr zu sich, als zu mir und notierte etwas in ihren Unterlagen.

„Auch wach? Ihre verwundete Freundin hat anscheinend weniger Schlaf benötigt.", sprach die Krankenschwester lachend und als sie sich ein Stück nach rechts bewegt hatte, fiel der nun wache Tarik in mein Sichtfeld.

Die Krankenschwester verließ das Zimmer und im selben Moment sprang Tarik auf und näherte sich meinem Bett an. Er wirkte trotz soeben beendetem Schlaf übermüdet. Doch seine überprüfenden Augen widerlegten das. Leise setzte er sich neben mir aufs Krankenbett. Sein warmer Körper war meinem nahe, doch wir berührten uns nicht.

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