10. Teil - ,,Boxerfreund''

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Ich drehte mein Gesicht von Idris weg und suchte mit meinen Augen nach unserer Sitzecke. Mein merkwürdiges Bauchgefühl ließ mich einfach nicht los. Erstaunlicherweise standen genau dort mehrere, unbekannte Männer. Einer dieser großwirkenden Männer schubste plötzlich jemanden stark zurück. Als ich genauer hinsah, erkannte ich in dem ganzen Tumult Tariks muskulösen Körperbau. Schnell entzog ich mich von Idris, welcher ernüchternd seufzte.

,,Idris, ich glaube die prügeln sich!'', rief ich hektisch und deutete in die gemeinte Richtung. Idris sah sofort zurück und zog mich an der Hand von der Tanzfläche weg.

,,Komm auf was wartest jetzt noch du elendiger Bastard?'', rief Tarik herausfordernd und schubste den schwarzhaarigen, unbekannten Typen mit einem Ruck zurück. Dieser wollte nun auf ihn los, doch Tarik war um einiges schneller und taktischer. Er boxte ihm mit seiner geballten Faust ziemlich unsanft ins Gesicht. Jiyan versuchte dazwischen zu treten, doch sinnlos. Tariks Augen waren Feuer und Flamme. Er war in einem Zustand, in welchem ich ihn noch nie erlebt hatte. Seine Halsadern kamen deutlich zum Vorschein, als er angespannt zu seinem Opfer sah. Die blauen Augen glichen einem gewissenslosen Raubtier.

,,Was ist hier los?'', rief Idris sehr laut, um gegen die laute Musik anzukommen. Er hielt Tarik am Oberarm zurück.

,,Dieser Köter sucht Probleme.'', sprach Tarik zähneknirschend und blickte mit den Augen in die Richtung der unbekannten Männergruppe. Idris dachte wohl, mit menschlicher Kommunikation den Konflikt lösen zu können, doch dies erwies sich nicht als funktionsfähig. Nicht hier und jetzt. Denn kaum hatten sich die Seiten etwas zurückgezogen, tauchte wieder der schwarzhaarige auf und hämmerte in Tariks Richtung auf einmal eine Bierflasche. Mein Atem stoppte für einen kurzen Moment. Ich stand neben Tarik und hielt ihn schnell auf, als er in meine Richtung schwankte. Er stöhnte vor Schmerzen laut auf. Mit letzter Kraft hielt ich sein Gesicht fest. Mein Körper versteifte sich. Rot. Dunkles Rot. Er blutete. Idris nahm ihn mir zügig ab und ergriff seine Schultern. Alles spielte sich innerhalb weniger Sekunden ab. Der Besitzer des Clubs schmiss die Männergruppe aus dem Lokal. 

Was war bloß der Auslöser dieses Konfliktes?

Behutsam legten wir Tariks Körper auf dem Polster der Sitzecken ab. Das Blut vermehrte sich auf seinem Gesicht. Geschockt sahen wir ihn alle an und warfen uns ratlose Blicke zu.

,,Diese Hunde, wo sind sie jetzt? Ich hacke ihnen den Kopf ab!'', rief Jiyan laut und sah durch die Menge. Sein Atem war hörbar schnell und die Fäuste geballt.

,,Bleib hier man. Das bringt nichts!'', entgegnete Idris streng, welcher wie sonst auch immer versuchte den kühlen Kopf zu bewahren. Wir Mädchen setzten uns stillschweigend auf die gegenüberliegende Sitzbank. Seda beobachtete Jiyans Vorhaben kritisch und besorgt. Der Clubbesitzer, welchen unsere Jungs gut kannten, eilte mit einem Verbandskasten auf uns zu. ,,Leila verarzte seine Wunde, du warst doch in der Schule im Erste-Hilfe-Kurs!'', schlug Seda aufgebracht vor und drückte mich in Tariks Richtung. Idris eilte dem aggressiven Jiyan hinterher, welcher auf der Suche nach den Tätern war und anscheinend eine zu dumme Aktion plante. Typisch Mann. Typisch Jiyan.

,,Legen wir am Besten seinen Kopf auf deinen Schoss!'', rief Yevgeniya und half sofort dabei. Tarik hatte die Augen geschlossen und zischte leise vor Schmerzen. Ich drückte das weiße Stück Stoff über seine Augenbraue, auf die wirklich unschöne Wunde, um die dauernde Blutung zu stoppen. Es musste sicher höllisch schmerzen. Zum Glück konnte man schon jetzt erkennen, dass es keine zu tiefe Schnittwunde war.

,,Geht es dir gut Tarik?'', hauchte ich leise und nah an seinem Gesicht. Seine Augen öffneten sich halb und blickten emotionslos in meine. ,,Mir ging es nie besser.'', sprach er monoton und wollte sich aufrichten, doch ich hielt ihn mit meiner Hand davon ab.  ,,Ruhig. Bleib erst mal liegen.'' Ein auffälliges Rollen seiner Augen folgte auf meine Anweisung. ,,Außerdem sind die Täter schon längst über alle Berge. Du könntest sie nicht mehr einholen.'' ,,Denkst du?'',fragte er sarkastisch und wollte mir mit seinem eindrücklichen Blick anscheinend seine beibehaltende Stärke beweisen. Ich verstärkte den Druck auf seiner Wunde und spürte wie er unter mir auf zuckte. ,,Wo hast du deinen angeblichen Erste-Hilfe-Kurs gemacht? Wahrscheinlich in einem dummen Film gesehen.'' ,,Du bist absolut taktlos.'', entgegnete ich kopfschüttelnd und erblickte im selben Moment meinen Freund und den anscheinend besänftigten Jiyan.

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