46. Teil - Überraschungseffekt

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Schnellatmend legte ich meine Hände auf dem Waschbecken ab und spürte wie einzelne, kalte Wassertropfen mein Gesicht entlang streiften. Im leicht beschlagenen Spiegel erkannte ich die dominante Zornesfalte zwischen meinen Augenbrauen, welche selten zum Vorschein kam und wenn sie es tat, dann war definitiv klar in welchem emotionalen Zustand ich angekommen war. Ein emotionaler Zustand, welcher lange zuvor erwartet war. 

Ich band mir den weichen Bademantel um den erhitzten Körper und schritt in den modern ausgestatteten Wohnbereich des Hotelappartements. Logan hatte es sich in einem graubezogenen Sessel gemütlich gemacht und starrte in sein Tablet, um höchstwahrscheinlich Geschäftliches zu erledigen. Sein Sakko lag neben ihm auf eine der Kommoden, während er sein schwarzes Hemd gemütlicher gestaltet hatte, indem er die ersten Knöpfe geöffnet- und die Ärmel hochgeschoben hatte.  Als er mich bemerkte, sah er allwissend zu mir rüber und legte das Tablet zur Seite. Ich ließ mich auf die Eckcouch fallen und legte den Kopf erschöpft in den Nacken.

,,Wie fühlst du dich?", fragte seine raue Stimme. Er lehnte sich vor und legte seine Ellenbogen auf seinen angewinkelten, langen Beinen ab. Das graubraune Farbenspiel seiner runden Augen beobachtete mich fragend. Ich streckte meine Beine gähnend aus und seufzte nachdenklich.

,,Wütend und gut zugleich..", antwortete ich ehrlich und blickte zu seiner interessanten Körperhaltung.

,,Die Wut füllt dich aus. Sie muss dich ausfüllen, damit du diese wieder abbauen kannst und in einem neutral-entspannten Zustand fortfahren kannst."

Ich starrte Logan unglaubwürdig an. Dieser Mann war manchmal viel zu weise. Weisheit, welche ihn noch attraktiver machte. Welche ihn unberechenbar machte und dem männlichen Geschlecht selten gut gesprochen werden konnte.

,,Hast du wirklich nicht heimlich Psychologie studiert?"

Logan grinste verschmitzt und stand auf, um sich vor mich zu knien. Seine große Hand strich wohltuend über meine Wange.

,,Es war tatsächlich nur eine Kursunabhängige Veranstaltung.. Ich bin stolz auf dich, Lei. Ruhe dich gut aus. Morgen ist ein großer Tag. Unser großer Tag.", sagte er vielversprechend und doch realistisch. Seine Lippen strichen sanft über meine Stirn, ehe er mir zu grinste und mit einem Zwinkern mein Apartment verließ, um wahrscheinlich selbst schlafen zu gehen. Mit meinem Blick blieb ich an der nahestehenden Digitaluhr hängen. Es war ein Uhr morgens. Wahrscheinlich war die Hochzeit noch im vollen Gange. Während die Braut mit gezwungenem Blick das beschenkte Gold auf ihrem Körper trug und zusehen musste, wie trotz Anlasses, ihr nebenstehender Ehemann die vielen Frauen in ihren teilweise viel zu engen Kleidern abschätzte, würde wahrscheinlich der blauäugige Trauzeuge irgendwo in einer Ecke von seiner angeblichen Freundin pervers ausgezogen werden.

Ich musste vor mich hin grinsen. Denn genau so ein Anlass war perfekt. Perfekt um die Menschen von dem Alltag abzulenken. Ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass alles in Ordnung sei, trotz der Scheinwelt, welche sie fest umgab. Und dann ganz plötzlich, wenn sie in ihrer gewöhnlichen Umgebung ihren Gewohnheiten nachkamen, würde die Bombe platzen. Die Bombe, welche frisch aus England eingereist war. Und dass nicht nur, um auf der Hochzeit ihrer ehemaligen Kindheitsfreunden anwesend zu sein. Das war nur ein Vorgeschmack. Ein kleiner Vorgeschmack von dem, was auf sie erwartete.

An diesem Montagmorgen war ich motiviert wie lange nicht mehr. Aus dem Radio dröhnte der aktuelle überall zuhörende Ohrwurm ,,Cheap Thrills" und auch wenn das nicht mein gewöhnlicher Musikgeschmack war, passte es gerade wie die Faust aufs Auge. Ich lockte meine schulterlangen Haare etwas und schlüpfte in mein Outfit. Es war eine mehr als vorteilhafte dunkelblaue Skinny-Jeans, von meiner absoluten englischen Lieblingsmarke. Deutsche Läden konnten hiermit nicht mithalten. Dazu kombinierte ich ein eng anliegendes Top und als typisches Businessmerkmal zog ich meinen schwarzen Blazer an und die spitzförmigen, schwarzen Pumps. Meine Augenmakeup beließ ich dezent, während meine Lippen dunkelrot aufleuchteten. Zuletzt packte ich mir mein iPad und die dazugehörige Aktentasche. Als ich an Logans Apartement anklopfte, dauerte es eine Weile, bis der verschlafen wirkende mir Einlass gewährte.

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