20. Teil - Vertrauen

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Mein Körper versteifte sich zu einer leblosen Skulptur.

Ich konnte nicht mehr.

Ich wollte nicht mehr.

Wollte nicht mehr in dieser beschissenen Situation stecken. In dieser Ausgangslosen Situation nach lebensnotwendiger Luft schnappen. Doch ich musste da durch. So sehr ich mich auch sträubte, so sehr wusste ich auch, dass es keinen anderen Ausweg gab.

Bevor ich diese verdammte Nummer wählte, erreichte mich per Whatsapp ein Bild von meiner Schwester.

Es war der erste Kindergartentag von meinem Neffen. Er strahlte frech und über motiviert. Und meine Schwester, welche hinter ihm gekniet war, tat es ihm gleich. Sie schien in ihrem problemlosen Leben aufzublühen

- Und ich?

Ich stand in meinem einengenden Zimmer und versuchte schon seid Stunden diese verdammte Nummer von meinem dunklen, vergangenheitsbezogenen Schatten zu wählen. Auch das Arbeiten schwänzte ich. Kein einziger Nerv blieb mir mehr für diese Menschheit da draußen übrig. Kein Nerv, allen ein gespieltes, sorgenloses Lächeln zu schenken, auf heile Welt zu machen, obwohl ich innerlich zu Grunde ging.

Tief einatmend rief ich die Nummer an. Es dauerte recht lange, bis Alex' widerlich klingende Stimme mein Anruf entgegennahm.

,,Leila Musai.. Na, hast du es endlich geschafft?'', hörte ich spöttisch aus dem Hörer.

Ich musste mich zusammen reißen - fest schlucken - nach genügend Atem suchen und mich endlich meinem Schicksal stellen. Vielleicht traf es Karma sogar besser.

,,Wie kann ich dich loswerden? Was willst du?''

Verkrampft stellte ich mich ans Fenster und blickte zu den beschneiten Bergen in die Ferne. Musste es nicht traumhaft sein, dort oben, irgendwo in einer abgelegenen Holzhütte alleine zu sein? Abgezweigt von der Zivilisation? Weg von sämtlichen Problemen, Komplikationen und Entscheidungen.

,,Hatten wir das nicht vorübergehend geklärt? Dein Boxerfreund-''

,,Er ist nicht mein Freund. Nicht mehr.'', warf ich abrupt ein und dass ohne darüber wirklich genügend nachgedacht zu haben.

,,So so.. Interessant. Dann muss dich dein Beschützer aber noch ziemlich lieb haben - denn fürs Erste haben wir wieder ein Geschäft - oder nennen wir es lieber einen Pakt am Laufen. Zu deinem Vorteil.''

,,Was für ein Pakt?'', fragte ich wie aus der Pistole geschossen.

,,Hör zu Musai. Ich habe keine Zeit für deine verfickten Fragen. Fürs erste reicht mir Tarik. Denn im Moment kannst du mir nichts geben, was daran kommt. Ich hab ein Motiv dich zu Grunde zu machen. Also bleib vielleicht lieber bei deinem Ex. Wir hören uns - außer du kannst es nicht mehr ohne meine körperliche Nähe aushalten, dann kann ich auch gerne kurz vorbei kommen für eine schnelle Nummer.''

Zitternd vor Wut legte ich auf und schmiss das Handy auf mein verwüstetes Bett, so als ob dieses kleines Gerät etwas für meine selbstverursachten Probleme konnte.

Verdammte Scheiße. Das konnte doch nicht wahr sein! Ich konnte doch nicht abhängig von Tarik sein.. Wie tief war ich nur gesunken?

Alex ließ mich nicht aus seinem Käfig hinaus. Er würde es auch nie tun. Freiwillig sowieso nicht. Da war ich mir mittlerweile felsenfest sicher. Dass einzige was mich aus dieser endlosen Situation bringen konnte, war die Hoffnung, dass er erneut gefasst wird.

Doch wer? Wer würde schon diesen Schritt wagen, den ich vor mehreren Jahren tat?

Ich durfte es nicht wieder riskieren, denn er hatte Beweismaterial, welches meinem Leben viel zu sehr schaden konnte. All mein Träume und Ziele schienen von diesem elendigen Unmenschen abzuhängen.

EISBLAUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt