EISBLAU

12. Teil - Die Geburtstagsfeier I

,,Das ist kein Ort für Menschen wie dich.'', er hielt kurz inne und fuhr mit einer tieferen Stimme fort. ,,Leila. Geh.'', raunte er befehlshaberisch und nah an meinem Ohr. Ich spürte wie mir eine ungewohnte Gänsehaut den Rücken entlang fuhr.

,,Jetzt erst recht nicht.'', entgegnete ich mit einer ähnlichen Stimmfarbe und lächelte gespielt.

Ich drehte ihm meinen Rücken zu und platzierte mich erneut auf meinen Stuhl, von dem ich ihn herausfordernd ansah. Er schüttelte seinen Kopf dem Anschein nach doch etwas gereizt und beugte sich zurück, um erneut in die Mitte des Rings zu laufen.

Die nächste Runde begann. Und das Verhalten von Tarik im Ring machte mich verrückt. Er war so.. so schlecht.

Und er hatte am Anfang bewiesen, dass er eigentlich ganz anders war. Viel konzentrierter. Viel taktischer. Viel stärker - Viel mehr Tarik selbst.

Ich bückte mich nach vorne und stützte mein Kinn auf meinem geballten Händen ab. Sein Gegner schien in seinem schwachen Gegenstand aufzublühen. Als dieser Tarik in in eine Ecke gedrängt hatte und mehrmals auf ihn aufschlug, musste ich mich bemühen, nicht wegzusehen. Ich kam auf das Verhalten von Tarik absolut nicht klar. Am liebsten hätte ich ihn an den Schultern wach gerüttelt. Dieses schwache, wehrlose Bild passte nicht zu ihm.

Er war anders.

Er war sonst das komplette Gegenteil. Die lauten Zuschauer, die anscheinend Geld auf Tarik gesetzt hatten, begannen laut zu demonstrieren. Es waren meist mittelaltrige Männer. Und dann passierte es. Ein ziemlich harter Schlag in Tariks Bauch und er fiel zu Boden. Geschockt richtete ich meinen Körper auf und erhielt von hinten demonstrierende Sprüche derer Sicht ich versperrte. Doch ich ignorierte es zwängte mich durch die laute Menge bis kurz vor den Ring durch. Tarik lag auf dem Boden und in wenigen Sekunden  hob der Schiedsrichter die Hand des Gegners hoch.

Gebannt starrte ich auf den breiten Rücken von Tarik, welcher sich langsam aufrichtete und plötzlich aus dem Ring stürmte. Erschrocken blickte ich noch einmal in das Gesicht des Gegners, welcher stolz triumphierte. Kopfschüttelnd drehte ich mich um und folgte den Typen, die vorher an Tariks Seite standen. Die kühlen Gänge zogen sich ins Unendliche, bis ich aus einem Raum das Geschrei von Tarik wahrnahm und mir nun doch ganz sicher war richtig abgebogen zu sein.

,,Verpisst euch jetzt. Ich hab verloren und fertig!''

Die zwei unfreundlich wirkenden Typen rempelten mich beinahe an, als sie an mir zurück in den Flur bogen. Langsam schritt ich in den grell beleuchteten Raum hinein und erkannte vor mir Tariks Körperbau von hinten. Paar Spinte und zwei kurze Holzbänke füllten den kühlen Raum. Tariks lauter Atem war unüberhörbar. Aggressiv und hektisch warf er die roten Boxhandschuhe zu Boden und drehte sich um. Sein kühler Blick blieb an mir hängen.

,,Habe ich dir nicht gesagt, dass du verschwinden sollst?''

Ich setzte mich ruhig auf eine der Bänke und blickte emotionslos in das Zentrum seines Gesichts. Seine Augen.

Kälte hatte seine Gesichtszüge umzingelt.

,,Du hast absichtlich den Kampf verloren.''

Er schnappte laut nach Luft. Sein Körper hatte sich sichtlich angespannt.

,,Verschwinde,Leila!'', rief er laut und ließ mich leicht auf zucken.

Er zog sich ein weißes Shirt über und wand den Blick von mir ab. Ich stand auf und näherte mich ihm an. Wir waren in diesem Moment so nah aneinander, dass beinahe sein Atem auf mein Gesicht prallen konnte.

,,War das Alex' Bedingung?'', fragte ich zögernd und konnte das erste mal Tariks Augen von solch einer minimalen Entfernung beobachten.

Seine dunklen, wohlgeformten Brauen waren runter gezogen und härteten seine Gesichtszüge zusätzlich ab. Eine kleine, rötliche Wunde war an seinem linken Mundwinkel zu sehen. Ich fixierte mich kurz darauf, ehe ich wieder hoch sah und auf unheimlich tiefes Blau traf. Sein Schweigen war Bestätigung genug. Es war sicher in seinem Stolz getroffen. Er hätte gewonnen. Er hätte diesen Typen zu Boden geschlagen - wäre da nicht ich und die Konsequenzen meiner dummen Vergangenheit.