19. Teil - Hitze

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,,Leila? Hallo? Hörst du mir überhaupt zu?! Ist dein Handydisplay so viel spannender?''

Sedas eintönige Stimme holte mich aus meiner so eben erhaltenen Email.

,,Was meinst du?'', fragte ich abwesend und blickte zu ihr hoch.

,,Denkst du nicht, du solltest dich mal bei ihm melden?''

Ihre braunen Augen sahen eindrücklich in meine, während sie ihre lockigen Haare mit ihrem pinken Glätteisen ins Seidig-glatte verwandelte. Meine Augen verdrehten sich unkontrolliert.

,,Wieso fragst du? Hat dich dein parteiischer Freund dazu beauftragt?''

Auf meine sarkastische Aussage hin, seufzte Seda laut und legte das Glätteisen laut zur Seite.

,,Leila. Das stimmt doch gar nicht. Jiyan bestimmt nicht, was ich tue.''

Ich musste mich bemühen, nicht provozierend aufzulachen. Natürlich tat er das. Sie wurde Stück für Stück seine Marionette - denn ihre eigenen Ansichten, ihre Argumente, ja all das schien sich nun einst aus Jiyans Kopf gebildet zu haben. Ich verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte man sich so unterbewusst steuern lassen? Und ich übertrieb nicht.

Denn seid die beiden nun einige Monate zusammen waren, hatte sich selbst Sedas Kleidungsstile überwiegend umgepolt. Besonders wenn sie alleine, ohne ihn war. So wie es ihr Liebster halt am meisten mochte - gemütlich und auf gar keinen Fall schick hergerichtet. Wohl eher nicht aufreizend - besonders nicht wenn er nicht mit ihr war. Jiyan entpuppte sich als grässlicher Beziehungsmensch, in dem Fall war mir ein bescheuerter Tarik, als alleinstehender Herzensbrecher, beinahe lieber. Wieso mir nur Tarik in den Sinn kam, wusste ich selbst nicht genau.

,,Ich habe Idris nichts zu sagen. Wenn ihn etwas stört, dann solle er doch bitte mit mir direkt sprechen. Kannst du gerne Jiyan ausrichten.''

Ich spürte wie sich mein Puls erhöht hatte, denn auch wenn man es mir von außen nicht ansehen konnte - diese miserable Situation machte mich verrückt. Seid mehreren Tagen hatten Idris und ich kein einziges Wort mit einander gewechselt - Funkstille. Wenn er eine Entschuldigung erwartete, ja.. dann konnte er lange warten. Ich würde ihm nichts von Alex erzählen. Idris würde mit der Situation nicht umgehen können - jedenfalls nicht ,,Alexgerecht''. Immerhin schien er mit seinem besten Freund wieder Kontakt zu haben - somit schien ich der einzige Sündenbock in allem zu sein.

Und so etwas würde ich mir nicht mehr gefallen lassen. Viel zu oft missbilligte ich meinen Charakter und nun wollte ich damit Schluss machen.

,,Leila, ist das dein Ernst gerade? Wir wollten uns doch herrichten und einfach alle wieder friedvoll treffen?''

Seda sah mir enttäuscht und etwas beleidigt zu, wie ich mir die Schnürsenkel meiner Sneaker gemütlich zu band. Als ich mich aufgerichtet hatte, sah ich noch einmal entschlossen zu ihr.

,,Ich wünsche euch viel Spaß.''

Meine Füße bewegten sich in die kühle Außenwelt. Ich wünschte mir meine Freundin, die zumindest ansatzweise versuchte meine Ansichtspunkte zu verstehen, zurück. Doch es schien ein Dauerzustand zu sein. Ein Dauerzustand, in welchen ich nie fallen würde. Wenn das die wahre Liebe war, dann wollte ich sie nie fühlen.

In der Bahn fiel mir erneut die Email ein. Nun könnte ich es mir endlich in Ruhe durchlesen.

,,Sehr geehrte Frau Musai, anbei sende ich Ihnen die angeforderten Informationen zum Dualen Studiengang in London für das nächste Kalenderjahr. Wir freuen uns auf weiteres Interesse Ihrerseits. Mit freundlichen Grüßen - Frau White.''

EISBLAUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt