Kapitel 5

99 12 0
                                    

 "Lauf! Lauf, Zalma! Und bring dich in Sicherheit!", das Feuer schlang sich um mein Haus. Schwere Holzbalken krachten zu Boden und setzten die Umgebung in Flammen, nur um das Geschrei meines Bruders zu ersticken. In meinen Augen spiegelte sich die heisse Glut und meine Beine setzten sich endlich in Bewegung. Ich hastete zur kleinen Tür, die aufs Feld hinters Haus führte und schlüpfte gerade noch rechtzeitig unter den Trümmern durch, bevor auch dieser Eingang zusammenbrach und in Flammen aufging.

Ich fühlte das hohe Gras zwischen meine Finger hindurchgleiten, während ich mich auf Knien zum grossen Apfelbaum zog und erstmal durchatmete. Mein Brustkorb hob und senkte sich in unregelmässigen Abständen und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Mein Blick fiel auf die immer noch brennenden Trümmer meines Hauses und ich erwachte allmählich aus meiner Schockstarre. Wo war meine Familie.....? Meine Augen suchten verzweifelt nach Lebenszeichen meiner Familie, doch ich konnte bei bestem Willen nichts ausser lodernden Flammen erkennen. "Sucht nach Überlebenden und bringt sie zu mir!", vernahm ich eine laute und durchdringliche Stimme. Es war die selbe Stimme, die zum Angriff auf mein Dorf gerufen hatte, also legte ich mich zwischen die hohen Gräser und versuchte mich zu verstecken.

Ich musste weg von hier...! Langsam und behutsam begann ich durch das Gestrüpp vor mir zu kriechen, um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen. Meine Atmung regulierte sich mit der Zeit und ich schaffte es mich zum nahe gelegenen Waldrand zu ziehen und dort in Deckung zu gehen. Ich versteckte mich hinter einer Tanne und wagte es durch die kleinen dünnen Ästchen zu blicken. Auf dem Dorfplatz konnte ich gerade noch so erkennen, wie die Bewohner des Dorfes wie Tiere zusammengetrieben wurden und sich dicht aneinander quetschten. Einige bettelten verzweifelt um Gnade, während andere sich sträubten. Plötzlich wurde dem Tumult ein Ende gesetzt, in dem dem Kneipenbesitzer brutal den Kopf abgeschlagen wurde. Ich unterdrückte einen Schrei und kniff meine Augen zusammen. Wer war dieser Mann, der hier alles mit Hilfe von Monstern zunichte machte....? Ich schluckte leer und drehte mich um. Wohin sollte ich denn jetzt gehen...? Mir blieb doch kein Zufluchtsort...! Schweren Herzens begann ich mich tiefer ins Waldesinnere zu bewegen und malte mir eine Zukunft aus, in der ich auf Bäumen lebte und mich von Nüssen ernährte, was ich als eine ziemlich traurige Vorstellung empfand. Als ich einen weiteren Schrei hinter mir vernahm, gefror mir das Blut in den Adern und ich begann loszurennen.

Zweige schlugen mir ins Gesicht. Mühsam kämpfte ich mich durch Sträucher, Äste und Gestrüpp. Die Dornen der Beerensträucher bohrten sich bei jedem Schritt in mein Fleisch und hinterliessen blutige Kratzer. Meine Lunge brannte, wie Feuer und meine Energie war langsam aber sicher am Ende. Nach einer Weile stiess ich einige Äste beiseite und konnte weiter vor mir ein kleines hölzernes Gebäude erkennen. Ich schleppte mit letzter Kraft zur Haustür, bevor ich auf meine Knie fiel. Schwer atmend klopfte ich gegen das splitterige Holz und holte dabei einen Splitter, den ich aber gekonnt ignorierte. Kurz darauf fiel ich zu Boden und spürte wie der kalte Matsch in mein Gesicht spritzte. Glücklicherweise wurde die Tür geöffnet und ich konnte vor mir zwei Beine erkennen. "Du kommst bestimmt aus Klingenfeld nicht wahr?" fragte mich eine zarte weibliche Stimme. Ich nickte schwach, bevor mich die Erschöpfung überkam und ich auf der Stelle einschlief.

Die Frau war etwas älter, als meine tote Mutter, jedoch war sie immer voller Energie und Freude. Ihr Häuschen war eher bescheiden, doch gemütlich genug, dass ich dort bis zu meinem 13. Lebensjahr geblieben war. Eines Nachts lag die Frau namens Eri im Bett und ich sass neben ihr. Sie hustete stark und flüsterte mir zu: "Zalma...... Ich will, dass du zum Schloss in Wolfenburg gehst..... Warte bitte nur zwei Tage auf dem Hügel der vier Seelen auf mich, falls ich dir nicht folge. Bleib auf keinen Fall länger, ja...? Ich habe einen Arzt gerufen, also mach dir keine Sorgen...." Sie hustete weiter, doch ich wusste, dass etwas schief war, weshalb ich mich erhob und langsam die paar Dinge, die ich besass zusammen packte. Ich durfte sie nicht weiter beunruhigen..... Nach dem ich ein bisschen Proviant eingepackt hatte, verliess ich das wohlige Wohnzimmer und begab mich nach draussen. Es war eine Sommernacht. Angenehm warm, aber trotzdem erfrischend. Beim Stall nahm ich einen der zwei Esel, stieg auf und tritt im sanft in die Flanken, damit ich losgehen konnte.

Ich drehte nicht ein einziges Mal um. Die Hufe des Esels kratzten immer wieder den Boden ein wenig auf und ich konnte die Blättchen leise Knistern hören. Von zeit zu Zeit streichelte ich dem Tier sanft durchs Fell und lehnte mich an seinen Hals. Ich hatte das Gefühl, dass ich gerade viel zurückliess. Ich ritt nicht auf dem Weg, sondern nahm die Abkürzung quer durch den Wald, der mit der Zeit immer dichter wurde.

Irgendwann bei Morgengrauen gelangte ich wieder auf einen Weg, der mich ziemlich sicher zu meinem Ziel führen würde. Bis zum Hügel der vier Seelen war es nicht allzu weit, trotzdem musste ich mehrmals nach dem Weg fragen. Mit dem Esel kam ich ziemlich schnell voran, auf jeden Fall schneller als zu Fuss. Ich ritt den gesamten Tag durch und kam dann kurz vor Sonnenuntergang endlich an. Oben am Hügel stand ein grosser Stein schief im Boden eingesenkt, sodass ich mich unter ihm nieder liess. Es war ein wenig kalt und so ganz alleine fühlte ich mich doch nicht so ganz wohl. Ich begann meine Umgebung zu begutachten, die in der Dunkelheit nicht sehr viel von sich preisgeben wollte, doch ich konnte einige Umrisse erkennen womit ich mich zufrieden gab. Mein Esel legte sich nach einer Weile zu mir und ohne, dass ich es bemerkt hatte, war ich eingeschlafen.

Am nächsten Morgen ging ich kaum von diesem Stein weg. Grossen Hunger hatte ich auch nicht und Wasser hatte ich genügend dabei. Es passierte nichts nennenswertes und ehe ich es mich versah, war es Abend und die Sonne ging unter. Natürlich hatte ich ziemlich verzweifelt die gesamte Zeit darauf gewartet, dass Eri kommen würde, doch nichts war geschehen. Es war Zeit für mich weiterzugehen und ich stand auf und streckte mich. Meine Glieder fühlten sich wie betäubt an, was ich auf den Nahrungsmangel schob.

Ich streckte mich ein wenig, bevor ich auf den Esel stieg, der einige Meter vor mir gegrast hatte. "Weiter geht's.....", flüsterte ich dem Tier sanft zu und tritt ihm ebenso zart in die Flanken. Ich ritt so also den Weg entlang, von dem ich hoffte, dass er mich zu einem Dorf führen würde. Ganz genau wusste ich immerhin nicht wie ich zum Schloss gelangen sollte. Nach einer gefühlten Stunde, sah ich endlich ein paar Häuser. Völlig erschöpft fragte ich einer der Personen, die arbeiteten nach dem Weg. "Du musst einfach diesem Weg folgen und wenn dann ein beschrifteter Stein und 'ne Abzweigung zu sehen ist, biegst du links ab." meinte der alte Mann. Ich dankte ihm und setzte meinen Weg fort. Ich hatte die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben, dass Eri bei der Wolfsburg auf mich warten würde. Meine ehemalige Heimat lag im Königreich Wolfenburg. Auch die umliegenden Ortschaften gehörten diesem Königreich an, jedoch war ich noch nie in der gleichnamigen Hauptstadt gewesen, geschweige den im Schloss selbst. Wie würden wohl die Leute sein?

"WACH ENDLICH AUF!! DU MURMELTIER!" schrie mich jemand an. Es war Sy'kira die mir die Decke weggezogen hatte. Etwas perplex blinzelte ich damit sich meine Augen vielleicht mal ans Licht gewöhnen würden und ich schaute gequält in die waldgrünen Augen meines Gegenübers. 

Die Legende von Zalma (IN ÜBERARBEITUNG)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt