Kapitel 46

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Als ich meinen Kopf hob und der Gestalt, die den Schatten auf mich geworfen hatte, erblickte ich zwei violette, mich fragend anschauende Augen. Erschrocken wich ich zurück und prallte mit dem Rücken am Baum auf. "Ist alles in Ordnung?", fragte mich eine sanfte Stimme. Ich schaute auf und zögerte auf seine Frage zu antworten. Vor mir beugte sich ein dunkelbraunhaariger Junge mit blassen violett ähnlichen Augen. Seine Hautfarbe war beunruhigend blass, jedoch konnte ich in seinem Gesicht einige kleine Sommersprossen entdecken. Zwei dunkelbraune Strähnen hingen vor seinem Gesicht. Den Rest hatte er wahrscheinlich zusammen gebunden. Wieso konnte ich nicht ein Mal rechtzeitig Antwort geben? Endlich fand ich meine Stimme wieder und gab Antwort auf seine Frage: "K-Klar ist alles in Ordnung...!", stotterte ich unbeholfen. Der Junge vor mir richtete sich wieder auf und schaute mich immer noch fragend an. "Wieso kann ich mich nicht ein Mal vorstellen, ohne zu stocken?", fragte ich mich ein wenig genervt. Ich stand ruckartig auf, da es mir unwohl war, am Boden zu sitzen während der Junge vor mir stand. "Du sahst so aus, als wärst du verletzt, oder würdest gleich in Tränen ausbrechen.", teilte mir der Fremde mit, während er seine rechte Hand an seiner Hüfte abstützte. Ich musste wirklich mal an meiner Ausstrahlung arbeiten. Er seufzte und wendete seinen Blick ab. "Mann war das peinlich...", hörte ich ihn leise zu sich selbst murmeln. Meine Schultern, die sich unbewusst angespannt hatten, sackten wieder in eine normale Körperhaltung und entspannten sich. Hätte ich mich vorstellen sollen? Er sah nicht so aus, als würde er mich wieder alleine lassen. "Wie auch immer.", seufzte er und setzte fort: "Mein Name lautet Elaevador Calrun. Aber ich bevorzuge es wenn du mich einfach nur Ela nennst. Freut mich dich kennen zu lernen." Er streckte seine Hand nach mir aus. Etwas überstürzt griff ich die Hand und drückte sie sanft. Seine Haut war genauso weich wie sie aussah bemerkte ich. Er hob eine Augenbraue und fragte nach: "Und du bist?" Innerlich schämte ich mich aber meinte schnell: "Ich bin Zalma. Freut mich ebenso." Ich war froh, dass ich es geschafft hatte mich ohne stottern vorzustellen. Erst in diesem Moment bemerkte ich, dass ich beinahe so gross wie mein neuer Freund, Ela war. Er löste seine Hand wieder von meiner, da ich ganz vergessen hatte, dass ich sie noch hielt. Misstrauen schlich sich in meine Gedanken, als ich den Degen an seiner Hüfte sah. Sein Aufzug sah auch nicht so aus, als käme er aus einem Dorf der Umgebung. Elaevador drehte sich um und betrachtete den See. Er trug einen azurblauen Mantel, der ihm etwas mehr als über die Knie ging. An seinem silberweissem Gürtel hing der eben genannte Degen. Seine Haare waren in der Tat mit einer weissen Schleife zugebunden. Anscheinend konnte er die zwei Strähnen in seinem Gesicht nicht in seinen lockeren Haarschwanz mit hinein binden. Von hinten erst bemerkte ich, dass seine Ohren spitz zuliefen. Er war ein Elf! Das erklärte dann auch seine ungewöhnliche Kleidung. Trotzdem blieb ich misstrauisch. Er streckte sich und schien die Sonne und allgemein das Wetter zu geniessen. "Was tust du eigentlich so tief im Wald?", fragte er mich und drehte seinen Kopf leicht zu mir nach hinten. Bevor ich ihm Antwort geben konnte stutzte er, als er Unos hinter einem Baum hervor blicken sah. "Oh ein Drache. Du siehst aber nicht so aus, als würdest du einen Drachen vermögen....", meinte er, während er mich prüfend beäugte. Seine lilafarbene Augen suchten mich von Kopf bis Fuss nach Anhaltspunkten ab. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Wahrscheinlich lag der Wald in dem ich mich befand an der Grenze zum Reich der Elfen. Das würde dann auch seinen Degen und die eher Uniform Ähnliche Kleidung erklären. Ich hatte nicht den geringsten Beweis, dass Unos zu mir gehörte und ich bezweifelte, dass er mir Zuneigung schenken würde, wenn er das nicht mal bei Mintox tat. Er drehte seinen Kopf fragend zur Seite und trat mir näher. Ich musste eine gute Erklärung vorlegen, bevor er dachte, dass ich versuchte einen geklauten Drachen über die Grenze zu schmuggeln. Ich wusste das es Leute gab, die illegal Drachen in andere Länder schafften und verkauften. Es hätte mich nicht überrascht, wenn ich an Ort und Stelle festgenommen worden wäre, doch es kam anders. Elaevador begann zu kichern und und lächelte mich freundlich an. Ein wenig sehr perplex starrte ich ihn an. "Ich seh schon... Du bist von Zuhause abgehauen?", kicherte er ohne Ende. Verwirrt und komplett fassungslos starrte ich ihn an. Wäre es möglich gewesen, wäre meine Kinnlade auf den Boden geknallt. "Aber du weisst, dass du dich in einem fremden Land befindest oder? Keine Sorge. Ich nehme dich nicht fest. Deine Eltern machen sich bestimmt Sorgen, also kehr doch zu ihnen zurück.", meinte er während sein Gekicher langsam verstummte. Ich hingegen schüttelte hastig meinen Kopf. "Ich bin nicht von Zuhause weggelaufen..... Ich hab mir den Drachen von einem Freund geliehen um etwas zu finden....!", ich stoppte, denn mir viel auf, dass Elaevador mir vielleicht helfen konnte den Ort zu finden, den Fynn mir beschrieben hatte. Er musste sich ja schliesslich in der Gegend auskennen, wenn er ein Grenzwächter war, was höchst wahrscheinlich der Fall war. Mit seiner behandschuhten Hand schob er die linke Strähne hinter sein Ohr. "So, ich höre? Du hast dir den Drachen geliehen? Und die Haarspange etwa auch?", fragte er missbilligend. Ich biss die Zähne zusammen. Die Haarspange von Dael liess mich aussehen, als hätte ich Reiche überfallen und die Sachen mitgehen lassen. Meine Haare mussten ja auch ziemlich zerzaust gewesen sein und meine Kleider sahen auch nicht mehr gerade neu aus. Flaitz knurrte Elaevador an, als er mir noch näher trat und lenkte die Aufmerksamkeit auf sich. Seine zwei flammenden Schwänze bewegten sich in einer zickzack Bewegung hektisch hin und her. Seine Ohren waren angelegt, wie bei Kiran, wenn er mit Dael stritt. Kleine, weisse, spitze Zähne lugten unter seinem Zahnfleisch hervor, als er sie fletschte. "Ist das auch deiner?", fragte mich Elaevador, der wieder etwas Abstand von mir gewonnen hatte. Mein Herz pochte in meinen Adern. "Ich wollte dich fragen ob du mir helfen könntest!", rief ich aus und machte auf mich aufmerksam. "Ich muss unbedingt einige antike Zeichen für meine Arbeit finden! Ich bin der Lehrling eines Arztes und Historiker. Er hat mich beauftragt alle Zeichen zu finden..... Ich bin doch nur hier und tue diese Arbeit um meiner kleinen Schwester ein Dach über dem Kopf zu sichern.... Bitte hilf mir....", bat ich mit einer Lüge. Ich log wirklich ungern, aber einen anderen Ausweg sah ich nicht. Diesmal war es Elaevador, der überrascht aus der Wäsche schaute. "Achso.... Dann tut es mir ausgesprochen Leid dich aufgehalten zu haben.....", meinte er verlegen und schien sogar etwas traurig zu sein. "Dass du deiner Schwester ein Zuhause geben willst, kann ich nur allzu gut verstehen..... Es tut mir Leid.", murmelte er angeschlagen. Hatte er wirklich so viel Mitleid für meine Lügengeschichte? Etwas tief in mir drinnen wollte sofort die Wahrheit sagen und ihn trösten, doch ich hielt mich zurück. "Ich helfe dir gerne....", sagte er und schluckte heftig. Seine Augen waren gefüllt mit Reue. Sie schimmerten und glitzerten wie frisch poliertes Edelmetall. Was hatte ich nur in ihm geweckt?! Ich schüttelte wieder ein Mal meinen Kopf und holte mich aus meinen Gedanken. Flaitz kletterte an mir hoch und setzte sich auf meine Schulter. Sein misstrauischer Blick galt nicht mir, sondern Elaevador. Ich tätschelte beruhigend den Kopf der kleinen pelzigen Kreatur und lächelte ihn an. Sofort wandte ich mich zum Elf zu und schenkte ihm das reinste Lächeln das ich auf Lager hatte. Ich wollte zum Punkt kommen und keine Zeit mehr verschwenden, also griff ich wieder nach meinem Amulett und zog es aus. Elaevador schaute mir interessiert zu, während ich mich zu meiner Umhängetasche niederkniete und das grosse Buch mit dem ledrigen Einband rausnahm. Eilig blätterte ich durch die Seiten bis ich endlich den Index mit den Zeichen fand. Mein Amulett legte ich auf das Buch, sodass ich die Zeichen schnell miteinander vergleichen konnte. Der junge Elf kniete sich zu mir nieder und sah mir über die Schulter. Flaitz hingegen auf meiner rechten Seite machte schnell seinen Weg zum Jungen und fauchte ihn an. Verlegen nahm der arme Junge mehr Abstand, sein Blick immer noch auf den Index gerichtet. "Was....sind das für Zeichen....?", fragte er zögerlich. Meine Augen zuckten von Eintrag zu Eintrag und suchten das entsprechendste. "Das ist die geheime Schrift einer alten Kultur", gab ich an. Irgendwann blieb mein Finger bei einem kleinen Zeichen hängen. "Das ist es!", rief ich aus. "Und die Übersetzung dazu ist.....die hier!", setzte ich fort. Elaevador war meinem Finger gefolgt und las laut vor: "Tränende Höhle" Verwirrt versuchte er mit mir Augenkontakt aufzubauen, doch ich war viel zu glücklich und umarmte gleich noch Flaitz, der überrascht fiepste. "Nun heisst es spekulieren!", kündete ich enthusiastisch an und schaute zu Elaevador. Er schenkte mir ein kurzes Lächeln als Bestätigung. Es raschelte und Unos schlich durchs Gras zu uns. Er bewegte sich immer nur dem Schatten nach. Ich fragte mich ob er wohl sehr heiss hatte.


Mit gekreuzten Beinen sass ich auf der Wiese in Gedanken versunken. Elaevador lag neben mir und starrte in den Himmel. Flaitz rollte durchs Gras und jagte einigen Schmetterlingen nach. Tränende Höhle.... Eine Tropfsteinhöhle kam mir dabei in den Sinn, aber so etwas gab hier in der Nähe nicht, hatte mir Elaevador versichert. Tränend.... "Ich weiss es klingt seltsam, aber gibt es hier in der Nähe vielleicht irgendeine Statue...?", fragte ich vorsichtig, während ich mich zurück lehnte. Elaevador setzte sich nun auch auf und schien nachzudenken. Die weisse Schleife hielt locker die Haare zusammen und glänzte ein wenig. War also Seide dachte ich mir. "....Ja ich glaube es gibt da eine Statue von einer Frau die weint.... Irgendwo in der Nähe des Wasserfalls dachte ich.....", murmelte Ela. Erstaunt und überrascht nickte ich einfach. "Ich kann dich herbringen, aber wenn du mit dem Drachen fliegen willst, dann bringt das nichts. Ich bin nämlich mit dem Pferd unterwegs. Ich habe es an einem Baum nicht weit von hier angebunden und ohne mein Pferd geh ich hier nicht weg. Also wenn ich dich hinbringen soll, musst du wohl oder übel mit mir reiten.", meinte er und drehte sich zu mir um. Ich nickte wieder. Unos würde ich dann einfach versuchen zu vermitteln, dass er uns folgen sollte. Ich stand auf und klopfte meine Kleider ab, während es mir Ela gleich tat. Er ging voraus und führte mich durch den Wald, während er fröhlich vor sich hin pfiff. Es war eine eher traurige und schwere Melodie, als dass man sie so glücklich hätte pfeifen können. "Wie alt bist du eigentlich?", rutschte es mir raus. Er stoppte kurz zu pfeifen und antwortete lächelnd: "Vierundzwanzig." Ich wusste nicht wie oft mich Ela schon in der kurzen Zeit aus der Verfassung gebracht hatte, aber er sah ganz sicher nicht wie vierundzwanzig aus! Er sah nicht viel älter als ich aus, um ehrlich zu sein. "Aber du bist doch fast gleich gross wie ich! Und dein Gesicht sieht so jung aus....", wandte ich ein. Darauf kicherte Ela wieder und meinte: "Ist aber so! Viele Leute sagen, dass ich viel zu jung aussehe. Da bist du nicht die erste!" Er stiess sachte einen Zweig beiseite und ich konnte ein honigbraunes Pferd angebunden an einer Linde sehen. Es erschreckte sich deutlich, als es Unos im Gefolge sah. Hastig versuchte ich Unos klarzumachen, dass er in die Luft fliegen sollte, was er dann auch tat, aber Flaitz wollte mich nicht allein lassen. Ich lächelte und nahm Flaitz in die Arme. Ela hatte das Pferd losgebunden und war schon aufgestiegen, als er mir die Hand bot. Ich nahm sie an und stieg mit Schwung vor Ela auf. "Los, Chevalian...!", meinte er sanft zum Pferd und wir setzten in Trab ein. Flaitz sass wie so oft auf meiner Schulter und starrte Ela warnend an.

Die Legende von Zalma (IN ÜBERARBEITUNG)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt