1 | Graues Erwachen

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Schmerz durchstach meinen Rücken, als ich aus meinem unruhigen Schlaf hochschreckte. Ein brennendes Zucken lief meine Wirbelsäule entlang. Meine Hand wanderte zu meinem Rücken und massierte ihn.
Das unbequeme Holzgestell, auf das ich ein paar Decken warf, kam dem Luxus nicht gleich, den ich sonst in Dalra, der Hauptstadt des dunklen Königreiches gewohnt war.

Langsam streckte ich meinen geschundenen Körper und warf einen Blick in den wunderschönen Wald, der vor meinem Fenster aufragte. Die Bäume bewegten sich im Wind und als ich das Fenster öffnete und gierig frische Luft einatmete, hörte man Vögel zwitschern.
Die weißen Immerblüher tief im Wald versuchten ihren Kopf gen Sonne zu strecken, um auch einige Sonnenstrahlen zu erhaschen.

Genervt legte ich meinen Kopf auf der Fensterbank ab. Vierzehn Tage voller Untätigkeit hatte ich bereits hinter mir und nur die Götter wussten wieviele noch folgen würden.
Ich hätte es nie zugegeben wenn man mich gefragt hätte, aber ich versteckte mich hier.
Vor genau zwei Wochen sollte ich einen Auftrag ausführen, nichts schwieriges, aber ich hatte versagt. Ich versagte nie. Daher wusste ich nicht was ich nun tun sollte. Ich hielt weiterhin Ausschau nach dem Opfer um meinen Fehler zu korrigieren, doch sie tauchte nie wieder auf. Unsicher was ich tun sollte und ängstlich vor en drohenden Konsequenzen entschied ich mich hier in dieser Hütte zu bleiben. Bis ... ja bis wann eigentlich?

Der König sand mich vor zwei Wochen weit weg, fast an die Landesgrenze, in die Nähe einer kleinen Stadt. Dort sollte ich ein siebzehnjähriges Bauernmädchen ermorden, welches mit ihrer kranken Mutter auf einem Hof außerhalb der Stadt lebte. Die Mutter litt an wohl Keuchhusten und anscheinend musste das Mädchen bei den Versuchen ihre Mutter zu behandeln eine schwarze Hand beklaut haben. Doch der Auftraggeber blieb unbekannt, zahlte aber 60 Goldstücke. Außer dem dunkle König wusste niemand, wer den Auftrag stellte.
Im dunklen Königreich durfte gegen das nötige Kleingeld ein Assassine beauftragt werden. Jedoch mussten diese Aufträge durch den dunklen König genehmigt werden, welcher dann seine Assassinen, wie mich, losschickte.

Am Bauernhof versteckte ich mich gekrümmt zwischen den Heuballen und suchte mit meinem Bogen den Raum ab. Von der Mutter war keine Spur zu sehen. Das Haus war spärlich eingerichtet und die Besitzer schienen kein Geld zu besitzen. Ein verkrüppelter Esel stand vor der Tür und schnaufte vor sich hin.
Einen halben Tag wartete ich ungeduldig, bis das Mädchen auftauchte. Sie trug ein leichtes Sommerkleid mit einem viel zu dicken Mantel, dessen Kaputze sie ins Gesicht gezogen hatte. Eine blonde Strähne fiel ihr über die Schulter. Als ich einen Blick auf ihr Gesicht erhaschte, war ich mir sicher. Sie sah genauso aus wie sie mir beschrieben wurde. Also zögerte ich nicht mehr lange.
Gerade als ich die Sehne spannte und der Pfeil ihr Herz durchbohren sollte, hielt ich inne.
Ihre grünen Augen starrten neugierig und ängstlich in meine. Mir wurde warm und gleichzeitig kalt. Ganz leicht lies ich den Bogen sinken und starrte zurück. Meine blauen Augen bohrten sich anstelle meiner Pfeile in sie. Ich war wie paralysiert. Ich konnte keine meiner Gliedmaßen bewegen. Mein Hals wurde trocken und ich atmete unregelmäßiger.
Plötzlich entzückte ein Lächeln ihre wunderschönen Lippen und sie flüchtete aus der Tür.
Als ihre Gestalt mein Sichtfeld verließ fühlte es sich an, als würden meine Gefäße wieder durchblutet und ich blinzelte. Was war das gerade?

Einige Zeit blieb ich regungslos in den Dachbalken und dachte nach. Letztlich war ich zum Schluss gekommen, dass sie Magie beherrschen musste und einen Zauber auf mich legte. Man nannte mich schließlich nicht umsonst Alena, der Schatten. Meiner Meinung nach eine der besten Assassinen ganz Azeras. Ich habe dieser Berufung mein Leben gewidmet. Deshalb war ich zu gut um entdeckt werden zu können. Doch anders konnte ich diese seltsamen Gefühle nicht zuordnen. Es fühlte sich alles so warm an, aber doch irgendwie fremd.
Trotzdem plagte mich seither Ärger und Wut. Wut auf mich selber und auf die Dreistigkeit des Mädchens. Wieso starb sie nicht einfach wie jeder andere auch? Wieso schoss ich nicht einfach, wie bei jedem anderen?
Ich schwor meinem Meister, meinem König die Treue und führte jeden Auftrag makellos aus. Bis auf diesen. Diesmal hatte ich versagt. Und müsste die Konsequenzen für mein Versagen tragen.

Der Dunkle ThronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt