Die Menge lichtete sich und Viele strömten nach draußen. Die Morgendämmerung erhellte bereits die Umgebung und der Wirt scheuchte alle Gäste hinaus. Sardos und seine Leibwächter verließen über einen Hinterausgang das Gasthaus. An einer Wand neben der Hintertür lehnte ein herrenloser Bogen mit einem Köcher voller Pfeilen. Saphir verstand meinen Blick und spannte ihn sich unbemerkt über den Rücken. Nach einer kurzen Zeit des Wartens folgten wir Sardos durch die Hintertür. "Halt Abstand und erschieß die Leibwächter. Um Sardos kümmere ich mich", befahl ich Saphir. Grimmig stimmte sie mir zu. Sie nahm nicht gerne Befehle von mir an, genau genommen musste sie mir Befehle erteilen, doch es war der Beste Plan den wir hatten. Es regnete leicht als wir auf die Straßen traten. Meine Dolche lagen sicher verstaut an ihren Plätzen und ich zog mir die Kaputze ins Gesicht bevor ich mich die düstere Gasse entlangschleppte. Es dauerte nicht lange, bis ich Sardos in der Gasse vor uns erkannte. Ich beschleunigte meinen Gang und nachdem die Männer um eine Ecke gebogen waren gab ich Saphir ein Zeichen. Die Gasse vor uns war leer. Zu leer. Sardos und ein Leibwächter gingen unvorsichtig vor mir her. Doch bevor ich eins und eins zusammen zählen konnte, ging alles viel zu schnell. Hätte ich einen Moment nachgedacht, wäre die Situation sicherlich anders ausgegangen.
Die Luft neben mir vibrierte. Ein Pfeil schoss zielsicher an meinem Ohr vorbei und durchbohrte rücksichtslos die Kehle des Leibwächters. Noch bevor sein toter Körper auf dem Boden aufschlug, hielt ich mein Messer an Sardos' Kehle. Doch statt mich ängstlich um Gnade anzuflehen lachte er nur. Im Moment der Verwirrung hielt ich inne. Ein stumpfer Knall, gefolgt von einem leises Aufschrei hielt mich ab sein Leben zu beenden. Hinter mir hörte ich schwere Schritte und ich wagte einen Blick dorthin, ohne Sardos gänzlich aus den Augen zu lassen. Dort stand er. Der zweite Leibwächter. Das fehlende Puzzleteil, was mein Instinkt schon lange begriffen hatte. In seinem Armen lag Saphir. Sie schwebte am Rande der Bewusstlosigkeit und Blut tropfte aus ihrem Mund. Ein Auge war gänzlich zugeschwollen und auf der Stirn prangte eine riesige Platzwunde. "Saphir!", flüsterte ich entsetzt.
Sardos bitteres Lachen bäumte sich auf. Vorsichtig ließ ich mein Messer sinken. "Ich hatte Euch schon lange erkannt, Schatten. Was denkt Ihr wieso ich versuchte, Euch bereits in der Grube zu töten? Doch Ihr habt unfair gespielt." Wut packte mich und ich griff mein Messer fester. "Ich schlage vor, Ihr nehmt Euer Messer runter. Nicht, dass Eurer teuren Freundin noch etwas passiert." Resigniert schmiss ich mein Messer in den Dreck. "Woher?", fragte ich und versuchte Zeit zu schinden um mir einen Plan auszumalen. "Woher was? Woher ich Euch kenne oder woher ich wusste, dass Ihr mich töten wollt? Nun, ich wusste, dass Grathol mich eines Tages töten lassen will. Er ist einfach ein schlechter Verlierer. Dann zählte ich eins und eins zusammen. Man kennt einige Merkmale Eures Gesichtes. Eine junge Frau, mit dunkelblauen Augen und braunen Haaren die unfair, aber gut kämpft? Ich musste in der Grube sicher gehen, dass Ihr es wirklich seid. Und ihr habt mich überzeugt. Also musste ich Vorkehrungen treffen." Einen kurzen Moment liebäugelte er mit meinem Messer auf dem Boden. "Aber genug geredet, fessel sie und bring sie in mein Verließ!", befahl Sardos seinem Leibwächter. Plötzlich verstand ich eines: Sardos war unbewaffnet. Augenblicklich ließ ich mich zu Boden sinken und griff nach meinem Messer. Mit der Schulter stieß ich Sardos ein Stück nach hinten. Erschrocken schrie er auf. Der Leibwächter, der immer noch Saphir in den Armen hielt und somit keine Hand zum verteidigen hatte, keuchte als mein Messer in seinem Schädel stecken blieb. Rücklings fiel er um und ließ Saphir mit einem dumpfen Aufknall auf den Boden fallen. Eilig hechtete ich zu dem toten Mann und zog mit Gewalt die Klinge aus seinem Schädel. Als ich mich umdrehte, hatte Sardos bereits die Flucht ergriffen. Dennoch warf ich mein Messer, welches seinen Hals durchbohrte. Gluckernd und nach Luft ringend stürzte er zu Boden.
Ohne Zögern lief ich auf Sardos zu. Er atmete nicht mehr. Gut. Mit dem Gesicht voran lag er im Dreck. Ich zog mein Messer aus seinem Hals, wischte es an seiner Kleidung ab und steckte es zurück in meinen Stiefel. Dann durchsuchte ich seinen leblosen Körper. Ich nahm sämtliche Münzen, sowie alle Wert-&Wettpapiere mit, die er bei sich führte. Sardos hatte viele Feinde, womöglich würden die Leute davon ausgehen, dass er in einem Streit ums Leben gekommen ist.
Fluchend lief ich zu Saphir. Sie lag bewusstlos auf dem Boden und blutete leicht. Ihre Atmung war flach, aber konstant. Ich fluchte. Den gestohlenen Bogen und die Leichen ließ ich in der Gasse liegen. Sollten sich die Krähen drum kümmern. Schimpfend hievte ich mir Saphir über die Schulter. Die Frau war schwerer als erwartet. Im Schatten dunkler Seitengasse kämpfte ich mich voran und kam schnell ins Schwitzen. Der Kampf hatte mich bereits geschwächt und nun musste ich mich noch um Saphir kümmern. Sie war so unaufmerksam heute. Doch ich machte mir Sorgen um sie.
Ich ging schnellen Schrittes auf einen Kräuterladen der schwarzen Hand zu. Das alte, morsche Schild vermittelte einen unheilvollen Eindruck und als ich stürmisch klopfte, dauerte es eine Ewigkeit bis die Tür geöffnet wurde. Ein alter Mann mit grauen Stoppeln und krummen Rücken machte mir die Tür auf. Als er mich erkannte, stockte er. Dann neigte er den Kopf. "Kommt schnell rein", murmelte er und zog mich durch die Tür. Als er Saphir sah, fing er an in seinen Regalen zu wühlen. Der Laden war klein und muffig. Eine Theke trennte den Verkaufsraum vom Laden. Es stank nach Moschus und von der Decke hingen verschiedenste Pflanzen und Kräuter. Es standen einigen Ampullen mit Flüssigkeiten verschiedenster Arten herum. An der Ecke der Theke war eine Hand eingeritzt. Eine Gravierung, die nur ein geübtes Auge sah, oder jemand der danach suchte. "Ich muss deinen Tunnel nutzen", wandte ich an den alten Mann. Viele der Läden der schwarzen Hand waren mit einem komplexen Tunnelsystem verbunden, welches eingeschlossen mit den Abwasserkanälen an verschiedenste Orte in Dalra führten. Ein Weg ging unter Anderem bis in die Schlossgärten. Hektisch lief der alte Mann hin und her und brummelte irgendetwas. Er riss die Tür vom Hinterzimmer auf und gestikulierte mir ihm zu folgen. Stöhend zog ich Saphir auf meine andere Schulter und folgte ihm. Wie konnte man nur so schwer sein? "Hier, nehmt das. Das sollte ihrem Auge helfen.", der alte Mann drückte mir eine Ampulle mit einer Art Salbe in die Hand. Ich dankte ihm. Wortlos öffnete er eine Falltür. Kalter, muffiger Geruch kam mir entgegen. Eine alte Steintreppe führte hinab in die Tiefen des Tunnelsystems. Ich warf einen letzten Blick auf den alten Mann und gab ihm 50 Silbermünzen. Dann verschwand ich in den labyrinthartigen Gängen.
Die Luft war kalt und feucht. Hustenreize kratzten in meinem Hals. Die Wände waren modrig und mit Moos bedeckt. Ratten rannten um meine Füße herum und der Gestank nach Abwasser verschlug mir den Atem. Ich lief so schnell ich konnte durch die verworrenen Gänge und orientierte mich an den Gebäuden die ich durch die Abwasserdeckel erahnen konnte. Endlich kam mir der Gang der Schlossgärten bekannt vor. Der Gestank ließ nach und die Wände wurden trockener. Dieser Gang wurde öfter von mir und anderen Assassinen genutzt. Nun musste ich nur noch ungesehen ins Schloss gelangen.
Ich schob die Rosenranken beseite, die vor dem Eingang in die Tunnel wuchsen und zog Saphir hinter mir her. Die Dornen hinterließen Kratzspuren an unseren Körpern, doch es störte mich nicht. Ich schlich mich durch die Gänge der Bediensteten. Es war noch sehr früh, das hieß, dass noch nicht so viel Tumult im Schloss war.
Erleichtert atmete ich aus, als ich mit dem Fuß die Tür zu Saphirs Zimmer aufstieß. Erschöpft ließ ich Saphir auf ihr Bett fallen. Ein leichtes Stöhnen entkam ihr. Eilig schloss ich die Tür hinter uns ab und ging zurück zu Saphir. Ich zog ihr Hemd und den Umhang aus und suchte nach weiteren Verletzungen. Zum Glück war sie bis auf die Gesichtsverletzungen unversehrt. Ich deckte sie zu und holte mir eine Schüssel mit Wasser. Tupfend reinigte ich ihre Wunden. Bis auf das geschwollene Auge waren sie glücklicherweise nicht zu schlimm. Ich trug die Salbe auf das Augenlid auf und schmierte außerdem ein wenig auf die Platzwunde. Anschließend ging ich vom Bett weg und ließ sie schlafen. Ihr Atem wurde ruhiger und entspannter. Meinen eigenen Umhang warf ich über einen Stuhl und legte meine Messer auf einen Beistelltisch. Ich fischte eine leere Pergamentrolle und eine Feder aus Saphirs Schreibtisch und kritzelte eine Nachricht an Sithis. Er ist tot. Auftrag erledigt. Ein Dienstjunge lief gerade vor der Tür entlang, als ich ihn zu mir pfiff. Er wurde von mir beauftragt den Brief versiegelt zu Sithis zu bringen. Mit einer Antwort solle er warten, bis Saphir und ich zu ihm kommen würden, bat ich den Jungen zusätzlich zu überbringen. Nickend lief er los.
Ich zog mir einen großen Sessel ans Bett nachdem ich den Kamin angemacht hatte und beobachtete Saphirs ruhigen Atem. Irgendwann schlief ich ein.
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Der Dunkle Thron
FantasyWas wäre, wenn ein einzelner Mensch dich deinen Lebenssinn überdenken lässt? Wenn die pure Existenz dieser Person die Grundlagen deines Lebens umwirft? Mit dieser Wendung hat Alena Eshrava, besser bekannt als 'der Schatten', nicht gerechnet. Sie m...