11 | Feuerwerk

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Hustend verließ ich den Wagen. Meine Beine trugen mich unkontrolliert die Treppenstufen herab. Mein Verstand klarte wieder auf. Der Moschus Gestank hatte meine Sinne vernebelt und mich stürmisch handeln lassen. Das erste was mir auffiel war, dass die Sonne bereits tief am Horizont stand. Es mussten Stunden in diesem Wagen vergangen sein. Feindseelige Blicke der Bewohner der Wagenburg bohrten sich in mich. Doch keiner macht Anstalt auf mich zu zu kommen. Zu meinem Glück hatte wohl keiner mitbekommen was geschehen ist. Mit Bedacht keinen zu verärgern und ohne mich weiter umzusehen verließ ich flüchtig die Wagenburg.

Stöhnend lehnte ich mich an die Mauer einer etwas leereren Seitengasse und atmete tief durch. Ich beruhigte meinen Herzschlag und entspannte meinen gereizten Körper. Das hätte gerade nicht passieren dürfen. So gut wie grundlos hatte ich eine Magische getötet. Hinzukommend, dass sie eine Zigeunerin war. Ich betete zu den Göttern, dass es keine Konsequenzen haben würde. Ich war zwar nicht sehr gläubig, aber es könnte nicht schaden. Das dunkle Reich konnte sich keinen Konflikt mit den Zigeunern erlauben im Moment. Und ich konnte es mir nicht erlauben, diesen Konflikt angezettelt zu haben. "Verdammt!", zischte ich und schlug mir gegen den Oberschenkel.


Langsam brach die Nacht herein und die Sonne verschwand gänzlich am Horizont, während der volle Mond den Himmel erklomm. Ich saß auf einem der Dächer nahe des Marktplatzes. Von dort aus hatte ich den besten Blick auf die Feierlichkeiten. Die Luft hier oben war abgekühlt und nicht so stickig wie in den Gassen. Ich nahm einen tiefen Atemzug und genoss die frische Luft. Hin und wieder kam der Geruch von gebranntem Mais und anderen Köstlichkeiten mit dem Wind geweht. Entfernt konnte man Wölfe jaulen und Hunde bellen hören. Die Nacht war wunderschön. Insgeheim wünschte ich mir, dass Saphir hier mit mir sitzen und mir Gesellschaft leisten würde. Was sie wohl gerade machte? Ich ließ den Blick über den großen Marktplatz streifen. Betrunkene wankten umher während die Kurtisanen versuchten die Männer in ihre Häuser zu locken. Barden besangen den großen König und Künstler malten Gemälde von Adeligen. Hier und da sah ich ein bekanntes Gesicht über den Platz huschen und lächelte in mich hinein. Ich schloss die Augen und genoss lächelnd das Getümmel unter mir.

Ich spürte die Schritte, bevor ich sie hörte. Ich ließ die Augen geschlossen . "Ich weiß, dass du da bist. Du kannst dich nicht an mich anschleichen", sagte ich in die Nacht hinaus. "Vielleicht wollte ich dich nicht erschrecken", antwortete die Dunkelheit. Verwundert öffnete ich die Augen und sah hinter mich. Ich hatte damit gerechnet, dass Saphir hinter mir stände. Doch die männliche Stimme kam mir unbekannt vor. Er trat einen weiteren Schritt vor und das Mondlicht beleuchtete sein Gesicht. Es war der Novize der mich neulich im Speisesaal störte. Unsicher trat er von einem Fuß auf den anderen. Er erwartete eine Antwort. Ich gab ihm keine. Dann fasste er all seinen Mut und setzte sich neben mich an die Dachkante. "Ich bin übringens Flynn", grinste er. "Du hattest mir letztes Mal keine Chance gegeben mich vorzustellen". Ich stöhnte hörbar auf. Ich wollte keine Gesellschaft. Zumindest nicht von ihm. "Was willst du, Flynn?", fragte ich knapp und ließ den Blick wieder in die Ferne schweifen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er nervös an seiner Lippe rumspielte. "Wieso bist du hier alleine auf dem Dach? Ich meine, du könntest mitten im Trubel sein und die besten Plätze ergattern." Ich seufzte. "Weil ich meine Ruhe haben wollte, Flynn. Deshalb" "Oh..", sagte er bedrückt. Trotzdem blieb er neben mir sitzen. Uninteressiert an einem weiteren Konflikt nahm ich es einfach hin. So saßen wir zusammen stillschweigend nebeneinander und genossen das Spektakel.

Als der Mond seinen höchsten Punkt erreicht hatte, explodierte der Himmel. Feuerwerke schossen in den Nachthimmel und explodierten in den wunderschönsten Formen und Farben. Bunte Lichter und brennende Fackel erleuchteten die Nacht und die Luft bebte. Der Geruch von Schwarzpulver und Feuer wurde vom Wind davon getragen. Erstauntes Gemurmel und beeindruckte Jauchzer waren zu vernehmen. "Atemberaubend", flüsterte Flynn. Mit offenem Mund stimmte ich ihm nickend zu. Jedes Jahr aufs neue ist dieses Feuerwerk das Wunderschönste was ich je sah. Und wie jedes Jahr fragte ich mich, ob das Feuerwerk magisch war. Es sah jedenfalls magisch aus.

Noch lange nachdem das Feuerwerk verblasste und die Menge in die Tavernen verschwand saßen Flynn und ich schweigend nebeneinander. Zwei Assassinen, die wortlos die Nacht genossen. Irgendwann streckte ich meine Glieder und hievte mich auf. Flynn beobachtete mich mit großen Augen. "Danke für die Gesellschaft", hauchte ich und kletterte ohne eine Antwort abzuwarten vom Dach.

Verwundert über mich selber schüttelte ich den Kopf. Ich kannte diesen Novizen nicht einmal. Ich wurde unvorsichtig. Eigentlich hätte ich ihn nicht einfach neben mir sitzen lassen dürfen.  Vielleicht war sogar er der Verräter, der versuchte mich auszuspionieren. Trotz aller Gedankenspiele musste ich mir aber eingestehen, dass seine Gesellschaft schöner war, als die Nacht alleine verbringen zu müssen.

Melancholisch ging ich langsam zurück zum Schloss. Die Straßen waren fast leer, nur das Gebrülle und die Musik aus den Tavernen belebte die Stadt. Einige Gassen entfernt von mir sah ich wie eine Gestalt in einer Ecke hechtete. Augenblicklich war ich in Alarmbereitschaft. Mit einer Hand über einem versteckten Dolch pirschte ich an die Ecke. Meine Sinne waren offen und geschärft. Ich spähte um die Ecke und mein Herz setzte einen Schlag aus. Ganz hinten in der Gasse stand Saphir und drückte ein Mädchen gegen die Wand. Ich versuchte ihr Gesicht zu erkennen, doch eine Kaputze war tief in ihr Gesicht gezogen. Ein stechender Schmerz durchzog meine Brust. Ich biss die Zähne zusammen und zischte auf. Plötzlich sahen beide auf und bemerkten mich. Saphirs Gesicht verlor sämtliche Farbe. Doch mein Blick galt ganz dem Mädchen. Ich konnte ihr Gesicht noch immer nicht erkennen, doch ich spürte wie ihr Blick mich durchbohrte. Wie in Trance machte ich einen Schritt in die Gasse. Ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Grausam hämmerte mein Herz gegen meine Brust und mein Hals fühlte sich an wie zugeschnürt. Hysterisch riss Saphir das Mädchen herum und redete hektisch auf sie ein. Und noch bevor ich wieder aus meiner Trance herausgerissen wurde, war das Mädchen verschwunden. "Scheiße...", murmelte Saphir.

Langsam beruhigte sich mein Herzschlag wieder und ich ging einen weiteren Schritt auf Saphir zu. Gänsehaut bildete sich auf meinem ganzen Körper. "Wer war das?", fragte ich misstrauisch. "Ich wüsste nicht, was dich das angeht", antwortete Saphir erzürnt. Ich schluckte. Mit solch einer Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Gedanken rasten durch meinen Kopf. "Saphir, ich ...", stammelte ich, bevor ich meine Gedanken in Worte fassen konnte. "Du weißt, dass ein Verräter unter uns ist...", beendete ich meinen Satz. Erborst fuhr sie mich an: "Und du hältst mich für einen Verräter?" Ich riss die Augen auf. "Nein, niemals! Aber das Mädchen ... vergiss es. Es war ein dummer Gedanke. Ich will nur vorsichtig sein. Du weißt wieviel auf dem Spiel steht.", versuchte ich sie zu beschwichtigen. Saphir nickte und mit einem Lächeln sagte sie: "Ich weiß. Aber vertrau mir." "Ich vertraue dir.", bestätigte ich. "Gut, dann lass uns jetzt zusammen in der Taverne den großen König huldigen!", lachte sie und zerrte mich hinter sich her.

Der Dunkle ThronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt