9 | Die Vorbereitungen

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Das hektische Treiben auf dem Korridor weckte mich. Ich war wohl eingeschlafen und saß zusammengesackt auf einem Stuhl. Flashbacks von letzter Nacht spielten vor meinen Augen. Müde rieb ich über mein Gesicht und dehnte meinen geschundenen Körper. Ich hatte nicht gut geschlafen. Ich ließ den Blick durch den Raum schweifen, bis er an der jungen Frau im Bett vor mir hängen blieb. Sie schlief ruhig und ihr Atem ging regelmäßig. Die Verletzungen sahen gut aus und selbst die Farbe war in ihr Gesicht zurück gekehrt. Die Nachmittagssonne beleuchtete ihr schönes Gesicht. Eine Weile lang beobachtete ich ihren Schlaf. Saphir war meine beste Freundin. Doch sie war auch meine größte Konkurrentin. Ich liebte sie, auf eine platonische und rein freundschaftliche Art und Weise. Doch wenn ihr Vater jemals ihren Tod von mir verlangen würde, wüsste ich nicht, ob ich zögern würde. Genauso wie sie. Und genauso wie sie, hatte ich keine Probleme damit Kinder, Frauen oder Adelige im Auftrag zu töten. Dennoch zögerte ich bei dem Bauernmädchen. Leise lachte ich auf und schnaufte Luft durch meine Nasenlöcher. Ich führte schon ein merkwürdiges Leben. Aber eines, was mir gefiel.

Nach einiger Zeit stand ich auf und setzte mich an die Bettkante. "Prinzessin", neckte ich sie und schüttelte sie leicht an der Schulter wach. "Aufwachen". Ein müdes Gemurmel und Stöhnen kam mir entgegen während sie sich im Bett umherwälzte. "Ich lasse dich köpfen, wenn du mich noch einmal Prinzessin nennst.", grummelte sie und schlug schließlich die Augen auf. Ich grinste. "Autsch, soviel Dankbarkeit auf einmal". "Dankbarkeit?", murmelte Saphir, immer noch schlaftrunken. Ich konnte genau beobachten, wie ihr Kopf arbeitete und wie es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel. Sie richtete sich im Bett auf und fasste sich an den Kopf. Zischend zog sie die Hand wieder zurück. "Was ist passiert?", fragte sie skeptisch. Wortlos stand ich auf und tränkte einen Lappen mit Wasser. Vorsichtig tupfte ich die Kopfplatzwunde sauber und reichte ihr die Salbe. "Für dein Auge", fügte ich hinzu. Nickend nahm sie die Salbe an und cremte ihr schmerzendes Auge ein. "Jetzt erzähl schon", drängte sie. "Wir waren unaufmerksam. Er hatte mich schon längst erkannt und wusste, dass du zu mir gehörst. Seine Wachen teilten sich auf und nachdem du einen getötet hattest, schlug dich der andere bewusstlos. Also habe ich Sardos und die andere Wache getötet. Ich hab die Papiere an mich genommen und hab dich durch die Tunnelsysteme ins Schloss gebracht. Eine schwarze Hand hat uns diese Salbe mitgegeben für dein Auge."

"Weiß Sithis was passiert ist?", hakte sie nach. Ich schüttelte den Kopf. "Noch nicht, ich wollte jetzt zu ihm gehen." Saphir nickte. "Danke", flüsterte sie.

Auf dem Weg zum Ratsraum grummelte mein Magen so schlimm, dass ich mich entschied einen schnellen Abstecher in den Speisesaal zu machen. Er war noch relativ leer, doch ein Topf mit Haferbrei und ein Korb Brot stand bereits auf den Tischen. Ich schnappte mir einen Teller, belud ihn mit Brot und Haferbrei und setzte mich abseits an einen leeren Tisch. Eilig schaufelte ich die Nahrung in mich hinein, bis sich ein junger Mann zu mir setzte. Unerfreut schaute ich auf und blickte in seine mich anstarrenden Augen. Er war vielleicht Mitte Zwanzig und trug eine Lederrüstung. Ich rollte mit den Augen. "Verschwinde, Novize." Er schien einige Anläufe zu brauchen, bis er etwas stotterte: "A..aber ich wollte von Euch lernen und Euch Gesellschaft leisten." "Nein.", antwortete ich schnippisch und beendete prompt mein Frühstück.

Genervt, aber mit vollem Magen ging ich durch leeren den Thronsaal in die hinteren Ratskammern. Eine der Türen war leicht angelehnt und Stimmen drangen heraus. Ich blieb vor der Tür stehen, doch statt zu klopfen, lauschte ich. Wortfetzen drangen heraus: "...Loriak....Feier....König....Alena...." Ich zischte als mein Name fiel. Augenblicklich verstummten die Stimmen und ich klopfte hektisch an der angelehnten Tür, bevor sie unter meiner Hand aufgerissen wurde. Ich erhielt Einblick auf einen kleinen, düsteren Raum. Ein großer, runder Tisch mit einer Karte stand in der Mitte. An den Wänden brannten Fackeln und Wandteppiche zierten den Raum. Vor mir stand Sithis, wütend wie immer, während der dunkle König, über den Tisch gebeugt, den Kopf hob und mich ansah. Ehrfurchtsvoll neigte ich den Kopf und betrat, nach einem Wink des Königs, den Raum.

Als ich den Raum betrat, schien die Luft greifbar zu sein. Es war stickig und dunkel. Ein Mantel des Schweigens legte sich über den Raum und nur das Klicken des Türschlosses hinter mir durchbrach die Stille. Ich streckte den Rücken durch und räusperte mich, während Sithis und mein Meister mich erwartungsvoll ansahen. "Wir haben den Auftrag erledigt." Ich kramte in meinen Taschen. "Hier sind die geforderten Papiere", fügte ich hinzu und legte einige zerknitterte Briefe auf den Tisch. Forsch riss Sithis die Briefe an sich und durchforstete sie mit hochgezogenen Augenbrauen. "Sehr gut.", lobte der König. "Eure Bezahlung wird auf eure Zimmer gebracht", fügte Sithis hinzu.

"Und?", fragte der König an seine rechte Hand gewand. "Ich brauche etwas Zeit. Ich lasse Euch Bescheid geben, wenn ich etwas rausgefunden habe", zischte Sithis. Der König nickte. "Dann geht, Ihr wisst, was Ihr tun sollt.", fügte er hinzu und schickte Sithis samt der Briefe fort.

Dunkelheit und Stille erfüllte den Raum erneut, als Sithis die Tür hinter sich zuzog. Wieso schickte mich der Meister nicht auch weg? Eine unbehagliche Zeit lang begutachtete er mich und ich hielt seinem Blick stand. Dann wandte er sich wieder dem Tisch vor sich zu. "Alena...", setzte er an. "Was weißt du über die Verteilung des Reiches Azeras?" Ich schluckte. Die Frage kam aus dem Nichts. Kurz überlegte ich, bevor ich antwortete: "Nicht sehr viel. Ich weiß, dass der große König nach seinem Tod das Land an Euch und Euren Bruder gleichmäßig aufteilte, da Ihr Zwillinge seid. Und bald ist der Gedenktag an den großen König. Tut mir Leid, mehr weiß ich nicht." Plötzlich schämte ich mich für mein Unwissen. Doch er lächelte sanftmütig: "Mach dir keine Vorwürfe, kaum jemand weiß mehr. Doch du musst etwas wissen Alena. Etwas, was dir bei deinem nächsten Auftrag helfen wird. Loriak und ich sind Zwillinge. Doch wir könnten nicht verschiedener sein. Er erbte die Magie, sodass er der König des Lichts getauft wurde. Ich hingegen besitze keine magischen Fähigkeiten, weshalb man mich als dunklen König betitelte. Vater teilte das Land gerecht auf und vermachte mir die Nordhälfte und Loriak die Südhälfte." Er machte eine kurze Pause und ging auf und ab. Dann ließ er wütend die Faust auf den Tisch knallen. Erschrocken zuckte ich zusammen. "Doch Loriak war der Meinung er wäre etwas Besseres. Er war der Meinung ihm würde durch seine Fähigkeiten mehr zustehen. Also begann er einen Krieg. Mit Hilfe seiner Magie nahm er große Teile meines Landes ein und tötet viele meiner Bauern aus reiner Habgier. Machtlos konnte ich mich nicht wehren. Ich hatte nie damit gerechnet. Und so stellte er mich als schwach und böse dar. Als ein König, der nicht in der Lage war, sein eigenes Volk zu schützen." Er verstummte und atmete wütend durch. Als er nicht wieder anfing zu reden, ergriff ich das Wort. "Wieso erzählt Ihr mir das alles?"

Wie aus einer Trance gerissen hob er den Kopf und sah mich an. "In ein paar Wochen ist die Gedenkfeier des großen Königs. Wir bereiten schon alles vor, doch ein Spion trug mir zu, dass wir einen Verräter in den eigenen Reihen haben. Jemanden, der angeblich für den lichten König arbeitet. Anscheinend ist ihm sein Reich noch nicht groß genug. Ich möchte, dass du den Verräter findest. Ich möchte, dass du jeden verdächtigst. Ich möchte, dass du sämtliche Bedrohnungen ausschaltest. Du hast freie Hand. Töte ihn oder bring ihn lebendig zu mir, es ist dir überlassen." Ich nickte. "Dann geh.", sagte der König, bevor ich mit einer Verbeugung den Raum verließ.





Der Dunkle ThronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt