21 | Der Rat

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Der nächste Morgen war der Schönste, den ich in letzter Zeit hatte. Ich schlief sehr lange, fast bis Mittag wie mir Krol grimmig mitteilte, als ich gut gelaunt das Zimmer verließ. Überraschenderweise wurden mir von dem Riesen keine Handeisen angelegt, trotzdem folgte er mir wie ein Schatten auf Schritt und Tritt, sorgte aber dennoch für ausreichend Abstand zwischen uns beiden.

Unschlüssig, was ich mit dem angebrochenen Tag anfangen sollte oder was meine Aufgaben hier waren, begab ich mich in den verlassenen Innenhof. Ich setzte mich auf eine der Steinbänke und ließ die Sonnenstrahlen mein Gesicht erwärmen. Die Vögel zwitscherten und der Garten blühte in einem wunderschönem Grün. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit fühlte ich eine Art inneren Frieden. Keine bösen Gedanken schossen durch meinen Kopf, kein mordlustiges Blut ronn durch meine Adern. Nur die Stille der Natur mit den gedämpften Geräuschen der lebenden Stadt füllten meinen Kopf.

Ein Räuspern riss mich aus meinen Gedanken. "Nymeth wünscht Eure Anwesenheit beim Rat.", brummte Krol, der einen Schatten auf mein Gesicht warf. Ich warf ihm kurz einen bösen Blick zu, dann raffte ich mich auf. Mein Blick schweifte durch den Garten, doch es war niemand zu sehen, außer uns beiden. "Woher weißt du das?", fragte ich ihm verdutzt. Kopfschüttelnd antwortete er mit einer arroganten Selbstverständlichkeit: "Sie ist eine Magische. Sie hat es mir eben mitgeteilt.", und schubste mich leicht nach vorne, um mich in Bewegung zu versetzten. "Da lang", murmelte er. "Ist ja okay", antwortete ich schnippisch und betrat die Villa wieder.

Wir blieben schließlich vor einer Doppelflügeltür stehen, die mir sehr bekannt vor kam. "Wir sind da.", brummte Krol. Bedrohlich baute er sich plötzlich vor mir auf und sah auf mich herab. "Ihr werdet keine falsche Bewegung in dem Raum machen, ansonsten steckt mein Schwert in Eurem Rücken.", drohte er mir. Leicht eingeschüchtert nickte ich: "Keine Sorge", lächelte ich arrogant und versuchte meine Unsicherheit zu kaschieren. Gegen solch einen Koloss wäre ein unbewaffneter Zweikampf erschwert, dennoch nicht unmöglich. Nicht, dass ich derartiges vor hatte. Unbeeindruckt von mir klopfte Krol zwei Mal an der Tür, woraufhin diese aufschwang. Vor uns tat sich ein Raum auf, den ich bereits kannte. Die holzvertäfelten Wände waren hell erleuchtet durch Fackeln und die Bücher und Papiere lagen wieder fein säuberlich sortiert an ihren Plätzen. An dem Tisch in der Mitte standen sechs Menschen, unter ihnen Nymeth. Und jeder einzelne von ihnen starrte mich an, als hätten sie einen Geist gesehen. Sicheren Schrittes ging ich zwei Schritte in den Raum, während Krol die Tür hinter uns schloss und fast an mir klebte, so nahe wie er an mir stand. Leise räusperte ich mich und schien die Trance im Raum zu lösen. Sofort ging Nymeth mit freudigem Blick einen Schritt auf mich zu und stellte sich neben mich. "Hallo", flüsterte sie freudig. Ich lächelte als Antwort. Dann baute sie sich neben mir auf und ergriff das Wort, mit dem sie die eiserne Stille durchschnitt: "Das ist Alena Eshrava. Der Schatten. Ich hatte euch von ihr erzählt. Ich möchte, dass ihr sie akzeptiert. Sie wird uns helfen und heute dem Rat beiwohnen."

Unsicheres Gemurmel ertönte vom Tisch. Einige steckten ihre Köpfe zueinander. Abschätzende und argwöhnische Blicke durchbohrten mich. "Wie sollen wir ihr trauen? Sie ist eine der Schergen des Königs?!", fragte ein großer, stämmiger Mann in Kettenhemd. "Genau, was ist, wenn sie uns alle verrät und abschlachtet wie Vieh?!", stimmte eine kleine Frau mit sehr langen, schwarzen Haaren hinzu. Hinter mir spürte ich, wie Krol noch ein Stück näher an mich heran trat. Ich fühlte mich plötzlich unbehaglich und ausgeliefert. "Ruhe!", herrschte Nymeth über den Raum. Das Gemurmel endete abrupt. "Alena ist auf unserer Seite. Ich verbürge mich für sie mit meinem Leben. Wie ihr wisst, dient sie dem dunklen König nur über einen Blutschwur, der sie gefügig machen sollte. Diesen Schwur zu brechen ist essentiell für unsere Mission. Nur dann wird sie uns voll und ganz unterstützen können." Die kleine Frau meldete sich erneut zu Wort: "Wir haben schon genug zu tun, wir können uns nicht auch noch einen Klotz ans Bein binden!" Das traf mich. Ich war unnötiger Ballast und ich konnte hilfreich sein. Ja, ich wollte sogar hilfreich sein. Doch bevor ich etwas erwidern konnte, ergriff Nymeth das Wort erneut: "Nein. Das hat oberste Priorität ab jetzt. Und ich möchte, dass ihr Alena auch so behandelt. Sie gehört jetzt zu uns und steht unter meinem persönlichen Schutz, verstanden!?", herrschte sie über die Anwesenden. Bei ihren ersten Worten wurde mir warm ums Herz. Und dann lernte ich eine Art an ihr kennen, die mir unbekannt war.
Etwas Herrscherisches.
Etwas Königliches.
Nymeth stolzierte zurück zum Tisch und zog mich an einer Hand mit, was ein Kribbeln in mir verursachte.

Die fünf Anderen schwiegen und beobachteten uns. Dann zeigte Nymeth auf die Person links neben sich. "Das ist Themo. Er verwaltet unser Gold und ist geschickt mit dem Schwert." Ein bärtiger Mann nickte, seine Augen strahlten eine Art Wärme aus, die sich vertraulich anfühlte. "Und das ist Larudam...", sie zeigte auf den Mann im Kettenhemd "Er ist unser Kampfmeister" "Kattalina kümmert sich um jegliche Kommunikation", fügte sie hinzu und die kleine Frau nickte mir zu. "Atrosh...", ein kleiner, unscheinbarer Mann grinste "ist ein Spion am Hof des Lichts und am dunklen Hof. Und Ramin ist ein ehemaliger General des Großkönigs." Ein sehr alter Mann lächelte mir zu. "Zusammen sind wir der Rat und die Anführer der Rebellion."

"Hallo", sagte ich trocken, nicht wissend, was ich sonst sagen sollte, nach solch einer Vorstellung. "Was weiß sie alles?", fragte Kattalina an Nymeth gewand, welche etwas länger schwieg bevor sie antwortete: "Das ist schwer zu sagen. Sithis, die rechte Hand des Königs hat sie beim letzten Schwur einiges vergessen lassen. Jedoch kann ich nicht sagen was. Wobei ich vermute, dass sie nichts mehr über uns ... und über mich ... wusste." "Aha", antwortete die kleine Frau trocken. "Was ist mit Saphir?", brach es aus mir heraus. "Saphir ist am Hof. Sie ist auch Teil des Rates, doch sie darf nicht auffliegen. Das ist auch der nächste, wichtige Punkt. Saphir ist offiziell längst auf der Suche nach dir, Alena. Der dunkle König denkt oder weiß, dass wir dich entführt haben. Ich vermute er weiß, dass ich dich wieder versuche auf meine Seite zu ziehen. Deshalb wird er uns alle sofort töten lassen, sobald wir auffliegen. Darum hat auch Saphirs Schutz oberste Priorität. Schließlich soll sie die nächste Königin werden." Nymeth nahm sich eine Atempause um die Informationen sacken zu lassen. "Wir müssen ein neues Versteck finden. Es wird nicht lange dauern, bis der König oder seine Schergen auch hier in der Villa suchen werden. Hat irgendjemand Ideen, wo wir uns verstecken und koordinieren könnten? Kattalina vielleicht?" Bedrücktes Schweigen legte sich über den Raum. Kattalina schüttelte den Kopf. Plötzlich färbten sich Nymeths Augen für eine halbe Sekunde in ein strahlend helles Blau. Dann verkündete sie: "Pleia kommt." "Wer ...?", wollte ich fragen, doch ich wurde von einer aufschwingenden Tür unterbrochen. Im Türrahmen stand eine wunderschöne Elfe mit langen, schneeweißen Haaren und spitzen Ohren. Ich schluckte. Es war die gleiche Elfe die ich beim Gedenkfest in der Wagenburg sah. "Du.", sagte eine liebliche Stimme, die von der Elfe kam. "Du hast Adeline getötet. Unsere weise Hexe." Ohne etwas anderes zu sagen kam sie mit gefletschten Reißzähnen auf mich zu. Ich hob die Hände und versuchte sie zu beschwichtigen. Eilig schob sich Nymeth zwischen uns. "Pleia, bitte", flüsterte sie. "Nein. Sie hat es nicht verdient gerettet zu werden!", spuckte Pleia zu mir. "Sie war eine Verräterin!", rechtfertigte ich mich, bevor ich bemerkte, was ich gerade sagte. "Verräterin woran? Am König? Dann sind wir alle Verräter hier. Na los, töte uns alle!", schrie sie. "Pleia bitte. Hör auf.", bat Nymeth und sah mich hilfesuchend an. "Es .. tut mir Leid.", flüsterte ich und sah Pleia aufrichtig in die Augen. "Sie konnte nichts dafür, sie stand unter dem Blutsschwur." "Und das tut sie immer noch! Adeline zu töten war keiner ihrer Aufträge!" Ich atmete tief ein und trat einen Schritt zur Seite, wobei ich Nymeth sanft von mir wegschob. Dann sah ich Pleia aufrichtig an: "Es tut mir Leid. Wirklich. Nymeth hat mich eines Besseren belehrt. Aber nun bin ich hier um euch zu helfen. Um den König zu ... töten." Es fiel mir schwer diese Worte zu sagen und der Schwur brachte mein Blut in Wallung. "Hass mich, wenn du willst. Aber lass mich helfen." Erneut atmete ich tief durch und versuchte mein erregtes Blut zu beruhigen. Langsam legte sich die Zittrigkeit meiner Arme und ich öffnete die Hände wieder, die ich zu Fäusten geballt hatte.

Meiner unbeachtet, drehte sich Pleia zum Tisch um und sprach in die Runde: "Es gibt ein uraltes Ritual. Es nennt sich Anordnung des Geistes. Dabei nimmt man der Seele sämtliche schlechte Einflüsse, die auf sie einwirken. Jedoch kann ich es hier nicht durchführen. Die einzige mächtige Hexe die den Zauber hier sprechen konnte ist durch die Hand von ihr ..." sie zeigte auf mich "... gestorben. Aber wir könnten das Ritual durchführen auf der Elfeninsel."

Gemurmel füllte den Raum. Unsicher meldete sich Larudam zu Wort: "Würden die Elfen uns denn empfangen? Würden sie uns sogar Zuflucht verschaffen?" "Ja. Die Elfen hören auf mich. Der Elfenrat heißt eure Pläne gut, auch wir wollen die Tyrannei der gespaltenen Throne beenden. Wir wollen wieder Handel betreiben und vor Allem wollen wir unsere Kinder nicht mehr in Angst  vor Versklavung groß ziehen. Wir werden euch helfen. Und wir werden euch auch Zuflucht verschaffen."

Der Dunkle ThronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt