- 4 Wochen später -
Die Tage verstrichen und Normalität kehrte in meinen Alltag zurück. Das Selbstvertrauen kam zurück und ich fühlte mich wieder gut. Ich fühlte mich langsam wieder zu Hause. Dank der Medizin des Medikus waren meine Wunden verheilt. Jeden Tag trainierte ich mit Saphir und anderen Assassinen und es dauerte nicht lange, bis ich im Training meines Ruf wieder rechtfertigen konnte. Ich gewann jeden Übungskampf, traf jedes Wurfmesser und schoss jeden Pfeil mit einzigartiger Präzision ins Schwarze. Es war, als wäre ich für den Kampf geboren wurden. Ab und an beobachtete Sithis kritisch mein Training bis er jedes Mal wortlos ging. Ich konnte ihn einfach nicht leiden. Und genauso beschlich mich schon immer das Gefühl, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte. Selbst die Bediensteten und Diener wussten, dass ich zurück war und zuckten ständig zusammen, wenn ich ihren Weg kreuzte.
Eines wunderschönen Frühlingsmorgens, an dem die Sonne herrlich warm durch die Fenster schien und die Blumen sich zur Sonne neigten, klopfte es an der Tür. Ich band mir gerade die Haare zu einem hohen Zopf zusammen als sich die Tür ohne Aufforderung öffnete. Gerade als ich protestieren und der Person zynische Wörter an den Kopf werfen wollte, erkannte ich Saphir und nahm mich zurück. Als sie im Raum stand bemerkte ich sarkatisch, aber mit einem Lächeln: "Klar, komm doch herein." "Danke!", lachte Saphir breit und holte ein kleines Küchlein hinter ihrem Rücken hervor. Er war klein, vielleicht so, dass er gerade in eine Hand passte, doch er war mit rosa Glasur verziert und sah lecker aus. "Alles Gute zum Geburtstag!", umarmte Saphir mich stürmisch. Ich machte nie etwas großes aus meinen Geburtstagen. Je älter man wurde, desto näher ist man am Tode, daher habe ich den Brauch nie richtig nachvollziehen können. Doch Saphir ließ sich davon nie überzeugen. Sie liebte Geburtstage und sämtliche Feierlichkeiten. Heute war mein 19. Geburtstag. Ich war mir früher nie sicher, ob ich überhaupt so alt werden würde ... oder werden wollte. Doch heute war ich glücklich über jeden Tag den ich leben und mit Freude verbringen darf. Meine Aufträge lassen mich immer wieder spüren, wie kurz das Leben doch ist und wie schnell es vorbei sein kann.
"Danke", flüsterte ich Saphir ins Ohr und drückte sie leicht von mir weg. Ich betrachtete nochmal den Kuchen, nahm ihn ihr aus der Hand und biss rein. Er schmeckte köstlich. Mit vollem Mund sagte ich: "Das ist echt lieb von dir". Saphir wartete bis ich das Küchlein ganz verschlungen hatte bis sie mir zuzwinkerte: "Der ist nicht von mir." Meine Gesichtszüge entgleisten. "Sithis lässt nach uns rufen. Komm in den Thronsaal wenn du soweit bist.", fügte sie eilig hinzu, verließ den Raum und ließ mich verdutzt stehen. "Von wem war der Kuchen?!", rief ich ihr hinterher, doch die Tür fiel ins Schloss und ich bekam keine Antwort.
Eilig zog ich mir meine Lederharnisch über mein Leinenhemd, befestigte den Umhang und steckte einige Messer in die Riemen. Ich zog meine Zopf an den richtigen Fleck und verließ in meinen schwarzen Lederstiefeln den Raum. Der Gedanke um den Kuchen hatte meinen Geist längst verdrängt. Ein einziger Lichtpunkt spielte sich vor mir ab: Wenn Sithis uns sehen will, heißt das wir bekommen endlich einen neuen Auftrag?
Ich bertrat den Thronsaal und wurde von Lerin darauf hingewiesen, dass Sithis und Saphir in einem der Hinterzimmer sind. Dankend durchquerte ich den Thronsaal. Er war leer, nur Luna lag neben dem Thron und wedelte freudig mit dem Schwanz als ich vorbeiging. Schnell strich ich ihr durchs graue, weiche Fell und gab ihr ein Kuss auf den Kopf. "Hi Süße", flüsterte ich ihr zu.
Die Tür zum Hinterzimmer stand leicht offen und ich hörte Saphirs wütende Stimme. Ein grummeliges Gefühl legte sich auf meinen Magen. Schnell klopfte ich und schob die Tür auf ohne eine Antwort abzuwarten. Ich verneigte mich leicht vor Sithis und Saphir, wie die Etikette es verlangte. Dann trat ich ein. Der Raum war dunkel und hatte keine Fenster. Einige Fackeln brannten in den Ecken und Regale voller Bücher und Schriftrollen zierten die Wände. In der Mitte stand ein großer Holztisch mit einigen Stühlen. Darauf lagen viele Briefe mit verschnörkelter Schrift. Ich konnte zwar lesen, aber für diese gewundene Handschrift brauchte ich immer lange um sie zu entschlüsseln. Mein Blick traf letztlich auf den Sithis'. "Endlich bist du hier.", er schenkte mir einen bösen Blick, bevor er sich dem Schreibtisch zuwand. "Es gibt einen neuen Auftrag. Einen für euch beide." Ich sah Saphir an. Sie sah nicht sehr begeistert aus und holte tief Luft. "Ihr bekommt ein Viertel des Geldes. 12 Goldmünzen." Der Betrag war gut. Ich müsste ihn zwar mit Saphir noch teilen, aber dafür, dass ich kostenlos im Schloss hausen und speisen durfte, waren 6 Goldmünzen gut. Das wären 600 Silbermünzen. Damit könnte ich mir vielleicht einige neue Dolche oder Pfeile kaufen. "Worum geht es?", fragte ich direkt und sah Sithis fordernd an.
"Der Auftraggeber will unerkannt bleiben. Ein Kampfrichter bei einem Boxkampf im Draft betrog ihn. Er will den Kampfrichter tot sehen und verlangt zusätzlich die Unterlagen, die der Mann mit sich führen soll." Er schob mir ein Pergament zu mit Details zu dem Auftrag. Zudem war eine genaue Beschreibung der Zielperson dabei. Ich runzelte die Stirn. "Der Auftrag ist einfach, also versau es diesmal nicht!", zischte Sithis an mich gewand. Ja, er war zu einfach. Ein Kampfrichter? Irgendwo musste doch noch ein Haken sein. "Fragen? Gut.", brummte Sithis und ging. Ich kratzte mir am Kopf und sah Saphir an. Sie sah ebenso verwundert aus. Wieso war das ein Auftrag für uns beide? Eins stand fest, wir mussten einiges über diesen Kampfrichter herausfinden. Also schnappte ich mir Saphir und zog sie in die Bibliothek wo Buch über sämtliche Bewohner Dalras geführt wurde.
Als die letzten Sonnenstrahlen die verstaubte Bibliothek erleuchteten schlugen wir die Bücher zu und gingen unseren Plan erneut durch. Der Kampfrichter hieß Erno Sardos. Er war 27 Jahre alt und wuchs im Armenviertel Dalras auf. Dort konnte er sich wohl gut durchsetzen mit Straßenkämpfen und Betrügerein, was ihn bis ins Draft brachte. Das Draft war ein Wirtshaus mit einem speziellem Ruf. Dort arbeitete er als Kampfrichter und Wettmeister. Merkwürdigerweise gewannen stets seine Kämpfer. Vielleicht schmuggelte er heimlich Waffen in den Boxkampf, vielleicht entschied er auch einfach nur unfair als Kampfrichter. Jedoch brachte ihm das anscheinend viel Geld ein, denn er hatte zwei Leibwächter. Ansonsten keine Familie, keine Kinder, keine genaue Wohnortangabe.
"Morgen findet ein Kampf statt", stellte Saphir fest. "Wir sollten hingehen, das Draft auskundschaften und Sardos kennenlernen." Ich nickte. Klang nach einem Plan.
Erschöpft verließen wir die Bibliothek und speisten noch gemeinsam zu Abend. Saphir wirkte sehr abwesend und ich erwischte sie immer wiede dabei, dass sie flüchtige Blicke auf mich warf. Wieso verheilt sie sich so komisch? Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gesagt Saphir hätte wegen irgendetwas ein schlechten Gewissen. Irgendwann verabschiedeten wir uns und gingen in unsere Zimmer.
Ich zog meine Sachen aus und bekam eine Gänsehaut auf der nackten Haut. Es war frisch. Ich wusch mich und zog mir ein langes Nachthemd an. Bevor ich zu Bett ging schliff ich meine Dolche. Die Tätigkeit beruhigte mich. Der erste Lichtblick nach dem nahendem Alltagstrott. Ich durfte den Auftrag nicht versauen. Es durfte kein Fehler passieren. Ich wollte mir nicht ausmalen was Sithis mit mir machen würde wenn ich erneut versagen würde. Meine Gedanken drifteten ab. Mir fiel der Kuchen von heute Morgen wieder ein und unwillkürlich musste ich lächeln. Ein Kuchen und ein neuer Auftrag. Bessere Geschenke hätte man sich nicht wünschen können. Doch von wem der Kuchen wohl war? Vielleicht vom dunklen König oder aus der Küche oder doch von Saphir? Vielleicht wollte sie mich nur ärgern. Es spielte keine Rolle mehr.
Als ich im warmen Bett lag zuckten unheilvolle Bilder im Halbschlaf auf. Wie ich versagte. Bei dem Bauernmädchen. Und das Rätsel um den Kuchen. Immer wieder sah ich, wie ich erneut versagte und Sithis mich in die Hölle folterte.
Schweißgebadet schlief ich irgendwann unruhig ein.
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Der Dunkle Thron
FantasyWas wäre, wenn ein einzelner Mensch dich deinen Lebenssinn überdenken lässt? Wenn die pure Existenz dieser Person die Grundlagen deines Lebens umwirft? Mit dieser Wendung hat Alena Eshrava, besser bekannt als 'der Schatten', nicht gerechnet. Sie m...