17 | Nymeth

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Das Erste was ich wahrnahm, waren unglaubliche Kopfschmerzen. Wellen des Schmerz durchpochten meinen Kopf und mir war übel. Langsam schlug ich die Augen auf, doch es war alles schwarz. Mit klirrenden Händen fasste ich mir an die Stirn. Meine Haare waren verklebt und frisches Blut ronn meine Stirn herunter.

Langsam gewöhnten sich meine Augen an die erdrückende Dunkelheit um mich herum und ich erkannte einige Schemen. Der Nebel in meinem Kopf lichtete sich ebenso langsam. Ich spürte das warme Stroh unter mir und erkannte schließlich wo ich war. Ich saß in einem Kerker. Drei Wände waren aus massiven, von Moos bewachsenem Stein. Die Vierte war eine Gitterwand aus rostigen Eisengittern, in der eine Gittertür eingelassen war. An der Wand gegenüber meiner Zelle kämpfte eine heruntergebrannte Fackel ums Überleben und spendete ein wenig Licht. Ich begutachtete meine Hände. Sie waren mit Handeisen zusammengebunden, was mir nicht viel Spielraum ließ. Von ihnen ging eine Kette aus zu einem in der Felswand eingelassenem Ring. Die Länge der Kette reichte nicht einmal bis zur Tür. Neben mir stand ein Eimer, daneben ein Tablett mit Brot und Wasser. Auch wenn meine Kehle ausgetrocknet war und brannte, würde ich es nicht anrühren. Wahrscheinlich war es mit Goldris oder Ähnlichem versetzt. Plötzlich überkam mich die Übelkeit so stark, dass ich mich in den Eimer neben mir übergab. Mein Magen rebellierte und meine Kehle brannte nun noch schlimmer. Doch ich rührte das Wasser nicht an.

Nachdenklich versuchte ich mich an die Ereignisse zu erinnern. Ich hatte versagt. Hatte ich versagt? Hatte ich das Mädchen umgebracht? Irgendetwas hatte mich davon abgehalten, ich konnte es mir nicht erklären. Sie kam mir so bekannt vor, aber auch so fremd. Sie musste eine Verräterin sein. Anders konnte sie mich gar nicht kennen. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Dennoch hatten sie mich gefangen genommen. Weil ich gezögert hatte. Versagt hatte. Der König hatte mir seinen Standpunkt damals klar gemacht. Wenn ich erneut scheitern sollte, würde er kein Mitleid mehr zeigen. Also konnte ich auch hier im Kerker meinen Tod finden. Es wäre auf jeden Fall ein besserer Tod als den, den man durch Sithis Hand findet. Meine Gedanken rasten. Würde mich der König hier rausholen lassen? Er wusste schließlich, dass ich hier war. Er wusste nicht wann ich hier war, aber wenn ich nicht zurückkehren würde, könnte er es sich sicherlich zusammenreimen. Aber würde er mich rausholen wollen? Würde ich wollen, dass er mich hier rausholt und mich dann bestraft? Immer tiefer versank ich in meine Gedanken.



Ich wachte durch rasselnde Ketten auf. Mein Zeitgefühl hatte mich verlassen. Dadurch, dass kein Fenster nach draußen zeigte, konnte ich nicht mal sagen ob es Tag oder Nacht war. In einer schräg gegenüber liegenden Zelle bewegte sich etwas. Ein Mann, oder eine Kreatur die mal ein Mann gewesen ist, kroch an die Gitterstäbe. Seine weiße Haut zeichnete jeden einzelnen Knochen ab und die gelben, verfaulten Zähne blitzen im Fackelschein. "Ich kenne dich", krächzte die Kreatur mit rauer Stimme. Ich erschrak. Woher kannte mich hier jeder? Was war hier los? "Ihr seid Alena, Tochter von Denar Eshrava", fügte es hinzu. "Woher wisst Ihr das?", fragte ich entsetzt und kroch an die Gitterstäbe. Die Kreatur lachte ein widerliches Lachen. "Jeder hier kennt Euch. Aber ich ... ich habe Euren Vater damals getötet!", lachte es hysterisch.

Was? Erinnerungen an meinen Vater kamen in mir hoch. Ganz verblasst sah ich das Gesicht meines Vaters vor meinen Augen, tief vergraben in einer alten Erinnerung. Mir wurde gesagt, dass er gestorben wäre, als der dunkle König damals Kinder vom lichten Hof entführen ließ. Stolz stieg in mir hoch, bei dem Gedanken, dass mein Vater bei dem Versuch mich zu verteidigen starb. Zumindest stellte ich mir vor, dass er so heroisch ums Leben kam. Ob es stimmte, wusste ich nicht. Und dieses abscheuliche Wesen dort soll ihn getötet haben? Er musste dabei gewesen sein, in der Nacht meiner Entführung. "Schert Euch fort!", spuckte ich ihm entgegen. Doch er ging nicht. Auch, wenn ich mein Leben am dunklen Hof genoss, konnte ich dem Wesen nicht länger in die Augen sehen. Schließlich hat es meinen Vater getötet, bevor ich ihn richtig kennenlernen durfte. Vielleicht war er ein großartiger Mann ...

Der Dunkle ThronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt