Prolog

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Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, seit ich das letzte mal an diesem Hof war. Der unerbittliche Zahn der Zeit nagte an den Gemäuern und es hatte sich einiges verändert.
Ich konnte mich noch genau erinnern, wie ich als Kind in die Apfelbäume kletterte um die Anderen mit faulen Äpfeln zu bewerfen.
Und wie ich mich danach gegen die Knappen im Holzschwertkampf beweisen musste, statt mit Puppen zu spielen, wie alle anderen Hofmädchen.

Mittlerweile war der Apfelbaum knorrig und verzweigt. Gespinstmotten hatten ihn sich zu Eigen gemacht und verworrene Netze hineingesponnen.
Äpfel trug der Baum wohl schon lange nicht mehr.
Frischer Tau glitzerte im Mondlicht und ein kühler Wind fegte über den Hof. Ein Schauer überfuhr mich und ich zog den schützenden Umhang enger um mich. Erwartend, dass er mich nicht nur vor der Kälte des Winters, sondern auch vor unerwünschten Gefühlen schützte.

Trotz meiner Vergangenheit war ich froh, nicht mehr hier, am Hofe des Lichts zu leben. Dem Leben hier, was mir seit meiner Kindheit verwehrt wurde, trauerte ich nicht hinterher. Doch nun, als ich seit gewiss 10 Jahren nicht mehr hier war, bohrte sich ein Stachel des Schmerzes in meine Brust und eine prägende Frage brannte sich in meinen Kopf: Wie wäre mein Leben gewesen, wenn es nicht so gekommen wäre, wie es nun ist?

Meinen trüben Gedanken nachhängend, ließ ich meinen Blick im Schatten des Baumes aufmerksam über die Gärten schweifen. Ich rügte mich selber, denn ich durfte nicht noch mehr Zeit in kindischen Erinnerungen verschwenden.
Ich musste einen Auftrag ausführen. Und dieser erforderte volle Konzentration.

Der volle Mond erleuchtete die Gärten und erschwerte es ungesehen zu bleiben.
Doch die Wachen schienen nicht interessiert an dieser Nacht zu sein. Sie erwarteten nichts. Keine Feinde, kein Geschehnisse. Schließlich herrschte seit Jahrzehnten Frieden. Offiziell.
Einige Wachposten spielten müde in einem hinteren Teil der Gärten ein Kartenspiel auf einem alten Steintisch. Ab und zu kam Gelächter oder ein Fluchen aus der Richtung. Sie waren abgelenkt und unaufmerksam.

Während ich entlang der Schatten des Gemäuers schlich, hielt ich Ausschau nach einem rostigen Bodengitter, welches schon in meiner Kindheit unbenutzt vom Inneren des Schlosses in die Gärten führte. Früher schlich ich mich hier immer rein und raus. Und heute musste es mir erneut dienen.

Lautlos hob ich das schwere Gitter an und stinkende Luft kam mir entgegen. Anscheinend wurde der Durchgang seit jeher nicht mehr genutzt, denn er war voller Spinnenweben und Dreck.
Spinnen und andere ekelerregende, kleine Viecher liefen über meine Schultern, als ich mich Stück für Stück durch das kleine Loch schob. Als Kind war es doch leichter, diese Passage zu nutzen.
Als ich endlich meinen Körper aus der dreckigen Röhre zog, schob ich den Wandvorhang, hinter welchem der Ausgang des Tunnels war, wieder an seinen Platz und schlich mich an den Wachen vorbei in die oberen Stockwerke wo die Schlafgemächer waren.

Minute um Minute kamen mehr Erinnerungen zurück und ich erkannte viele Ecken und Gänge. Ohne noch groß über die Beschreibung der Zielperson oder über die Lage des Raumes nachzudenken fand ich das beschriebene Gemach.
Bisher verlief alles genau nach Plan. Ich betete zu allen Göttern, dass es so einfach bleiben würde.

Ein letztes Mal umguckend um sicher zu gehen, dass keine Wache in der Nähe war, betrat ich lautlos mit gezücktem Messer das Zimmer.
Und es verschlug mir den Atem.
In einem ausladenden Himmelbett lag ein kleines Mädchen und schlief tief und fest.
Kopfschüttelnd sah ich mich um. Mir war nicht bewusst, dass die Zielperson so jung war, doch die Beschreibung passte: Rote Haare, vermutlich braune Augen, eher klein für ihr Alter.
Sicherheitshalber suchte ich den Raum nach einer anderen potentiellen Zielperson ab, doch es war niemand hier. Niemand außer das kleine, vielleicht zwölfjährige Mädchen.
Ein Anflug von Neugier packte mich. Wer wünschte solch einen Auftrag bei einem kleinen Mädchen? Doch es hatte mich nicht zu interessieren. Ich verbannte jegliche reuige Gedanken aus meinem Kopf und pirschte mich ans Bett.

Ihr kleines, niedliche Gesicht zeigte ein verträumtes Lächeln im Schlaf.
Mit bebendem Herz setzte ich die Klinge an ihrem Hals, atmete einmal tief durch und schlitzte diesen mit einem Ruck der scharfen Schneide durch.
Ein letztes Mal riss sie erschrocken die rehbraunen Augen auf und packte sich in den Hals.
Dann erschlaffte sie noch bevor sie einen Laut von sich geben konnte, während das helle Blut langsam vom Bettrand tropfte.
Sie war tot.

Und ich hatte einen weiteren Auftrag erfolgreich ausgeführt.

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Cover by @PRDanne

Der Dunkle ThronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt