14 | Verrat

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Die Menge wurde still. Es war für eine kurze Zeit so still, dass ich das Blut auf die Erde tropfen hörte. Erschöpft richtete ich mich auf und schaute ein letztes Mal auf die schöne, tote Frau herab. Was für eine Verschwendung von Potenzial. Wortlos trat ich auf den Kampfrichter zu. Die beiden Leibwächter bauten sich neben ihm auf, während er mit verschränkten Armen vor mir stand. "Ihr habt geschummelt.", sagte er. "Nein, habe ich nicht. Ich war einfach besser.", erwiderte ich. Er war nicht erzückt darüber, dass ich gewonnen hatte. Damit hatte keiner gerechnet. Doch bevor er auf falsche Gedanken kam, richtete ich mein Wort an ihn: "Ich hoffe Ihr wisst, wen Ihr vor Euch habt. Hier habt ihr Eure 15 Goldmünzen. Nun sagt mir, was ich wissen will." Tatsächlich schien er mich so langsam zu erkennen, als ich ihm den Sack mit dem Gold gab, denn seine Leibwächter zogen sich zurück. "Okay. Okay. Ich will keinen Stress mit Euch. Heute Nacht treffen sich einige zwielichtige Gestalten im Lagerhaus des Meerwals." "Ich hörte, es sollen Rebellen sein", fügte einer der Leibwächter hinzu. Ich wurde blass. Rebellen? Doch ohne mir etwas anmerken zu lassen, nickte ich und forderte meine Waffen zurück.

Ohne eine weitere Antwort verließ ich das Draft und trat in die dunkle Nacht hinaus. Ein eiskalter Wind zerrte an meinem Umhang und ließ mich erzittern. Ich wickelte diesen enger um mich und presste mich gegen eine Hauswand, um dem kalten Wind zu umgehen. Der Mond hatte den Himmel fast erklommen und strahlte kalt auf die leeren Gassen. Die frische Nachtluft flutete meine strapazierten Lungen und kühlten mich innerlich ab. Auch meine pochenden Kopfschmerzen ließen nach. Ich beruhige meinen Körper und dachte über die Geschehnisse von eben nach. Rebellen! Ich hatte noch nie etwas von einer Rebellengruppierung in Dalra gehört. Was könnten sie wohl wollen? Vielleicht war es ja auch nur ein Gerücht und eigentlich sind es Spione des lichten Königs. Oder es sind Friedenskämpfer für die Drakis. Oder es sind Drakis. Verworrene Gedanken und Verschwörungstheorien bildeten sich in meinem Kopf. Eine absurder und gefährlicher als die Andere. Eigentlich müsste ich mit diesen neuen Informationen direkt zum Meister, doch ich durfte keine Zeit mehr vertreichen lassen. Sollten sich diese 'Rebellen' tatsächlich heute Nacht treffen, könnte ich schon zu spät sein um sie noch zu erwischen.

Ich atmete ein letztes Mal tief ein und sammelte meine Gedanken. Mein Kopf wurde klarer, doch meine Glieder waren schwer. Der Kampf hatte mich ermüdet, was nun zu meinem Nachteil war. Ich hätte Saphir dazuholen können, doch auch die Zeit wäre verschwendet gewesen. Also schlich ich vorsichtig in Richtung Fischereiviertel. Dalra lag direkt an einem Fluss, der ins Meer führte, was den Fischern hier zu Gute kam. Die Segel-und Ruderboote schaukelte im Wind und hinterließen schaurige Schatten. Fischgestank durchzog das Viertel und ich rümpfte angewidert die Nase. Der Boden war voller Blut und glitischer Fischabfälle. In den Fischernetzen hingen noch Muscheln und kleinere Fische. Katzen tummelten sich überall, gierig auf die Fischkadaver. Doch die meisten Menschen hier schliefen bereits. Nur hier und da flickte ein Fischer noch seine Netze. Als ich um eine Ecke bog, prangerte das Gasthaus des Meerwals vor mir auf. Über den beiden Flügeltüren hing ein Walschädel, welcher bedrohlich auf die Ein-und Ausgehenden Gäste herabstarrte. Niemals würde ich mich freiwillig in dieses Gasthaus begeben. Ohne hineinzutreten konnte ich den Geruch von vergammelten Fisch und abgestandenen Bier schmecken. Doch das Gasthaus war auch nicht mein Ziel. Unauffällig stellte ich mich an eine Ecke und suchte das Lagerhaus. Keine zwanzig Meter entfernt stand es hinter dem Gasthaus. Auf den ersten Blick schien es ruhig und verlassen, doch wenn man genauer hinsah, sah ich eine verschleierte Gestalt auf dem Dach des Meerwals, bewaffnet mit Pfeil und Bogen. Erleichterung packte mich. Ich war noch nicht zu spät. Vorsichtig erklomm ich das Dach gegenüber der Taverne und ließ den Blick über die Dächer schweifen. Es war nur eine Person. Nur der Bogenschütze. Zielsicher spannte ich einen Pfeil in die Sehne von Justira und ließ den Pfeil fliegen. Er traf ihn direkt zwischen die Augen. Lautlos fiel er nach hinten um. Triumphierend kletterte ich hinüber, auf das Dach der Taverne und begutachtete den toten Mann. Doch er brachte mir keine Informationen. Alles was er bei sich trug war der Bogen und ein Köcher voller Pfeile. Erneut sah ich mich um, doch es war alles sicher. Ich versteckte den Körper hinter einem Vorsprung ich sah mir das Lagerhaus von hier oben genauer an. Es waren keine weiteren Wachen postiert. Die Fenster waren alle verriegelt, bis auf eines, was nur leicht angelehnt war. EIn Plan bildete sich in meinem Kopf. Er war sehr riskant, doch ich musste es riskieren. Leise ließ ich mich vom Dach ab und pirschte gehockt um das Lagerhaus herum zu dem angelehnten Fenster. Wortfetzen drangen an meine Ohren als ich unter dem Fenster hockte. Ich wollte es nicht riskieren hineinzusehen, zu groß war die Angst entdeckt zu werden. Eine Zeit lang lauschte ich dem Gemurmel. Ich konnte mindestens sechs verschiedene Stimmen ausmachen. Doch ich konnte nicht hören, was sie sagten. Lautlos pirschte ich an den Außenwänden der Lagerhalle entlang, bis ich auf der Rückseite ein weiteres, geöffnetes Fenster entdeckte. Das einzige Problem war, dass eine Hintertür direkt daneben war. Doch ich musste es riskieren. Ganz langsam erhob ich mich und spähte durch das Fenster hinein. Einen Dolch hatte ich fest in der Hand. In die Mitte der Halle stand ein kleiner Holztisch, spärlich beleuchtet mir einer einzelnen Kerze. Wahrscheinlich um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erhaschen. Doch das Interessanteste war, dass einige Dokumente auf dem Tisch lagen. Darunter konnte ich eine Karte Dalras erkennen. Um den Tisch verteilt standen sechs Personen, bis an die Zähne bewaffnet. Drei weitere standen in den Ecken des Raumes. Mein Herz sackte in die Hose. Ich konnte es nicht mit mindestens neun Personen aufnehmen. Erst Recht nicht im meinem geschwächten Zustand. Also konnte ich nur lauschen und Informationen erhaschen.

Ich hielt den Atem an und hörte nur noch mein eigenes Herz hektisch klopfen. Dann nahm ich die Wortfetzen deutlicher wahr. Die Stimmen redeten alle durcheinander, wie in einer hitzigen Diskussion, doch einige Fetzen konnte ich heraushören.

"...verrückt!"

"...Gedenkfest..."

"...Krieg..."

"...Bastarde..."

"...Solitra..."

"...Großkönig..."

"...Hochverrat..."

Bei dem letzten Wort stockte ich. Ist die ganze Sache größer als gedacht? Und dieser Name ... Solitra .... irgendetwas sagte mir das. Dann fiel es mir wieder ein. Solitra ist der Name einer Villa im Adelsviertel. Freya, die Kurtisane aus dem Draft hatte sie mal erwähnt. Doch was war dort? Hatte dieses Gebäude etwas mit der angeblichen Rebellion zu tun? Ein weiterer Blick hinein verriet mir, dass zumindest keine Drakis anwesend waren. Ein Stein fiel mir vom Herzen.

Ich hatte genug Informationen gesammelt. Damit konnte ich mich vor dem Meister blicken lassen und dann würden wir die Villa auf den Kopf stellen. Der Gedanke an eine Rebellion verwunderte mich immer noch. Wogegen rebellierten sie denn? Der König war doch ein guter Mann...

Gerade wollte ich mich wegpirschen als eine Tür in der Lagerhalle aufschlug und ich eine bekannte Stimme hörte. Rasch warf ich einen Blick in den Raum und erkannte aber nur eine Shilouette die schnell und laut auf eine Kommunikationskugel einredete. Dadurch hörte ich einwandfrei was sie sagte: "Ich wollte das nicht. Ich habe auch Verluste zu beklagen. Ich wurde angelogen. Mir wurde gesagt, es werden einige Männer geschickt, nicht Drakis!"

Ich sah rot. Diese Person war der Verräter. Diese Person musste die Tore geöffnet haben und die Drakis reingelassen haben, ob freiwillig oder nicht! Ich sah wie die Kommunikationskugel erlosch und von dem strahlenden Hellblau in ein rauchiges Weiß überging. Die Person drehte sich um und ich konnte sie nun erkennen. Und sie mich auch. Sie sah mir geradewegs in die Augen. "Scheiße...", murmelte sie.

Ein erstickte Schrei entfuhr meiner Kehle.

"Saphir!?"



Ich hatte mich verraten. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich musste mich getäuscht haben. Das war nicht Saphir, sie konnte es nicht sein. Durch meine Verwirrung ging alles viel zu schnell. Die Tür neben mir flog auf und ich wurde von zwei Männern grob in den Raum gezerrt. Meine Arme wurden mir auf dem Rücken verdreht und ich wurde in die Knie gezwungen. Zwei Männern verbrannten die Dokumente auf dem Tisch und legten ein Feuer einer Ecke der Lagerhalle. Wilde Gedanken trübten meine Sinne. Saphir kam auf mich zugerannt. Ich erkannte sie jetzt klar und deutlich. Schmerzen wegen des Verrates durchzogen mein Herz. Doch im gleichen Moment sah ich aus dem Augenwinkel wie ein Schwert auf mich herabgestoßen wurde.

Das Letzte was ich hörte war ein durchdringendes "Halt!", von Saphir, die sich auf mich stürzte.

Danach war alles schwarz.

Der Dunkle ThronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt