Das Erste was ich spürte war mein warmes und weiches Bett. Ein riesiges Kissen lag unter meinem Kopf und eine schwere Decke über meinen Körper. Ruhe und Frieden breitete sich in meinem Körper aus. So genoss ich es aufzuwachen, nicht wie im Wald. Ich zog den Duft der Heimat ein und genoss die Stille um mich herum. Nur das leise brennen eines Feuers war zu vernehmen. Frühe Sonnenstrahlen schienen auf mein Gesicht. Noch bevor ich die Augen aufschlug spürte ich eine neue Kraft in meinem Körper. Eine Art Geborgenheit machte sich in mir breit. Aber ich spürte auch eine Macht die sich wie ein Seil um meine Seele band. Der Schwur. Genauso fühlte es sich auch beim ersten Mal an. Doch das alles sagte mir eines: Ich war am Leben!
Ich schaute mich im Raum um. Ich lag in meinem blauen Himmelbett. Jemand hatte mich auf mein Zimmer gebracht. Es lag in einem der oberen Stockwerke, direkt unter den Gemächtern des dunklen Königs. In diesem Korridor waren alle Zimmer der Assassinen und einiger Mitglieder der schwarzen Hand. Gegenüber vom Bett kämpfte im offenen Kamin ein Feuer ums Überleben. Langsam stand ich auf und trottete zum Kamin. Ich warf einen neuen Holzscheit hinein und die Flammen leckten gierig darüber. Wärme breitete sich vor mir aus. Ich ließ meinen Blick weiter im Raum schweifen. Unter dem verglasten Fenster, durch welches die ersten Sonnenstrahlen fielen, stand ein alter Holztisch. Darauf lag immer noch ein aufgeschlagenes Buch über Magie, welches ich studierte, bevor ich loszog. Ich ließ die Finger über den ledrigen Einband schweifen bevor ich es zuschlug und beiseite legte. Auf der Truhe vor meinem Bett stand eine Waschschüssel mit Wasser. Gerade als ich der unausgesprochenen Aufforderung mich zu waschen nachkommen wollte klopfte es an der Tür. "Tretet ein!", rief ich. Plötzlich schaute ich panisch an mir herunter. Ich trug nur ein Nachthemd! Doch bevor ich mir etwas anderes überwerfen konnte öffnete sich auch schon die Tür.
Ein neugieriges Augenpaar schaute mich amüsiert an. Und ich erwiderte den Blick freudestrahlend. "Saphir", rief ich glücklich aus und nahm meine beste Freundin und Gefährtin in den Arm, welche den Stapel Bücher aus ihrem Arm fallen ließ. Ihr schlanker, aber durchtrainierter Körper hielt mich im Arm. Saphir war drei Jahre älter als ich und einen halben Kopf größer. Ihre blauen Augen passten zu ihrem haselnussbraunen Haar. Auch sie war eine Assassine im Dienst des dunklen Königs. Seit meiner Ankunft an dunklen Hof wurden wir beste Freunde. Ich hatte sie vermisst. Nach einer langen Umarmung trat sie zurück und begutachtete mich. "Du siehst besser aus.", lächelte sie. "Wenn ich dich sehe gehts mir sogar noch besser", lachte ich. Sie schmunzelte. "Und trotz deines Versagens stehst du noch in der Gunst des Königs. Womit hast du das nur verdient?", neckte sie mich. Ich boxte ihr leicht gegen den Oberarm. Theatralisch rieb sie sich die Stelle. "Liegt wohl daran, dass ich die beste Assassine bin, die der Meister hat", ärgerte ich Saphir zurück. Laut lachte Saphir auf, dann wechselte sie das Thema. "Wie geht es dir?" Ich verzog leicht das Gesicht. "Besser. Mein Bein schmerzt noch. Sag, wie lange habe ich geschlafen?" Sie zog die Stirn kraus und überlegte kurz. "Du warst ganz schön zugerichtet. Einige Heiler mussten sich um dich kümmern. Du hast drei Tage geschlafen." Ich riss die Augen auf. Drei Tage! "Der König will dich sprechen wenn du wach bist. Ich muss los.", brummte Saphir und sammelte ihre Bücher wieder auf. Dann warf sie mir einen Luftkuss zu und ließ mich wieder alleine.
Ich seufzte und raufte mir durch die Haare. Ich fühlte mich deutlich besser. Mein Verstand war klar und mein Bein belastbar. Wie immer hatte ich unglaubliches Glück gehabt und kam mit nicht mehr als einigen Narben davon. Eine mehr oder weniger macht nun auch nichts mehr aus. Ich ging zur Truhe und wusch mir das Gesicht, dann zog ich mir Kleidung an. Eine dunkle Stoffhose, dazu ein Hemd mit einem kleinen, schwarzen Handabdruck über der Brust und dazu meine Wildlederstiefel. Zudem zog ich meinen dunkelroten Umhang um und befestigte ihn mit einer wunderschönen Manschette in Form eines Pfeils vor der Brust. Dazu befestigte ich ein Messer an meinem Gürtel und steckte ein weiteres in einen Lederriemen um mein Bein. Man kann nie sicher genug sein, auch nicht hinter eigenen Mauern. Ich warf einen letzten Blick auf meine Spiegelung in der Waschschüssel. Dunkle Augenringe zierten meine blauen Augen, doch sie wirkte dennoch wach. Mein Magen knurrte als ich die Zimmertür hinter mir zuwarf. Ich trat auf den langen Flur und wich einigen Bediensteten aus, die umherwuselten. Auf meinem Weg zum Thronsaal in dem ich den König vermutete kam mir eine Küchenmagd mit einem Korb voller Äpfel entgegen. Geschickt angelte ich mir einen Apfel aus dem Korb, was mir einen bösen Blick einbrachte. Doch als mich die Magd erkannte senkte sie den Kopf und huschte schnell davon. Amüsiert lachte ich auf. Genüsslich biss ich in den Apfel und führte meinen Weg fort. Das Laufen war kräftezehrender als erwartet. Ich hatte abgebaut in der Zeit in der ich schlief und mein Bein schmerzte bei jeder Belastung. Als ich vor den Flügeltüren des Thronsaals stand, machten mir die Wachen ohne zu Zögern Platz. Das letzte Mal als ich hier stand war ich nicht mehr als eine Gefangene. Doch nun war ich wieder die beste Assassine Azeras. Und man fürchtete mich. Zu recht. Ich nahm einen tiefen Atemzug bevor ich die Türen aufstieß und den Thronsaal betrat. Suchend sah ich mich im Saal um. Der Thron war leer. Nur der große Wolf schlief ruhig neben dem Thron. In einer Niesche abseits des Throns saß der König und sprach mit seiner Tochter. Sie redete hektisch auf ihn ein, doch er schien alles abzublocken. Geräuschvoll näherte ich mich und verbeugte mich räupernd vor dem König. Ich sah ihm in die Augen: "Mein Herr." Dann sah ich seiner Tochter erneut in die Augen: "Saphir." und neigte den Kopf wieder in eine Verbeugung. Verbissen sah Saphir dem König in die Augen. "Das war nicht das letzte Wort, Vater." Dann schenkte sie mir ein schnelles Lächeln und verschwand ohne zurückzublicken. Nervös fingen meine Hände an zu schwitzen. "Ich hoffe ich störte Euch nicht, Meister. Ihr habt mich rufen lassen". Noch einen Moment abwartet sammelte sich der König bis er mich ansah. "Ja. Ich bin froh, dass deine Genesung schnell voran geht. Ich möchte, dass du das Training wieder aufnimmst." Ich nickte eifrig. "Natürlich." "Gut. Wenn Sithis meint du bist bereit habe ich einen Auftrag für dich. Ich werde auf dich zukommen. Nun geh!", befahl er. Freude überkam mich. "Ja Meister, ich danke Euch.", antwortete ich mit fester Stimme, verneigte mich und verließ eilig den Thronsaal. Als ich die Türen wieder hinter mir schloss rannte ich beinahe in Saphir, die ungeduldig vor dem Thronsaal auf und ab lief. "Was wollte er?", platzte sie heraus und hielt mich fest, da ich umzukippen drohte als ich in sie reinlief. "Du bist aber neugierig.", grinste ich. "Er will, dass ich das Training wieder aufnehme. Wenn ich Sithis von meiner Genesung überzeugen kann, hat er sogar einen neuen Auftrag für mich.", freute ich mich. Ein kurzer Moment der Trauer huschte über Saphirs Gesicht. Oder war es Eifersucht? Augenblicklich heiterte sich ihre Miene wieder auf. "Komm, vorher frühstücken wir aber richtig.", flötete sie und schliff mich hinter sich her in den Speisesaal.
Der Speisesaal füllte sich zunehmd mit Menschen. Es waren Soldaten, Assassinen, Diebe, Wachen, Bibliothekare und andere Bedienstete im Schloss des dunklen Königs die gemeinsam speisten. Körbe mit frischem Obst und Brot standen auf den lange Tafeln. Saphir und ich schlugen uns die Bäuche voll und tauschten uns über die letzten Geschehnisse aus. Im Schloss gab es nichts neues. Dem einem üppigen Frühstück gingen wir in die Keller. Dort waren eigens für die Assassinen geheime Trainingsräume eingerichtet. Wir trainierten abseits der Soldaten geheime Kampfkünste und Techniken. Zusätzlich sollten unsere Identitäten weitesgehend geheim bleiben. Es war sehr schwer unerkannt zu bleiben, aber wir versuchten was wir konnten. Der Raum war riesig. Es war ein kalter Kerkerraum, der nur durch Fackel beleuchtet wurde. In der Mitte war ein Ring aus Stroh gelegt um Duelle abzuhalten. An den Wänden standen verschiedene Trainingspuppen, sowie Zielscheiben und alles Mögliche. Truhen zum Schlossknacken, Fesseln zum befreien und alle möglichen Arten von Waffen waren im Raum verteilt. Die Liste mit Dingen die man als Assassine beherrschen musste war lang und notwenig. Ein Assassine der keine Schlösser knacken oder sich aus Fesseln befreien konnte war kein Guter. Daher wurde uns hier die Möglichkeit geboten alles zu lernen. Zusätzlich waren mehrere Bibliotheken im Schloss mit zahlreichen Büchern um seinen Horizont zu erweitern. Die Ausbildung die uns der dunkle König zur Verfügung stellte war wohl die Beste die man im ganzen Land bekommen konnte.
Im Raum befand sich bereits Alexs, ein kleiner Mann, aber dafür umso hinterhältiger Assassine, welcher Sithis hinterhereiferte. Ich mochte ihn nicht. Ich sprach mich kurz mit Saphir ab und wir begannen mit Aufwärmübungen. Wir liefen einige Runden durch den Raum und dehnten unsere Muskeln. Als Saphir und ich keuchend zum stehen kamen betrat SIthis den Raum. Eiserne Kälte legte sich über uns. Er starrte uns mit seinen gefährlichen Augen an und schritt erhaberisch an mir vorbei. Unverzüglich hechtete Alex zu Sithis und plapperte ihn voll. Doch Sithis ignorierte ihn, stellte sich wortlos in eine Ecke und beobachtete mich genaustens. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Doch es spornte mich an ihm zu beweisen wie gut ich war.
Saphir und ich warfen einige Dolche auf die Zielscheiben. Anschließend schossen wir mit Bögen und Armbrüsten. Jeder meiner Schüsse landete im Schwarzen. Der Letzte spaltete sogar einen Pfeil von Saphir und ein triumphierenden Lachen entkam mir. Saphir rollte nur mit den Augen. Schließlich gingen wir in den Zweikampf. Saphir wählte ein Schwert während ich mir einen gekrümmten zweischneidigen Dolch nahm. Wir begaben uns auf die Strohplattform und begannen den Kampf.
Die Frau war eine ebenbürtige Gegnerin. jeder von uns wartete nur auf einen Fehler des anderen. Uns beiden stand die Anstrengung ins Gesicht geschrieben. Die Klingen klirrten und die Fäuste flogen, doch keiner traf gut. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit machte Saphir einen Fehler. Vor mangelnder Kraft vergaß sie ihre linke Seite zu schützen. Blitzschnell machte ich einen Ausfallschritt, trat das Schwert aus ihrer Hand und hielt ihr mein Messer an den Hals. "Du bist tot.", keuchte ich. Dann nahm ich den Dolch herunter. Gierig griff ich nach meinem Wasserschlauch und trank ihn leer. "Ein guter Kampf", sagte Saphir und ich stimmte zu. Unauffällig fiel mein Blick auf Sithis. Er stand nach wie vor an der gleichen Stelle und beobachtete uns mit Adleraugen. Als Saphir und ich endlich das Training beendeten verließ er wortlos die Keller. Alex war schon lange gegangen als er merkte, dass Sithis ihm keine Aufmerksamkeit schenkte. Auf dem Weg nach oben fiel uns auf, dass die Sonne unterging. Wir hatten den ganzen Tag trainiert. Meine Muskeln zitterten auf dem Weg nach oben und ich freute mich auf ein Bad und Abendessen. Ich bestellte beides bei einem der Diener. Eines der vielen Privilegien die ich als Assassine des dunklen Königs hatte.
Nach einem entspannten Bad und reichhaltigem Abendessen feuerte ich den Kamin erneut an. Ich schnappte mir das Buch über Magie und las es im Bett bis ich nach einem anstrengenden Tag einschlief.
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Der Dunkle Thron
FantasyWas wäre, wenn ein einzelner Mensch dich deinen Lebenssinn überdenken lässt? Wenn die pure Existenz dieser Person die Grundlagen deines Lebens umwirft? Mit dieser Wendung hat Alena Eshrava, besser bekannt als 'der Schatten', nicht gerechnet. Sie m...