Nächtliches Ritual -6-

29 7 0
                                    

Jahr 30 nach der Ruhe

Der Abend war früher eingetroffen, als erwartet, doch das lag wahrscheinlich an der guten Gesellschaft, dachte Twinkle bei sich. Die beiden Tage, die er mit dem Streichholz und dem Toten verbracht hatte, waren von Schweigen und einsamen Nachdenken erfüllt gewesen. Stone und Ember allerdings hatten das ein wenig auf den Kopf gestellt; das Schweigen war Gesprächen, Gelächter und (wie soll ich das sagen, ohne jemanden zu verletzen?) Versuchen der Musik gewichen, die weder musikalisch, noch in irgendeiner Weise lieblich anzuhören gewesen waren, jedoch unsere Grundmoral hoben (ich hab's versucht, okay?) und das einsame Nachdenken hatte Fesseln angelegt bekommen, was es jedoch nicht davon abbrachte, seine langen Griffel ständig nach Twinkle auszustrecken. Er stand an einen Baum gelegt, in den Armen trug er eine volle Ladung Geäst und was es noch so im Wald gab. Die Gruppe hatte darüber debattiert, ein großes Feuer auf ihrem Bergplateau zu entfachen und stetig am Brennen zu halten. Der Nachteil daran, wie Twinkle seufzend hatte feststellen müssen, waren die ungeheuren Mengen an Holz, die dafür benötigt wurde.

Er beobachtete das Lager, dass unweit von dem kleinen Wäldchen entfernt war. Gegen den riesigen Wald, in dem Stone und Ember eine Nacht über geschlafen hatten, konnte dieser es nur im Traum aufnehmen, doch für ihre Zwecke reichte er voll und ganz aus. Am Feuer saßen Ember, Stone und Mill. Das „Schattenauge" („Stone nennt ihn nun auch so", flüsterten ihm die Griffel des einsamen Nachdenkens zu, möglicherweise hörte er auch einfach nur Stimmen... was vielleicht sogar noch beängstigender ist) hatte auch nah der Ankunft der Geschwister viel Zeit in seiner Höhle verbracht, aber vielleicht war das seine Art, sich rar zu machen.

Die Flamme züngelte noch gut einen Meter hoch. Er verstand nicht, warum Mill ihn so oft zum Holzholen schickt, nicht, dass er das nicht gerne machte, er hasste es. „Schlimmer als die Pest", murmelte er und das einsame Nachdenken fügte an, viel eher, schwerer als die Pest, und seine Griffel vollführten ein Lächeln. Twinkle lachte leise in seinen Bart hinein (was noch besorgniserregender ist, da er keinen hatte). Weiterhin starrte er auf ihr Lager. Es hatte etwas friedlich ruhevolles, ja, fast idyllisch sah es aus, wäre da nicht Ember in ihrer blutverdreckten Bluse gewesen. Dazu noch mit der Wunde an ihrem Hals und dem angriffslustige Blitzen in ihren Augen und dem faszinierten zufriedenen Grinsen, das sich immer einstellte, wenn sie das Feuer betrachtete, wirkte sie wie ein überirdischer Dämon, wenn der Schein der Flammen über ihre Züge glitt.

Vor Schreck ließ Twinkle die Äste fallen, als ihm jemand auf die Schulter tippte. Perplex drehte er sich um und erkannte den namenlosen Umriss eines Bekannten im Schatten des Waldes. Um nicht zu erschrocken auszusehen, lehnte sich Twinkle wieder an den Baum (wobei er versuchte so lässig, wie Stone herüberzukommen) und atmete tief ein und aus, was seine Bemühungen zu Nichte machte.

„Was gibt's?"

„Ssssspt."

Auf einen Wink folgte Twinkle dem Schattenauge ein Stück in das Wäldchen hinein. Erst danach bekam er eine Antwort.

„Es geht um Stone", sagte der der Schatten wage und gerade so laut, dass man ihn verstehen konnte.

„Er kommt doch ganz sympathisch rüber."

Die Antwort kam abrupt: „Nicht so laut." Twinkle wusste nicht, was das sollte.

„Was soll das?", fragte Twinkle, doch schickte seinen Blick erneut (und auf den Ausruf des einsamen Nachdenkens: Die können euch doch niemals hören!) zum Lager hinüber. Sein Blick wollte schon wieder zu ihm zurückkehren, blieb aber an Ember hängen. Das Feuer glitzerte wieder in ihren Augen und es schien nicht nur das Lagerfeuer vor ihr zu sein, sondern vielmehr ein Feuer, dass in ihr glühte und nur auf die nächste Gelegenheit für einen Ausbruch hoffte (oder was Feuer halt so tun...) Licht und Schatten gaben sich ein Gefecht auf ihrem Gesicht und der bernsteinfarbene Ton ihrer Augen und ihre orangenen Haare spiegelten dieses Feuer in ihr wider und egal wie sehr Twinkle dieses Bild an einen Dämon, einen Diener des Teufels, erinnerte, so sah er in Ember auch das zum Leben erweckte Abbild eines Engels.

Eine Prise SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt