Jahr 30 nach der Ruhe
Mill schnaubte pikiert. Noch immer sprang Stone herum wie ein einfältiger Affe und gab dabei Geräusche von sich, die auch für einen solchen zu animalisch gewesen wären.
„Beruhige dich, siehst du nicht? Wir sind alle schon hellwach und auf den Beinen", schalte er kühl.
Am liebsten wäre er ohne die anderen aufgebrochen, allerdings glaubte er noch einen Nutzen aus ihnen ziehen zu können, was besonders für Awe galt, der eine besondere Gabe zu haben schien. Mill bereute es nun nicht mehr sich ihm offenbart zu haben, damals –es schien bereits lange her zu sein- als er ihn gefunden hatte.
Mindestens bis er mehr über den Verbleib seines Vaters herausgefunden hatte, würde er sich noch mit diesen Pflaumen herumschlagen, dann müsste er sehen, wie es für ihn weiter ginge.
Ein kaltes Lächeln blitzte in seinen Augen auf, während sein Mund seine starre Position einbehielt. Eine äußerst vornehme Art des Lächelns.
Es sollte nicht mehr lange dauern, da stellte der muskulöse Mann sein paranormales Verhalten ein, und sie konnten Aufbrechen.
Soweit Mill das Verstanden hatte, suchte ihre kleine Prozession nach einem Telefon, einem Apparat der Verständigung. Eine weitere fragwürdige Aktion, an einem von Menschen verlassenen Ort nach einem hochmodernen Gegenstand zu suchen. Trotzdem, der Aufbruch an sich war durchaus plausibel: das Wasser wurde langsam aber zusehend knapp und zumindest er hatte die Hoffnung darauf, doch noch Menschen oder gar Zivilisation zu entdecken, nicht vollständig aufgegeben. Anders, als Awe und wie er ein wenig überrascht feststellte auch Twinkle (von ihm hatte er große Beteiligung an der Suche nach dem Eiszapfen in der Wüste erwartet).
Die beiden Männer, die sich mit einem Mal bestens zu verstehen schienen und, wie es aussah, so einiges zu bereden hatten, liefen ein wenig hinter Mill, der wiederum hinter Ember durch den Pass zwischen den beiden Sandsteingebirgen rechts und links zu ihnen lief. Nur einer war schon ein Stück vorausgeeilt und Mill freute sich bereits auf den Anblick eines hechelnden, durstigen und erschöpften Stone.
Bei diesem Gedanken trat seine sadistische Ader hervor. Mill zupfte schnell den Ärmel seiner Tunika zurecht und blickte sich dann vorsichtig um, doch wie es aussah schenkte ihm keiner Beachtung.
Mit der Zeit (und dafür hasste er sie wirklich) begannen Mills Beine zu schmerzen und sein Kopf sehnte sich nach Unterhaltung. Die Sonne war auf ihrem Weg weitergezogen, doch die schroffen Felsen, auf denen nur selten kleinere Büsche wuchsen, hatten sich wenig verändert. Vor und hinter ihnen sah Mill auf einen himmelwärts geöffneten Tunnel; keines der beiden Enden war in Sicht und keiner von ihnen hatte eine Ahnung, wie weit der Weg noch führen konnte, oder wohin.
Nur eines war klar ersichtlich und gerade das war es, was Mill die größte Angst ein jagte: wie weit ihr Wasservorrat sie noch bringen würde.
*****
Ember hatte den Versuch, mit dem Tempo ihres Bruders mitzuhalten, bereits ziemlich zu Beginn ihres Marsches aufgegeben, doch nun zügelte sie ihre Geschwindigkeit noch um ein weiteres Stück. Ihr Atem ging stoßweise und von der Seite drangsalierte sie ein gewaltiges Stechen mit seiner langen kolibriartigen Nase.
Sie fiel zurück und wenige Augenblicke später befand sie sich auf gleicher Höhe mit Mill, der einen nicht weniger erschöpften Eindruck machte, auch wenn er den Kopf gen Himmel streckte, als hinge davon sein Leben ab.
Wahrscheinlich hing eher seine Würde davon ab, dachte sie sich, doch für Mill standen sein Leben und seine Würde sicherlich sowieso auf einer Stufe, wodurch das kaum einen Unterschied machen konnte.
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Eine Prise Schicksal
FantasyFünf Menschen erwachen, ihrer Erinnerungen bestohlen, in fremden Land. Die Zeit der Ruhe ist vorbei, soviel steht fest, doch wer ist Verbündeter und wer Feind? Und was ist vor der Ruhe mit ihrer Welt geschehen? Eine Geschichte um Erinnerungen, Götte...