Ein Zeichen der Gnade

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Kapitel 31

Tiënje't – Jahr 30 nach der Ruhe

„Warum kann ich nicht jetzt mit ihm sprechen?"

Ein kleiner Tumult vor seiner Tür weckte Mill aus seinem überraschend angenehmen Schlaf.

„Beruhigen Sie sich", es war keine Bitte, die über die Lippen Tiëns glitt.

„Ich werde mich erst beruhigen, wenn Ihr aufgeblasener Türsteher seine sauberen Palastpfötchen von mir genommen hat!", wetterte der Fremde von neuem, wobei seine Zunge nur schwerfällig von der einen Position zur nächsten humpelte.

„Mill braucht seinen Schlaf und verdient hat er ihn noch dazu", machte der König geltend, seine Stimme war mehr als distanziert: „Und Ihnen kann ich nur das gleiche raten. Schlafen sie Ihren Rausch aus-" Er wurde unterbrochen.

„Weder", betonte der Lallende und pochte entweder dem Wächter oder Tiën dabei gewaltvoll vor die Brust: „entscheiden Sie – poch – wann ich – poch – mit meinem – poch – Sohn spreche, noch wann ich mich um meinen Schlaf kümmere."

Tiën lächelte dem puterroten beleibten Herren von oben entgegen, richtete sich dann jedoch an seinen Gardisten: „Wie es aussieht ist unser werter Freund wohl doch noch nicht dazu bereit für sein langes Warten entlohnt zu werden. Entferne ihn, Echo, ich will ihn in nächster Zeit nicht mehr hier sehen."

Echo verbeugte sich, den Betrunkenen immer noch mit Zwei fingern am Gewand gepackt und wollte ihn den Gang hinab zerren, als ein ungekämmter Mill mit gekräuselter Stirn und sogar noch gekräuselterem Mund in der Tür stand.

„Mein Junge", rief der Schmächtige strahlend und kümmerte sich nicht um den wenig festen Griff des Gardisten, als er seinen Sohn in eine stürmische kurze Umarmung zog. Schnell ließ er Mill wieder los um ihn eingehend zu beobachten; er zitterte stark und in seinem linken Auge hatte sich eine einzelne Träne gebildet. Dann wurde der breite Mann schließlich doch zurückgezogen und Tiën erklärte ungerührt: „Mill, das ist dein Vater. Du kannst für diesen Tag mit ihm gehen, doch die Nacht wirst du hier verbringen. In ein paar Wochen - vielleicht schon Tagen, wird sich alles geklärt haben und du kannst tuen, was dir gefällt." Sein Blick schärfte ihm erneut ein, zurückzukommen.

Mill nickte ihm und seinem Gardisten zu und folgte dann dem schwerfälligen Mann. Einerseits empfand er ein unglaubliches Glücksgefühl, nicht mehr alleine zu sein, herausfinden zu können, wer er gewesen war, doch gleichzeitig ekelte er sich vor dem gealterten Mann, den er aus seiner Vision gänzlich anders in Erinnerung hatte. Sicher, schon damals hatte er zur Übergewichtigkeit geneigt und nach den Worten seines früheren Ichs hatte er auch schon ordentlich gebechert, doch Mills Gehen und sein Verschwinden mussten alles noch schlimmer gemacht haben. Der Alte schniefte laut und spuckte auf den teuren Teppich, bevor sie das königliche Schloss verließen und die riesige Gartenanlage betraten.

Mill wusste nicht, was er hätte sagen können, weshalb auf dem ersten Stück des Weges tiefes gegenseitiges Schweigen herrschte. Erst als einer der vielen emsigen Gärtner ihnen vor die Füße lief stießen beide ein angewidertes Schnauben aus. Es war befreiend und beide sahen sich in die kleinen Augen; einander erkennend.

„Lass uns keine weiteren Sentimentalitäten austauschen", schlug der Alte vor und Mill stimmte versonnen schmunzelnd zu: „Und noch was, Junge, du nennst mich Binge, so wie es jeder tut. Wir werden auf meinem Gehöft alles Nötige bereden und dann packst du deine Sachen, hörst du? Du wirst nicht zu diesem" er atmete angestrengt aus: „Du wirst so schnell aus der Stadt verschwinden, wie es geht. Am besten noch bevor die Nacht einbricht."

Eine Prise SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt