Slòtgar' (Dorf der Verbannten) – Jahr 30 nach der Ruhe
Awe musste unwillkürlich Schlucken. Von der alten Frau in ihrem Schaukelstuhl ging ein unangenehm süßlicher Geruch aus; was er für einen Moment für Verwesungsgeruch gehalten hatte, schien jedoch eher von den schwarzen verwelkten Blütenblättern zu stammen, die in einer tristen Lustlosigkeit aus dem aufgelösten Staubdurchsetzten Zopf der Alten hingen. Einst musste sie einen recht ästhetischen Anblick geboten haben, schätzte Awe, doch in ihrem jetzigen Zustand schien sie kaum noch lebendig. Lediglich das flackernde Licht der Kerze, die sie hielt, konnte ihr etwas an Natürlichkeit zurückgewinnen.
„Bist du das, Shine?", wiederholte sie knarzend und versuchte sich aufzurichten, wobei ein Knochen ihrer Wirbelsäule nach dem anderen dumpf knackend seinen Unmut mitteilte.
Awe setzte zu einem: „Tut mir Leid, aber ich kennen keinen Shine", an, doch da sprang die Frau geradezu auf und legte einen knochigen Finger an ihre Schmalen Lippen.
„Pssst", machte sie laut und wütend, um flüsternd hinzu zu fügen: „Dies ist eine Bibliothek", dann ließ sie sich wieder zurück in ihren Schaukelstuhl, der durch die abrupte Bewegung weit ausschlagend hin und her schwang.
Unterdessen hatte sich Twinkle zu Ihnen gesellt und wurde nun ebenfalls eingehend gemustert.
„Es freut mich dich zu sehen", ächzte die Frau, wie ein berstender Baumstamm.
„Die Ehre ist ganz meinerseits", gab Twinkle glatt zurück und streckte der Schaukelnden seine Hand zum Gruß entgegen. Auf seinem Gesicht konnte Awe dennoch eine abenteuerliche Mixtur aus Widerwillen, Angst und Neugier erblicken.
„Du erinnerst dich doch noch, Shine, nicht wahr? Das tust du doch, mein Junge."
Twinkle nickte beherzt – die Lippen dennoch leicht gekräuselt, was Dó'à nicht zu bemerken schien – und ließ sich nicht auch nicht beirren, als ihre runzeligen Finger seine Hand kneteten.
„Wie könnte ich dich nicht erkennen, wehrte Bibliothekarin und Archivarin Dó'à", lächelte er und deutete eine Verbeugung an. Wohl weniger aus Gründen der Höflichkeit oder um des Schauspiels Willen, sondern eher, um der abartigen Berührung zu entkommen, die ihre kalten dünnen Akren mit seiner Handfläche verband.
Awe schaute seinen Freund verwirrt an, doch dieser hielt ihm hinter seinem Rücken, sodass Dó'à es nicht sehen konnte, ein dickes gebundenes Buch hin, auf dessen Rücken in großen Lettern „Zusammengetragen durch die Bibliothekarin & Archivarin Dó'à. Er grinste, Twinkle war gerissen.
„Nehmt euch doch einen Stuhl. Ihr wart lange fort und müsst müde sein."
Twinkle stimmte ihr zu; er wollte sehen, welche Informationen er aus der Alten herausbekommen konnte. Schnell nahm er sich einen der Stühle, die überall in kleinen Grüppchen zusammenstanden und setzte sich in angemessen Abstand zu seiner neuen Bekannten. Als sich jedoch Awe mit seinem Stuhl hinzusetzen wollte, machte die Bibliothekarin einen weiteren Sprung aus ihrem Schaukelstuhl und fauchte ihn an: „Sagte ich, du darfst dich setzen?" Sie hob einen krummen Finger gegen ihn: „Wer bist du eigentlich. Shine, wen hast du da mitgebracht? Habe ich dir nicht Mal um Mal gesagt, du solltest dich von Vagabunden fernhalten?"
„Aber Dó'à", zeigte sich Twinkle empört: „Erkennst du unseren alten Freund denn nicht mehr? Das ist... das ist Mill."
Awe dachte sich seinen Teil, anstatt einzuschreiten. Twinkle war sicherlich kein guter Schauspieler, doch ohne Zweifel hatte diese alte Schrulle nicht mehr das volle Bewusstsein über ihre Situation und diese Person, Shine, musste ihr einmal sehr viel bedeutet haben.
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Eine Prise Schicksal
FantasyFünf Menschen erwachen, ihrer Erinnerungen bestohlen, in fremden Land. Die Zeit der Ruhe ist vorbei, soviel steht fest, doch wer ist Verbündeter und wer Feind? Und was ist vor der Ruhe mit ihrer Welt geschehen? Eine Geschichte um Erinnerungen, Götte...